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#50 SPEZIAL Teil 2: Hans-Heinrich Isenbart - "die Stimme des Pferdesports"

Im zweiten Teil dieses Spezial-Podcasts geht es weiter mit Hans-Heinrich Isenbarts hippologischen Memoiren. Hans-Heinrich Isenbart war ein gefragter Kommentator, Turniersprecher, Buchautor und Filmemacher rund um das Thema Pferd. Wie kein zweiter verstand er sich darauf, den komplexen Pferdesport einer breiten Öffentlichkeit verständlich und zugleich faszinierend zu präsentieren. Im Alter von 85 Jahren verwirklichte er dieses Hörbuch, um Wissen über die pferdegerechte Reiterei zu verbreiten.

In der Geschichte geriet die Reiterei dabei immer wieder auf Irrwege - manchmal aus der Not heraus. Heute, wo wir unsere Pferde nicht mehr zum Überleben brauchen, sollte es deshalb eigentlich leicht sein, dem Pferd ohne Zwang und mit viel Zeit zu begegnen. Denn die Mensch-Pferd-Geschichte zeigt uns, dass Zeit und Geduld in der Pferdeausbildung nicht austauschbar sind.  

Hans-Heinrich Isenbart berichtet zudem von wichtigen Begegnungen aus seinem Leben. Insbesondere von dem Redakteur und Schriftsteller Peter Bamm (1897-1975) hat er viel über das Verhältnis von Menschen und Pferden gelernt. Dieser sagte: „Wer gelernt hat mit einem Pferd umzugehen, der hat ein Stück Erziehung an sich selbst vollbracht.“

Podcast Transkript

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[SPEAKER 1]Herzlich Willkommen zum wehorse Podcast zu dieser Spezialfolge. Es ist der zweite Teil des Hörbuchs, was ich noch sagen wollte, den Hippologischen Memoiren der Legende Hans Heinrich Isenbart. Es ist die nachdenkliche Zeit des Jahres, es ist die Adventszeit, sicherlich dazu passend auch dieser zweite Teil, zu dem ich dir sehr viel Spaß wünsche, die ein oder andere Erkenntnis. Und nun, Teil 2 von was ich noch sagen wollte. Wir können manche Zeit, die auf das klassische Griechenland folgte, getrost ganz schnell übergehen. Schon in der Zeit der Römer, der begabten Kopisten klassischer Leistungen der Griechen gab es einen Niedergang der Reiterei. Bei der geringen Qualität der Reiterei wundert es nicht, wenn die Kavalerie der Römer wenig kompetent war. Bei den Reitertruppen taugten eigentlich nur die germanischen und die gallischen Hilfsvölker etwas. Das wissen wir von den Sveven und von den Tengterern, die als Kavalleristen besonders geschätzt waren. Mit den Berichten über die Verwendung der Pferde im Kriege muss man sich aber einmal klarmachen, in welch ungeheurem Maße Pferde von den Menschen gegen ihren Instinkt gebraucht wurden.

[SPEAKER 2]Ein Weidetier.

[SPEAKER 1]dessen einzige sogenannte Waffe die Flucht war, und die Disposition zum Fluchttier geht schon aus der Stellung der Augen des Pferdes hervor, die einen Blickwinkel bis nach schräg rückwärts ermöglichen, während alle beutegreifenden Tiere gerade nach vorn gerichtete Augen haben. Ein Fluchttier also, vor einem Kriegswagen gespannt oder unter dem Reiter, sollte gegen einen Wald von Spießen anrennen, hinter dem behelmte, entsetzlich schreiende Menschen standen, das ist schier unglaublich. Und doch, lesen wir, Voll Kraft stürzt es den Geharnischten entgegen, scheut nicht, flieht nicht vor dem Schwerte, und nimmer steht es stille bei der Trompete Klang und wittert von Ferne den Streit, der Führer Donnerruf, das Schlachtgeschrei.

[SPEAKER 2]So steht’s geschrieben in der Bibel, im Buch Hiob.

[SPEAKER 1]Bei den Goten muss es übrigens zur Römerzeit so eine Art Kosakenreiterei gegeben haben. Wir erfahren davon durch den Historiker Prokopius, der die Reiterkunststücke des Gotenkönigs Totila vor der Schlacht bei Taginä 552 n. Chr.

[SPEAKER 2]schildert.

[SPEAKER 1]Auf dem Kapitolsplatz in Rom steht eines der frühesten Reiterdenkenmäler, nebenbei das einzige aus jener Zeit und vollständig erhaltene Da reitet der Kaiser Mark Aurel, 121 bis 180 n. Chr., der Philosophenkaiser, dessen Regentschaft am Beginn des Niedergangs des Römischen Reiches steht. Ganz sicher wollte der Kaiser sehr prächtig aussehen, als er dem Künstler etwas vorgeritten hat. Wir haben das Urteil eines kompetenten Kunstgeschichtlers maßgebend noch heute für die Forschung in der römischen und italienischen Kunst aber reiterlich durchaus nicht ausgebildet. Da sagt Jakob Burckhardt von diesem Standbild Das Pferd des Mark Aurels auf dem Kapitolsplatz in Rom ist ein gut gearbeitetes und lebendig bewegtes Tier, an sich aber ein widerliches, vielleicht einem Streitrost des Kaisers getreu nachgebildet. Ganz sicher ist nicht nur der Gaul getreu nachgebildet, sondern auch der Kaiser und der Künstler hat sehr genau beobachtet. Und da saß eben nun der Kaiser zu Pferd und mehr tat er auch nicht. Da saß er wie auf einem Sofa. und ließ die Beine baumeln und ließ sich einhertragen auf einem festgehaltenen und seiner Gangart beraubten Tier, das mit falschem Knick im dritten Halswirbel, sich wehrend im Maul und in den Ganaschen und mit herausgedrücktem Unterhals und mit hinten heraus schleppender Hinterhand einherzog. Das muss wohl so eine Art Reiterei im alten Rom gewesen sein, wie wir sie nicht schätzen. Der Kaiser sollte das Beste im Lande sein und ohne jede reiterliche Logik ist er, trotz großer Kunstfertigkeit des Kunstwerkes, abgetan als Reiter. Die Ritterzeit ist eine große Zeit. Nach der Romanik die Gotik. Die Ritter retten Turniere. Von hier kommt die Bezeichnung unserer Turniere, eingeführt 1912 auf eine Leserumfrage des St. Georg nach einem deutschen Wort. Vorher hieß es auch bei uns Concuripic. Ja, und es ist eigentlich eine Schande, dass unsere Turniere nach der kläglichen Reiterei der alten Rittersleute heißen. Denn was Turnier hieß, Das kommt vom französischen Tournoi, drehen, wenden, also der Wettkampf der wendsamen Rosse. Das war ein mühsamer Galopp auf gerader Linie in Wirklichkeit. Gepanzert war das Pferd mit schwerem Stahl, Kanz, Fürbug, Gelieger und Roststirn. und obendrauf der Herr Ritter in seinem Eisen-Etui, im hochlehnigen Sattel mit wegstreckten Beinen, mit langen bratspießartigen Sporen. Nein, nein, nein, nein, reiten konnte man das wohl nicht nennen. Von der Wiedergeburt der Reiterei kann erst im 15. Jahrhundert gesprochen werden, im italienischen Quattrocento, der Epoche des Rinascimento. Auch hier liefern uns große Kunstwerke Reiterstandbilder einen Begriff von der Reiterei der Zeit. Ein bahnbrechender Vertreter der Florentiner Frührenaissance Donatello, 1386 bis 1466. Und etwas später, Andrea del Verrocchio, 1435 bis 1488, haben uns zwei Reiterstandbilder hinterlassen. Der erste in Padua, das Standbild des Condottiere Francesco de Narni, genannt Gattamelata. Der andere, das Reiterstandbild des Bartolomeo Coleoni auf der Piazza San Zanipolo in Venedig. Beide Monumente zeigen, wie die Reiterei auf dem Weg in die Hochrenaissance sich nun der Natur wieder nähert. Hier kommt die Zeit, in der die Pferde unter dem Reiter schneller und wendiger werden mussten, denn nun waren ja auch die Feuerwaffen erfunden, gegen die kein Panzer half. Die Reitkunst der folgenden Epoche, die dekorative Reiterei des Barock, beruht zu einem wichtigen Teil auf dem Reitlehrbuch eines neapolitanischen Edelmannes aus dem Jahr 1550, Frederico Griso, die sogenannten Ordini di Cavalcare. Aus der Neapolitanischen Schule, die damals die Reiterei an den europäischen Fürstenhöfen zu beherrschen begann, stammt auch ein Reitmeister, dessen Name bis heute wichtig ist und, wenn auch nur, wegen eines Ausspures. Er war der Stallmeister Heinrich des Dritten und des Vierten und des Dauphin, der später, als Ludwig der Dreizehnte, auf den Thron kam. Er hieß Antoine de la Beaume-Pluvinel. Hier sein kluges Wort über die jungen Pferde und die Art ihrer Ausbildung. »Hüten wir uns«, so schrieb er. hüten wir uns, dass wir das junge Pferd nicht verdrießen und dass wir durch unsere Dressur seine Anmut nicht ersticken. Denn diese gleicht dem Blütenduft der Früchte, welcher niemals wiederkehrt, wenn er einmal verflogen ist. Ja, einen Mann des siebzehnten Jahrhunderts dann, haben wir schon erwähnt, William Cavendish. vertrieben aus England durch die Revolution der Puritaner unter Oliver Cromwell. Er baute eine Reitbahn in Antwerpen und schrieb ein Buch, eine Reitlehre mit einem französischen Titel, viel zu lang, um ihn hier zu nennen, ein hochmütiger Angeber, der an seinen Zeitgenossen nichts Gutes ließ, der alles mit den Pferden besser und vor allem schneller konnte. Ausbildung und Dressur. Nur reiten konnte er langsamer als irgendjemand sonst. Darin übertraf er sogar den französischen Stallmeister, der im Schlosshof von Versailles von der Reitbahn bis zum Marmorhof eine Strecke von 150 Metern im Schulgalopp zurücklegte und dafür eine Dreiviertelstunde brauchte. Dieser Herzog von Newcastle, so sagt man ja, sei der Erfinder des Schlaufzügels, der noch so viel später so viel Anklang fand und immer neue Benutzer und immer neue und immer neue bis heute. Ich werde mich jetzt nicht auf eine Schlaufzügel-Debatte einlassen, wo wir ohnehin alle wissen, was wir davon zu halten haben. Es gab noch so manchen Irrweg in der weiteren Entwicklung der Reiterei, Im Zeitalter des Barock wurde die Freiheit der Reitkunst wieder geschaffen, so wie wir sie aus der Antike kennen. Der Schlüsselname dafür ist François Robichon de la Guérinière, 1688 bis 1751. Seine Lehren bilden noch heute die Grundlage für die Arbeit, zum Beispiel an der Spanischen Hofreitschule in Wien, jener Institutionen, der man sich für das Heranreifen eines Schulpferdes genügend Zeit nehmen kann. Von De la Guérinière stammt die Lektion Schulter herein. Sein Buch »Ecole de Cavallerie« verwirft Kapzornhilfszügel und scharfe Gebisse. Vier Jahre bevor er starb, wurde eine deutsche Geistesgröße geboren, die wir normalerweise nicht immer im Zusammenhang mit der Reitkunst erwähnen. Aber er sagte Kluges und Wichtiges dazu. Er sagte, dem edlen Pferde, das du reiten willst, musst du seine Gedanken ablauschen, ablernen. Du darfst nichts Unkluges, nichts Unklug von ihm verlangen.“

[SPEAKER 2]Und er sagte,

[SPEAKER 1]Warum denn auch eine Reitbahn so wohltätig auf den Verständigen wirkt, ist, dass man hier vielleicht einzig in der Welt die zweckmäßige Beschränkung der Tat, Verbannung aller Willkür, ja des Zufalls, mit dem Augen schaut und mit dem Geiste begreift. Mensch und Tier verschmelzen hier der Gestalt in eins, dass man nicht zu sagen wüsste, wer denn eigentlich den anderen erzieht. Der deutsche Dichter, der zu allem etwas zu sagen wusste, muss ein Reiter gewesen sein. Johann Wolfgang von Goethe. Aber es gab doch noch so manchen Irrweg auf dem weiteren Wege der Reitkunst. Immer wieder wird am Vorwärts gebastelt, wird gekniebelt, mit den Händen geritten, den armen Pferden im Stehen die Hälse verbogen, Da gab es diesen berühmten Herrn François Boucher, 1796 bis 1873, einen Reitmeister, zweifellos von hohen Gaben, dem man in Preußen sogar ein Regiment zur Ausbildung anvertraute. Mit dem Erfolg allerdings, dass das ganze Regiment bei einer Parade vor dem alten Feldmarschall Ernst, Graf von Wrangel, beim Parademarsch im Galopp statt im Exerziergalopp in vollem Attackentempo durchging und in einer Staubwolke am Horizont verschwand. Da gab es den preußischen Stallmeister Seidler, einen Knebler übelster Sorte, der verkündete, was wir in der Bewegung erlangt haben, das Verfolgkommenden wir im Stillstehen. Ein Stehreiter also. Da gab es den berühmten Zirkusreiter James Phyllis, sicher einen hochbegabten Reitmeister mit feiner Hand. Er führte eine Kandaren-Zügelführung ein, mit der eine russische Dressurmannschaft Olympiagold gewann, 1972 in München. Phyllis‘ Zügelführung? Trense oben, Kandare unten, die Zügel gegenläufig durch die Hand geführt. Aber Phyllis ritt und lehrte auch den Galopp auf drei Beinen, also ein verwundetes Pferd und den Galopp rückwärts. Und das ist doch ein bisschen viel für die hohe Schule der Reitkunst. Der Berliner Stallmeister Seeger attackierte den Franzosen Boucher in seinem Buch Herr Boucher und seine Künste, ein ernstes Wort an Deutschlands Reiter. Und Seeger wies nach, dass Schul- und Bahnreiterei im Grunde doch nur Mittel zum Zweck sein, und dass es keine hohe Schule als Selbstzweck geben dürfe, und dass die Synthese zwischen deutscher Bahn- und Dressurreiterei und englischer Gelände- und Rennreiterei das anzustrebende Ziel aller Reitkunst bliebe. Damit aber war man nun in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder bei Xenophons Grundsätzen angekommen. Segers Schüler und Nachfolger Gustav Steinbrecht und sein Buch »Das Gymnasium des Pferdes«, herausgegeben von Paul Plintzner, führt aus allen Irrwegen heraus mit dem Grundsatz, Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade. Und Zeit haben war Steinbrechts Devise bei der Ausbildung und beim Unterricht. Ruhe und Entwicklung war seine Methode. Er warnte vor dem Nicht-Warten-Können der Dressurbeflissenen mit dem Wort. Allzu viele junge Pferde werden durch zu frühes Reiten von Seitengängen verdorben. Und in Kurt Albrechts Dogmen der Reitkunst steht geschrieben, auch das drei- und vierjährige Pferd kann nicht als erwachsen angesehen werden und muss wie ein Kind behandelt werden. Bei Überbeanspruchung legt man die Wurzel für Krankheiten, deren Auswirkungen man um vieles später überraschend präsentiert bekommt. Sollte doch Herr Steinbrecht heute mal sehen, was für prächtige Seitengänge bei uns die Vierjährigen gehen. Und was für schon angedeutete Passagen und Biaffen. Das bringen schon alle Youngsters zustande, bis sie dann schon bald platt sind, wie wir sagen.

[SPEAKER 2]Platt.

[SPEAKER 1]Die Versicherung in Deutschland rechnet mit sieben bis acht Jahren.

[SPEAKER 2]Gegenbeispiel? Zum Beispiel Kilbury. Francis William Weldon. 1956

[SPEAKER 1]Stockholm. Gold im Team, in der Militare, Bronze in der Einzelwertung. August Lütke Westhus gewann Silber. Zwölf Jahre später sah ich dieses Pferd frisch, gesund und vergnügt auf der Jagd in England galoppieren. Und ich frage mich, warum dürfen so viele Grand Prix Pferde, wenn sie einmal spezialisiert sind, bis zum letzten, warum dürfen die nun gar nichts anderes mehr machen als Pi und Pa?

[SPEAKER 2]Piaffe und Passage.

[SPEAKER 1]Und warum dürfen sie nicht wenigstens zweimal in der Woche im Gelände spazieren gehen, im Wald um die Bäume, in der Wiese und Hangauf, Hangab, damit sie mal was anderes sehen als die Bahnwände und die Spiegel an der Wand? Und warum müssen Grand-Prix-Pferde nicht nach der Prüfung wieder, so wie früher, den kleinen Hüpfer über eine Stange machen, wo man sehen konnte, dass es manchem einen Heidenspaß machte, einen kleinen Sprung zu tun. Sitzen Dressurreiter so lose? Ja, warum nicht? Ich kann’s mir nicht erklären. Nicht mit einem vernünftigen Grund.

[SPEAKER 2]Ha!

[SPEAKER 1]Wenn’s nach mir ginge, dann müsste der Gehorsam-Sprung nach der Dressurprüfung ein Wassergraben sein.

[SPEAKER 2]Warum das denn?

[SPEAKER 1]Ja, der müsste zu Hause intensiv geübt werden. Und da kämen dann doch die Pferde mal runter vom Dressurviereck. Ich habe auch mal Lippizaner Schulpferde geritten.

[SPEAKER 2]In Wien.

[SPEAKER 1]Die großen Dressurkünstler in der Bahn in der Piaf von Passase. Und ich habe unendliches darauf gelernt. Aber ich habe sie auch geritten im Galopp, draußen über Reitwege im Leinzer Tierpark, und ich habe wohl gemerkt, wie froh sie waren, aus der Dressurbahn heraus zu sein, und man musste sie auch schon aussitzen können. wo Piaffe und Passage, wo Pi und Pa, so ist das Schlagwort der Dressurkünstler, zum Selbstzweck wird und nicht, wie es geschrieben steht, zum Prüfstein für die Ausbildung.

[SPEAKER 2]Da verliert die Dressur ihren Sinn.

[SPEAKER 1]Da geht es nur noch um Lektionen, nochmal und nochmal. Lektionenreiterei ist kein Glück im Sattel. Und das alles geht zu früh, zu schnell, zu rücksichtslos und zu ungeduldig. So sind die jungen Leute heute, vielfach sind sie so. Und kaum sind die jungen Pferde bereit, ein bisschen zu piaffieren oder zeigen Ansätze zu einer Pirouette, was für eine auch immer. Dann dürfen sie nichts anderes mehr machen als nur noch das. Und ja, nichts anderes. Spezialisierung ist das, was den Erfolg bringt im Turniersport. Das fängt früh an.

[SPEAKER 2]Schon bei den Ponys.

[SPEAKER 1]Tochter Dressurpony, Sohn Springpony. Beide von höchster Qualität und sehr teuer. Und reiten müssen sie dann nicht mehr lernen. Und es steht doch geschrieben, das vollkommen und methodisch ausgebildete Schulpferd soll in dem Grade, als es sich durch Gewandtheit und Ausdauer in verkürzten und erhabenen Schulbewegungen auszeichnet, auch in schnellen Gangarten zu benutzen und jederzeit ein nützliches Gebrauchspferd sein. So steht’s geschrieben. sind wir heute wieder mal auf einem Irrweg der Reitkunst. Die Qualität unserer Pferde ist heute so viel besser geworden. Die Reiterei hat nicht überall Schritt gehalten. Die Spitze ist da natürlich ausgenommen, aber, obwohl, aber, naja, aber die Reiterei ist der Qualität der Pferde nicht immer ebenbürtig. Medizinische Manipulation und frühzeitiger Verschleiß, Verbrauch von Pferden steht diesem Sport nicht an. Unter der letzten, der schönsten Aufgabe der Pferde wohl in ihrer Geschichte unter den Menschen, sollten die Pferde nicht so zu leiden haben. Dieser Sport müsste sportlicher sein als alle anderen Sportarten, denn in keinem anderen Sport ist der Sieg weniger wichtig im Wettbewerb, wenn es um die Wohlfahrt des Partners unter dem Sattel geht. Hier kann der Reitsport Vorbild sein, könnte es sein, wenn alle Reiter und Reiterinnen so wären, wie die Humanität es verlangt. Das aber müssen Kinder schon lernen. Und natürlich auch ihre Eltern. Wirklich lernen. Mit Schweiß und mit Schmerzen. Und eine der wichtigsten Erfahrungen machen. Gutes Reiten und die richtige Einstellung zum Pferd kann man nicht kaufen. Nicht mit allem Geld der Welt. Und auch Eltern können das ihren Kindern nicht kaufen. Es muss erlernt, erarbeitet, erlitten werden. Es ist noch nicht so lange her, da konnten die Menschen ohne Pferde nicht leben. Da kannten die Menschen die Pferde noch, mit diesem Wissen wuchsen sie auf. Und da, wo Pferde für die Menschen arbeiteten, dieses Wissen ist vergangen. Heute können die Menschen ohne Pferde leben, aber Wenn sie es nicht wollen, wenn sie die Kulturerfahrung des Umgangs mit Pferden nicht entbehren wollen, dann müssen sie das alte Wissen wieder erlernen. Wenn wir fast zweieinhalbtausend Jahre zurückgehen, finden wir gute Regeln und Ratschläge dafür. Nie sich einem Pferd im Zorn nähern. Herr seiner selbst bleiben. Immer tolerant sein, immer gerecht und geduldig und für das Pferd immer berechenbar. Sich Zeit nehmen und das Pferd heranreifen lassen. Vielleicht hätte ja sogar der eine oder andere der alten Meister an den Bildern des heutigen Sports seine Freude, Aber sie wussten es alle. Das Glück im Sattel liegt im Erfolg ebenso wie auf dem Weg dahin. Denn an diesem Wege liegen so viele spürbare Kostbarkeiten in jenen Glücksaugenblicken der Gemeinsamkeit von Mensch und Pferd. So bleibt dies ein Sport, der schon fast zu einer Weltanschauung werden kann, eine Grundeinstellung, die bewahren kann, was seinerzeit Willi Daume als so wichtig bezeichnete, und der vermeiden kann, wovor Daume gewarnt hat, vor der Inhumanität des schnellen Leistungsrekords. So bestehen die Dogmen der Reitkunst fort. Unveränderbar, denn auch das Recht der Jugend auf neue Wege kann sie nicht verändern. Und es bleibt noch eines. Reiten lernt man nicht nur mit dem entsprechenden Körperteil im Sattel, sondern auch mit dem weiter oben, mit dem Kopf und nicht zuletzt auch mit dem pochenden Herzen. Wer gelernt hat, mit dem Pferd umzugehen, hat ein gutes Stück Erziehung an sich selbst vollbracht. Und vielleicht wird er es auch leichter haben, mit Menschen umzugehen. Die dafür nötigen Eigenschaften sind jedenfalls in beiden Fällen die gleichen. Darum kann Reiten auch eine Schule der Menschlichkeit sein. Denn Reiten ist nicht nur eine körperliche Fähigkeit, sondern auch eine geistige Auseinandersetzung mit Pferden, mit Menschen, mit sich selbst. Die Formel dafür ist einfach und klar und schon immer über den Lauf der zweitausendjährigen Geschichte. Wir nennen das heute Horsemanship, so sagen wir mit einer modernen Vokabel. Horsemanship, das ist ein Stück Humanität, zu Deutsch Menschlichkeit.

[SPEAKER 2]Als ich gebeten wurde, Ihnen heute etwas zu erzählen, da kam ich so richtig ins Grübeln. Da überfielen mich meine Gedanken. Was sollte ich Ihnen denn erzählen? Es gibt ja nicht allzu viele erzählende Pferdemenschen. Und es gibt auch nicht allzu viele zuhörende Pferdemenschen. Wer zu Pferde ist, der will im Sattel sitzen. Aber ab und zu möchte man vielleicht doch ein wenig hören, sollte ich es wagen, Ihnen, gerade Ihnen, etwas zu erzählen über Pferde, über Geschichte. Geschichte, mein Griechisch ist schon ziemlich lange her. Ich war im Zweifel. Aber dann fiel mir Sir Ernest Starling ein, ein Arzt, ein großer Wissenschaftler in London. Und natürlich, natürlich kennen sie ihn und wissen wie er aus dem griechischen Verbum Hormao, ich treibe an, eine Bezeichnung entwickelte, die heute jedermann geläufig ist, die Bezeichnung für jene Wirkstoffe, die biochemische und physiologische Abläufe steuern und die je nach ihren Stoffklassen Steroide, Aminosäuren oder Peptide sind, und für die eben jener Sir Ernest Starling 1905 zusammen mit Bayliss die Bezeichnung Hormone abgeleitet hatte. abgeleitet von Hormao. Ich treibe an. Wie komme ich jetzt auf Sir Ernest Starling? Ach so, ja, als eben dieser Arzt gebeten wurde, in einer der ersten Ausgaben eines Handbuches der Physiologie das Kapitel über Hormone zu schreiben, grübelte er, genauso wie ich jetzt, rübelte und antwortete dann, The task you like me to carry out is so difficult that I do not dare to refuse. Die Aufgabe, die mir gestellt ist, ist so schwierig, dass ich nicht wage, sie abzulehnen. Ich bemerke hier, dass bis jetzt in meinem Vortrag noch kein Pferd vorgekommen ist. Aber als ich so zauderte und mich wand und nicht wusste, wie ich es denn nun machen sollte, da meinte mein Freund Uli Kasselmann, ich könnte doch einfach ein wenig von meinen Erlebnissen berichten. Und auch ein Kongress oder ein Haufen gebildete Leute, Oder sie zum Beispiel könnten mal etwas anderes zu hören bekommen, als immer nur Pferde oder medizinisches oder historisches oder griechisches. Na gut, da dachte ich, man kann das Thema ja auch Begegnungen nennen. Darunter kann man alles zusammenfassen, auch wenn ich dann Menschen oder Pferden begegnete, die ich niemals gesehen hätte. Begegnungen mit der Vergangenheit sind, so weiß man ja, besonders wertvoll für die Zukunft, oder, wie Humboldt einst einem seiner Werke voransetzte, wer keine Vergangenheit haben will, der wird keine Zukunft haben. Ich muss jetzt vorausschicken, dass ich ein für seine humanistische Vortrefflichkeit bekanntes Gymnasium besucht habe, das Wilhelm-Gymnasium in Hamburg, wo ich fern von meiner Geburtsstadt Wien aufgewachsen bin, in Hamburg nämlich, und noch heute, wo ich als bekennender Niedersachse ganz in der Nähe des Zentrums der hannoverschen Pferdezucht Pferden an der Aller wohne, Also im Hochzuchtgebiet bezeichne ich mich immer wieder einmal als Buten-Hamburger. Das Wilhelm-Gymnasium und seine Lehrerfolge kamen mir ganz besonders zustatten, als ich meinem ersten, sagen wir mal, Journalistentrainer und Lehrer im Schreiben begegnete. Eine der entscheidenden Begegnungen in meinem Leben. Das war nach dem Krieg, nach meinem Studium in Hamburg beim Rundfunk. Und es war Redakteur im Echo der Zeit im British Forces Network, aus dem später der Nordwestdeutsche Rundfunk entstand. Und dorthin war ich nach meinem Studium in Wien. zurückgekehrt und wurde freier Mitarbeiter bei Dr. Kurt Emrich. Er war damals schon ein erfolgreicher Schriftsteller und wir jungen Leute, die er trainierte und die er, wie er es nannte, durch den Fleischwolf drehte, bewunderten ihn heiß. Ich war in diesen meinen jungen Jahren ihm sozusagen völlig anheimgegeben. Dr. Emrich war Arzt und einer der gebildetsten Menschen, denen ich begegnet bin. Er konnte sich mit einem ebenbürtigen Gesprächspartner fließend auf Latein unterhalten und war nicht nur Mediziner, sondern auch auf allen Gebieten der Kulturgeschichte und Philosophie zu Hause. war ihm so besonders zugetan, weil er 8000 Kilometer auf dem Pferderücken zurückgelegt und mit Pferden gelebt hatte. Ein Pferdemann durch und durch. Er wusste von dem völligen Aufeinanderangewiesensein zwischen Mensch und Pferd. Er als Chirurg in einer Pferdebespannten Sanitätskompanie im Zweiten Weltkrieg in Russland. Wir alle, die wir für den Rundfunk schrieben, kannten ihn nur unter seinem Literatennamen, Peter Bam. Und er redigierte unsere Beiträge, kritisierte sie und ließ uns wieder und wieder neu schreiben, bis er das Manuskript zur Sendung freigab.

[SPEAKER 1]Das nannten wir P.

[SPEAKER 2]B.‘

[SPEAKER 1]’s Fleischwolf.

[SPEAKER 2]Aber zunächst prüfte dieser Mann der Medizin und der Bildung seine jungen Kandidaten auf ihre Bildung. Also sprach er sie an. »Angelein, lakedai moniois hotitede, kaimeta tois kainon, remasi peitome noi.« So griechisch. Und wer klug war, antwortete, Tic hospes partae, nostae hic vidiciacentes, dum santis patriae legibus ob sequimur. Lateinisch. Oder gleich in Deutsch. Wanderer, kommst du nach Sparta? Verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetzesbefall. Tja, und dann fragte Peter Bam, wann? Und man hatte zu wissen, dass im Jahr 480 v. Chr. der König Leonidas mit seinen Griechen am Tor der warmen Quellen an dem wichtigen Zugang vom nördlichen Thessalien zum südlichen Hellas in Mittelgriechenland zwischen den malischen Golf- und dem Kalidromon-Gebirge an einer nur 40 Meter breiten Engstelle versucht hatte, den Vormarsch von Xerxes I. mit seinem Riesenheer aufzuhalten. 300 Spartiaten und 400 Thessalier hielten zwei Tage lang aus. Dann wurden sie von 20.000 Persern unter General Hydarnes umgangen und sind am dritten Tag alle gefallen. Das wollte Peter Bam hören. So war er, der Peter Bam, der Dr. Kurt Emrich aus Sachsen, der mit einer Arbeit über das Calcium und einige seiner Antagonisten im Lactazidogenstoffwechsel des Froschmuskelbreis promoviert hatte und der dann Chirurg geworden war, geschult bei Professor Katzenstein am Krankenhaus Friedrichshain im Berliner Norden. Er bekam die Assistentenstelle eines jungen Chirurgen, der seinen Beruf aufgab, weil er sich mit der Tochter des großen Verlegers Samuel Fischer verlobte. Und Schwiegervater verlangte, er solle später den Verlag übernehmen. Das war niemand anders als Gottfried Beermann Fischer, der als Verleger vielleicht größere Höhen erklomm, als er je als Chirurg hätte ersteigen können. 30 Jahre später gab er ein Buch von Peter Bam heraus, und 1952 saßen sie auf der Buchmesse zusammen, Verleger und Autor, in Frankfurt, und da saßen der einzige deutsche Literat und der einzige deutsche Verleger, die jemals einen Blinddarm operiert hatten. Ja, als Assistent bei Katzenstein arbeitete Dr. Emmerich über das Pepsin, über das damals noch wenig erschienen war. Menge und Wirkung mussten an der Trübung im Reagenzglas gemessen werden und dazu brauchte man ein Nephilometer. einen Trübungsmesser. Und dieses Gerät war für einen Assistenten zu teuer. Es wurde abgelehnt. Eines Tages aber war ein Freund von Katzenstein zu Besuch im Laboratorium. Dem schilderte man die schwierige Lage und ob man vielleicht ein Nephelometer genügender Genauigkeit behelfsmäßig konstruieren könne. Der Besucher verstand offenbar viel von Optik. Er nahm einen Bogen Papier und entwarf ad hoc eine Konstruktion. Danach konnte vielleicht der Institutsdiener einen solchen Apparat bauen. Der Dr. Emrich schaute noch genauer auf den fremden Gelehrten und dann schob er ihm das Papier mit der Zeichnung hin und bat ihn doch, das Blatt zu signieren. Der Freund Professor Katzensteins lächelte liebenswürdig, ergriff den Bleistift und schrieb, Albert Einstein. Begegnung, habe ich gesagt. Und dies ist, was man bisher nicht bemerkt hat, eine Begegnung mit einem Pferdemann. Also soll er nun selbst zu Wort kommen. Peter Bam. Niemand hat bemerkt, dass in unserem Säkulum die jahrtausendealte Epoche, in der jeder freie Mann ein Reiter war, zu Ende gegangen ist. Sonderbarerweise ist, was mit dem Pferd verloren ging, ein Stück Humanität. Wer gelernt hat, mit einem Pferd umzugehen, hat ein Stück Erziehung an sich selbst vollbracht. Er wird es immer leichter haben, mit Menschen richtig umzugehen. Der Reiter, Peter Bam in seiner Autobiografie, und er berichtet auch von historischen Pferden. Von der Frauengesichtigen Stute Borack, dem Pferd des Propheten Mohammed, das ihn zum Himmel trug, wo ihm die Engel den Koran diktierten, und von ihrem Huf abdruck im Felsendom in Jerusalem, der dort noch heute zu sehen ist. Und von Bucephalos, Alexanders des Großen, und der Stadt in Indien, die nach diesem Pferd benannt wurde, Bucephala. Und Condé, Friedrich des Großen, und von Kopenhagen, des Sir Arthur Wellesley, der braunen Stute, die in der Schlacht von Waterloo im Kugelhagel unbeweglich stand, unter dem Herzog von Wellington. Und als Dr. Emrich in jungen Jahren eine Zeit lang als Hauslehrer bei wohlhabenden Leuten arbeitete, lehrte er seine beiden Schüler, die Söhne des Hauses, von denen der Ältere dann die Aufnahme ins Gymnasium mit einer Eins in Griechisch bestand, unter anderem das am Hof des Perser Königs Darius des Großen, die Söhne des Adels drei Dinge gelehrt wurden. Reiten, Bogenschießen und die Wahrheit sagen. Und so sehen wir hier einen Mann, von dem man weit über seine hypologischen Weisheiten hinaus nun noch viel mehr und anderes kennenlernen und wissen muss. Wir werden dann später noch einen großen Reitmeister begegnen, von dem wir ebenso anderes kennen müssen als nur seine Reitlehre. Darum sollte man von Peter Bam auch heute noch oder heute gerade wieder gelesen haben, die unsichtbare Flagge. die Geschichte eines Arztes im Krieg und am Rande der Schöpfung und frühe Stätten der Christenheit und Alexander oder die Verwandlung der Welt. In all diesen Werken klingt etwas mit von alter Kultur, zu der auch der Umgang mit Pferden gehört. Das kann man beweisen. Denn wahr ist, dass das Kulturgut Pferd mit Kunst und Literatur und mit der Geschichte der Menschheit viel zu tun hat. Ein nicht geringer Teil dieser Geschichte hat ja auf dem Rücken der Pferde gelegen. Vieles in der Menschheit-Geschichte hätte ohne Pferde ganz anders ausgesehen. Wahr ist aber auch, dass man den Kulturstand eines Volkes wohl danach beurteilen konnte, wie es mit seinen Pferden umging. Und das ist wohl eine Erkenntnis, auf die ich später noch einen längeren Blick werfen möchte. Denn hier ist der Blick in die weite Vergangenheit zu richten, auf der Suche nach dem Grund der Faszination für die Überlieferungen der Götterrosse und Fabelpferde, in denen die Menschen jene Eigenschaften erkannten wie göttliche Erleuchtung, wie dämonische Urangst, übermenschliche Kraft und Schnelligkeit. und die Unwandelbarkeit des Charakters, in dem Pferde sich immer treu geblieben sind, in ihrem instinktgebundenen Wesen bis auf den heutigen Tag. Von allen Haustieren, mit denen der Mensch sich umgeben hat, kamen ihm Hund, Katze und Pferd am nächsten. Doch wenn er zu Hund und Katze hinabsehen konnte, so musste er aufsehen zum Pferd, und das allein schon bestimmt von vornherein das Verhalten. Das Pferd schmeichelte seinem Herr nicht, so wie der Hund. Das tut es auch nicht unter seinesgleichen, wo es eine Rangordnung anerkennen muss. Aber es bleibt eine Persönlichkeit, die der Mensch, so viel schwächer als das Tier, achten muss. Der Mensch, der das Pferd zähmen konnte, sodass es seinem Willen folgte, wurde von ihm erzogen und musste Eigenschaften erlernen, ohne die eine Zähmung des Weidetieres Pferd nie gelungen wäre. Was schrieb der Reitersmann Peter Bam? Wer gelernt hat, mit einem Pferd umzugehen, hat ein Stück Erziehung an sich selbst vollbracht. Das Pferd, überall, ist es in der Fantasie des Menschen, im Reich seiner Götter und Dämonen. Zentauren, jene Pferde-Mensch-Gestalten, begegnen uns in den Iskander-Sagen des Orients, ebenso wie in der jahrtausendealten chinesischen Mythologie. Dort tragen diese Fabelwesen einen Namen, der zugleich höchste Weisheit bedeutet. Und weise Lehrer waren sie auch, die Zentauren, in Griechenland. Der Zentaur Chiron. war der Lehrer des jungen Achilleus. Flügel trug das Ross, das dem Hopp der Medusa entsprang, Pegasus, der mit einem Hufschlag die Quelle der Musen auf dem Helikon sprudeln ließ, Hippokrene, Pegasus, Symbol der Dichter, Reittier des Bellerophon, des Sohnes von Poseidon, des Meergottes, der mit dem Schlage seines Dreizacks das Pferd geschaffen haben soll, oder aber, der das Pferd selbst gewesen ist. Die Geißeln des Mittelalters. Pest, Krieg, Hunger und Tod. Sie kommen zu Pferde. Albrecht Dürers apokalyptische Reiter. Und schließlich auch die Väter der wissenschaftlichen Medizin. Geboren auf Kos im Jahr 460 v. Chr., der griechische Arzt, dem zeitlos gültige Aussagen über das ethische Fundament des ärztlichen Berufs zugeschrieben werden, trägt einen Pferdenamen, Hippokrates, und das Genfer Ärztegelöbnis. 1948 angenommen, heißt im Sprachgebrauch heute immer noch der Hippokratische Eid. Ein Zeitgenosse des Hippokrates, wenn auch ziemlich genau 30 Jahre jünger, war der Mann, der zum ersten Mal aufgeschrieben hat, wie man mit einem Pferd umgehen soll. wie es geritten werden muss, eine richtige Reitlehre und ein Kompendium für Haltung und Pflege. Und zeitlos gültig kann man auch seine Lehren der Reiterei und der Pferdeausbildung nennen, denn vieles, sogar das meiste, jedenfalls aber das Grundlegende, hat Gültigkeit bis auf den heutigen Tag. Um 430 wurde der griechische Schriftsteller, der Geschichtsschreiber, der Feldherr, der Philosoph, der Schüler des Sokrates in Athen geboren. Er stammte wohl aus dem Ritterstand und machte eine Reihe von Feldzügen mit. Er war überdies ein Mann, der uns humanistischen Lümmeln am Wilhelm-Gymnasium in Hamburg schweres Kopfzerbrechen bereitete. Na, mir jedenfalls. Denn wir mussten eine seiner Schriften in möglichst gutes Deutsch übersetzen. Weil er sehr klar dachte und formulierte, und weil er sich in klassischem Attischen Griechisch ausdrückte, war er damals und ist bis heute einer der wichtigsten Schulschriftsteller geblieben. Die Annabasis war das Werk, das wir übersetzten. Der Zug der Zehntausend. Der Rückzug von 10.000 griechischen Söldnern, die im Dienste Kyros des Jüngeren am Feldzug gegen seinen Bruder Ataxerxes II. teilgenommen hatten, nach der Schlacht bei Kunaxa 401 v. Chr., vom Tigris in Mesopotamien, heute Irak, bis nach Trapezunt, am ostwärtigen Gestade des Pontus Euxinus, der Schwarzmeerküste. Ein Riesenmarsch von fünfeinhalbtausend Kilometern und eine Meisterleistung des Kommandeurs Xenophon und seines, nun sagen wir, Stabschefs Chairisophos. Wenn auch die Mehrzahl der Truppe aus den Hopliten, den schwer bewaffneten Infanteristen, bestand, führte er daneben auch eine kleinere Reitertruppe und war selbst auf dem ganzen Marsch sicher gut beritten. Das, was wir von diesem Mann als die Anfänge der hippologischen Literatur erhalten haben, war nur ein sehr kleiner Teil seiner Werke. In Perihippikäs lehrt er die Reiterei. In Hipparchikos beschreibt er den idealen Reiterführer. Man sollte aber noch viel mehr wissen von diesem vielseitigen Universalgenie. Als Philosoph ist Xenophon vor allem mit seinen Schriften über Sokrates hervorgetreten, der sich ja selbst niemals schriftlich geäußert hat, sondern nur über die Schriften seiner Jünger. Im Zeitalter des Staatsmannes Pericles und des Peloponesischen Krieges wird Athen das Zentrum der Philosophie. Durch Sokrates, Platon und Aristoteles gelangt das philosophische Denken in Griechenland im 5. und 4. Jahrhundert zu höchster Blüte. Sokrates verwickelt seine Mitbürger in bohrende Gespräche, setzt ihnen mit hartnäckigen Fragen immer weiter zu und hofft, der Einzelne werde durch Weiterdenken in sich das Gute in seiner Allgemeinheit erkennen und zur Richtschnur seines Handelns machen. Das weist fast schon eine Verwandtschaft mit dem kantischen kategorischen Imperativ auf. Mit den Lehren seines Meisters setzt sich Xenophon auseinander in den Apomnemon Neumata Socrates, den Erinnerungen an Sokrates. Das sind seine Gespräche in vier Wänden. In der Apologia führt Xenophon die Verteidigung seines Meisters, als dieser 399 v. Chr. wegen Einführung von neuen Göttern und Verführung der Jugend zum Tode durch den Schierlingsbecher verurteilt wird. Als Historiker glänzt Xenophon in der Hellenica, der hellenischen Geschichtsschreibung, der Fortsetzung der Geschichtsschreibung des Thucydides, der ersten auf sachlichen Fakten beruhenden Geschichtsschreibung der Welt für einen Zeitraum von 411 bis zur Schlacht von Mantinea 362, die ein relativ klares Bild der griechischen Verhältnisse geliefert hat. Als Politiker macht Xenophon sich Gedanken über das Ideal eines Herrschers, im Hieronnen. schreibt er eine Lobrede auf seinen Gönner, den 361 verstorbenen Spartanerkönig Agesilaus. Und er äußert sich auch über den Staat der Spartaner in seiner Kyrupeidaia, zu Deutsch der Kyropädie, und das ist wirklich ein erstaunliches Stück Literatur. Denn es ist der erste Roman der Weltgeschichte, der die Jugend und das Heranwachsen Kyros des Älteren behandelt. Damit ist es also ein antiker Vorläufer von Rousseau’s Émile ou de l’Éducation. Aber natürlich flossen auch in seine Reitlehre Grundsätze der sokratischen Philosophie ein. Selbsterkenntnis im Kontakt mit anderen Lebewesen, Selbstkritik im Gespräch und durch ethische Intuition. Zum ersten Mal begegnen wir hier dem Bemühen, in die Psyche eines Tieres einzudringen und es gemäß seiner psychischen Verfassung zu behandeln. Das ist neu für das Zeitalter Xenophons und aktuell für uns Heutige. In der Ausbildung ist eine wichtige psychologische Hilfe im weiteren Sinne die Rücksichtnahme auf die psychische oder physische Disponiertheit des Pferdes, vor allem auf seine Indisposition. Man mag versucht sein, eine solche Formulierung als sentimentale Anwandlung zu bezeichnen. Jedoch kann man nicht bestreiten, dass es in jedem höheren Wesen Momente unterschiedlicher Disponiertheit gibt. Am ausgeprägtesten sind die Faktoren wohl beim Menschen, der sich ohne weiteres das Recht zubilligt, seine Verfassung für seine unterschiedlichen Leistungen verantwortlich zu machen. Wie selten ist der Mensch dagegen geneigt, dieses Recht auch einem Tier zuzugestehen. So ähnlich klingt es bei Xenophon an. Und es könnte genauso wörtlich in seiner Reitlehre stehen. Es ist allerdings ein Zitat von Kurt Albrecht, dem kürzlich verstorbenen früheren Direktor der spanischen Hofreitschule Wien. Xenophon sprach sich stark und deutlich gegen den Zwang aus und sehr robust, wie in diesem Zitat. Ein menschlicher Tänzer, der mit Stachel und Peitsche zum Umherspringen gezwungen wird, ist auch nicht schöner anzusehen, als ein Pferd, das gleichermaßen behandelt wird. Der wichtigste Grundsatz aber in der Ausbildung, im Training und in der Gymnastizierung eines Pferdes gehört in das Stammbuch aller Reiter. Besonders aber der auch heute wieder verbreiteten Künstler, die versuchen, mit den verschiedensten Mitteln und Hilfszügen, Konstruktionen ihr Pferd in eine Form zu zwingen, die sie als schön empfinden, ganz gleich, ob das unter Krampf und Spannung geschieht. Und hier ist das Zitat. Wenn man bestrebt ist, sein Pferd so vorzustellen, dass es unter dem Reiter durch prachtvolle Erscheinung auffällt, dann muss man sich gänzlich davon freimachen, mit den Zügeln an seinem Maul herumzuzerren. Wenn sich das Pferd vom Gebiss belästigt fühlt, bekommt es gespannte Tritte. Gibst du aber nach, wird es sich in stolzer Haltung tragen. Und lehrt man das Pferd, bei leichter Zügelanlehnung vorwärts zu gehen und den Hals vom Genick anzuwölben, wird man bewirken, dass das Pferd etwas tut, woran es selbst Freude hat. In einer Zeit, in der die Beizäumung, die Beugung des Pferdehauptes bis zur sogenannten Hyperflexion des Halses den Vorrang hat vor dem losgelassenen Schwung nach vorwärts, kann nun Moderneres wirklich nicht mehr gesagt werden. Ohne nun gleich als Reiter vor Herrn Xenophon in atemlose Verehrung zu versinken, muss man doch feststellen, dass das klassische Altertum nicht nur in der Philosophie, in der Baukunst, in der Theaterkunst und neben vielem anderen eben auch in der Reitkunst einen Höchststand erreicht hatte, von dem man heute zuweilen eigentlich nur noch träumen kann. Wenn ich nun aus dem klassischen Altertum einen Sprung in die Gegenwart tue, dann bedeutet das nicht, dass man alles, was sich in zwei Jahrtausenden ereignet und entwickelt hat, vergessen kann. Ich hätte Ihnen gern noch einige interessante Begegnungen vermittelt. Aber dazu ist die Zeit ein wenig zu knapp. Nur so viel sei gesagt, es hat immer wieder Epochen gegeben, in denen die Reiterei für die Zwecke der Zeit unterschiedlichste Ausbildungs- und Dressurmethoden entwickelt hat. Das ging nicht immer ohne Grausamkeiten ab. muss es doch schlimm für ein temperamentvolles Pferd gewesen sein, sich zu einem Zelter im Passgang dressieren zu lassen, die gleichseitigen Beine mit Stangen miteinander verbunden, damit die Dame im Sattel dann bequemer sitzen konnte. Es hat auch immer wieder große Reiterpersönlichkeiten gegeben, die zu Pferde Sachen zu Wege brachten, die andere niemals erreichen konnten, deren Lehren also auch nicht für die Allgemeinheit taugten. Es hat alte Wege, neue Wege, und es hat Irrwege gegeben. Und es wird sie wohl immer wieder einmal geben. Aber es gilt, für heute wie für damals, immer dann, wenn die Menschen es nicht unter ihrer Würde fanden, sich intensiv mit der Natur des Pferdes und mit der Verständigung zwischen Mensch und Tier zu beschäftigen, und immer, wenn sie dafür ihre ganze Geisteskapazität heranzogen, immer dann gab es Blütezeiten der Reitkunst. Das ist ein Zitat aus dem Werk von Kurt Albrecht, dem einstigen Lehrer und Leiter der Spanischen Hofreitschule. Dogmen der Reitkunst Und die wesentliche Voraussetzung der Ausbildung eines Pferdes ist der psychische Kontakt zwischen Mensch und Tier. Mangelt es daran, kann der Mensch sein Pferd nicht erziehen, sondern nur unterwerfen. Das sagte der Reitmeister Egon von Neindorf. Und ich will nicht sagen, dass die Reiterei sich heute auf einem Irrweg befindet, wenngleich für die großen Prüfungen jedenfalls gelegentlich Pferde mehr abgerichtet als trainiert erscheinen und wenn die Trainingsmethoden angewendet werden, die dem Augenschein nach schiere Unterwerfungsmethoden sind. So hat sich kürzlich eine Gesellschaft für den Erhalt und die Förderung der klassischen Reitkultur zusammengefunden. Und bei der Gründung habe ich selbst, ich, Hans Heinrich Isenbarth, mitgeholfen. Sie heißt, wie könnte es anders sein, sie heißt Xenophon. Die Vorsitzende dieser Vereinigung ist ein Olympiasiegerin. Die Schweizerin Christine Stückelberger, fast zehn Jahre lang Beherrscherin der internationalen Dressurszene, seit 40 Jahren mit ihrem Lebensgefährten und Trainer Georg Wahl, einst Oberbereiter an der Spanischen Hofreitschule. Olympiasiegerin in Montreal 1976, Europameisterin 1975, 77, Weltmeisterin 78, Siegerin im Ersatz-Olympia, als Moskau boykottiert wurde, in Goodwood 1980, Olympia Bronze in Seoul 1988 und noch einmal Olympia 2000 in Sydney. Christine Stückelberger also, eine hilfreiche und kritische, immer meinungsstarke, furchtlose Begleiterin des Sports und immer eine Freundin der Pferde und ihrer Natur. Xenophon also, der heutige Xenophon, will sich gegen die eine oder andere Erscheinungsform des modernen Sports wenden. wohl vor allem gegen den Hochmut und gegen die Eile der Zeit. Das ist ja in unserer Zeit an allen Ecken und Enden zu beobachten. Wo Geld im Spiel ist, möchte man das Geld gern ganz schnell haben, so bald wie möglich. Und so hat nichts mehr Zeit. So wie die Menschen alle keine Zeit mehr zu haben scheinen, obwohl sie alle mehr Freizeit haben, so müssen Pferde zu jung zu viel tun, zu schwierige Übungen vollführen, noch besser, bevor sie körperlich ausgereift und in der Lage sind, so schwere Arbeit zu leisten. Junge Pferde müssen zu früh zu schön aussehen, ausgeformt und scheinbar bemuskelt wie fertige, erwachsene Pferde, damit sie als Jungpferde schon die höchsten Preise erzielen. So ist die Reiterei genauso wie das Leben schnelllebiger, brutaler geworden. Pferde unter Spannung statt unter souveräner Losgelassenheit in großen Prüfungen. So weit geht die Eile oder besser noch die Hast, die alles beherrscht, dass man schon vorgeschlagen hat, aus einer Kürprüfung die Gangart Schritt herauszunehmen, weil Pferde keinen Schritt mehr gehen können. Kein Schritt mehr. Denn bei der Schnellausbildung und der Hochspannung, unter der die Pferde gesetzt werden, leidet der Schritt zuallererst. Ein kluger, sehr gebildeter Mann sagte neulich, beim Betrachten einer Dressurprüfung, Wenn die Reiterei olympisch bleiben will, muss sie sich wieder auf ihre Wurzeln besinnen. Nichts kann die Grundlagen einer tausendjährigen Ausbildungsmethode ändern, die auf der Natur des Pferdes beruht. Und mit nichts kann man in der Ausbildung und im Training eines Pferdes, das eben körperlich und geistig gebildet werden soll, den Faktor Zeit ersetzen. Eile ohne Geduld. Ist das ein Zeichen unserer Zeit? Und merken wir eigentlich, mit welchem Tempo wir uns bewegen oder bewegt werden? Es kommt mir wie ein Symbol unserer Zeit vor, Ein wenig beachtetes Ereignis, eine physikalische Entdeckung. Das ist sie auch geblieben. Man nahm kaum Notiz davon, als das Neutrino experimentell entdeckt wurde. Die Existenz eines neu entdeckten Elementarteilchens. Dieses Teilchen hatte der englische Mathematikprofessor Paul Adrian Maurice Dirac seit langen Jahren aufgrund mathematischer Überlegungen vorausgesagt und er hatte Recht. Das Neutrino hat fantastische Eigenschaften. Es hat Lichtgeschwindigkeit und es hat die Masse Null. So ist vielleicht die Frage berechtigt, ob es dann eigentlich noch Materie sei. In jeder Sekunde wird jeder Quadratzentimeter unserer Erdoberfläche, wo er der Sonne zugekehrt ist, von 60 Milliarden Neutrinos getroffen. Und sie gehen durch den Erdball hindurch, als ob der gar nicht vorhanden wäre. Damit aber ist die Zukunft noch nicht aufgeklärt, ob sie das Neutrino für uns bereithält oder gar das Tachyon. das neueste Elementarteilchen, das nach dem griechischen »schnell«, »tachys«, »tachaiatachy«, benannt ist. Es ist noch nicht experimentell nachgewiesen. Es muss aber nach mathematischen Überlegungen als existierend angenommen werden.

[SPEAKER 1]Das »Tachion«,

[SPEAKER 2]Es hat eine höhere als Lichtgeschwindigkeit. Und was bedeutet das für die jetzt bestehende Relativitätstheorie? Jetzt weiß ich, dass ich die Zeit nicht haben werde, um das zu begreifen. Mit Xenophon will ich erst einmal etwas gegen die Hast unserer Zeit tun.

[SPEAKER 1]Ich will es wenigstens versuchen.

[SPEAKER 2]Wer gelernt hat, mit einem Pferd umzugehen, hat ein Stück Erziehung an sich selbst vollbracht, sagte Peter Bam. Und Pferde können Geduld lehren. Nichts braucht der Mensch, der Zeit braucht und sie einstweilen nicht hat, nichts braucht er dringender als Geduld. Die Zeit, die man aufwenden müsste, um ein gutes Pferd heranreifen zu lassen, und die Geduld, die das erfordert, finden sich nur in der Besinnung auf das, was sich seit Jahrtausenden bewährt hat und nicht veraltet ist, das nicht veralten kann. Geduld kann nicht aus der Mode kommen. Ihnen aber die Sie das gelesen haben, was ich Ihnen hier erzählt habe, die Sie das gelesen und gehört haben, kann ich nur ein aufrichtiges, großes Kompliment machen. Ein Kompliment für die Geduld, mit der Sie sich die Zeit genommen haben, mir bis hierher zuzuhören. Vielen Dank.

[SPEAKER 1]Das war er, der Podcast-Spezial. Die beiden Teile von was ich noch sagen wollte mit Hans-Heinrich Isenbart. Eine höchst interessante Geschichte. Schön, dass du zugehört hast. Ich hoffe, du hast das ein oder andere mitnehmen können. Und bis zum nächsten Mal beim wehorse-Podcast.

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