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#66 SPEZIAL: Hans-Heinrich Isenbart über Pferdeausbildung in Trakehnen Teil 2

Weiter geht es in diesem wehorse-Podcast SPEZIAL mit Hans-Heinrich Isenbart und seinen Erinnerungen an Trakehnen. Genieße noch einmal die unvergessene "Stimme der Pferde" und lasse deine Gedanken schweifen.

Im Jahr 2010 hat der Pferdemann seine Erinnerungen an Trakehnen aufgezeichnet. Wichtige Überlieferung von Züchtern, Landstallmeistern und anderen hippologischen Größen der damaligen Zeit ließ er dabei ebenso mit einfließen. Ein wahrer Erfahrungs- und Wissensschatz über Aufzucht und Pferdeausbildung, der an Aktualität nicht eingebüßt hat.

Hans-Heinrich Isenbart war ein gefragter Kommentator, Turniersprecher, Buchautor und Filmemacher rund um das Thema Pferd. Wie kein Zweiter verstand er sich darauf, den komplexen Pferdesport einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und zugleich faszinierend zu präsentieren. Am 25. Dezember 2011 verstarb Isenbart im Alter von 88 Jahren.

Podcast Transkript

Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.

[SPEAKER 2]Herzlich willkommen im wehorse Podcast. Mein Name ist Christian Kröber und heute der zweite Teil des absoluten Hörbuchklassikers aus unserer Schatzkammer namens Erinnerungen an Trakenen. Gelesen vom unvergessenen Kommentator und Journalisten Hans-Einrich Isenbarth nehmen wir dich jetzt mit in diesen zweiten Teil in die Heimat des Trakener Pferdes. Viel Spaß.

[SPEAKER 1]Aus dieser Zeit weiß Karl Kübert, der Sohn des damaligen Gestütsarchitekten, zu berichten.

[SPEAKER 2]Endlich!

[SPEAKER 1]Als mein Vater, gerade 23 Jahre alt, seinen Dienst als Gestütarchitekt im Jahr 1893 in Trakin begann, war es zunächst nicht leicht für ihn, sich dort durchzusetzen. da die wesentlich älteren Leiter der Landwirtschaft, des Sekretariats und der Kasse alle auch im Bauhof mitbestimmt haben und das auch weiter wollten. Der Weg zum Landsteilmeister sollte nur über diese Stellen gehen und zu dieser Zeit wurden größere Umbauten gerade im Schloss vorgenommen und weitere waren in Planung. So hatte der Baumeister bald täglich im Schloss Besprechungen direkt mit dem Landstahlmeister von Frankenberg oder Frau von Frankenberg und so blieb der persönliche Kontakt später auch weiter. Da allen Gestütbediensteten Viehhaltung und entsprechende Deputate bzw. Futterkäufe zustanden, mussten auch auf diesem Gebiet manche Privilegien erkämpft werden. Mein Vater nahm seine ältere Schwester als Wirtschafterin zu sich, und groß war seine Freude, als ihm sein erstes Reitpferd vom Landstammeister persönlich zugewiesen wurde. Vater bedauerte es sehr, dass Herr von Frankenberg schwer erkrankt, 1895 nach einer in Berlin missglückten Operation dort verstarb. Nun, 1895 übernahm Herr von Oettingen die Leitung des Gestüts. Wie Vater berichtete, änderte sich damit das ganze Leben dort. Besonders für ihn begannen die schönsten, wenn auch sehr arbeitsreiche Zeit. Besprechungen im Büro oder Gelände mit Kartenbrett und Skizzenblock ohne Rücksicht auf Zeit und Stunde wurden die Regel. Das Gesicht des Gestüts begann sich von Grund auf zu ändern. Da Herr von Oettingen über sehr gute Beziehungen zum Oberpräsidium in Königsberg und ebenso nach Berlin verfügte, waren die Instanzenwege sehr kurz. Was baulich nötig erschien, wurde begonnen und immer genehmigt. Die alten Arbeiter- und Gestütwerterhäuschen wurden durch neue größer und zahlreicher ersetzt. Eine neue große Schule mit zwei Lehrerwohnungen an der Straße nach Bajorgallen entstand im Neubau. Die alte zwischen Post und Hotel gelegene, nebst dem schönen großen Garten mit großem Stall und sonstigen Nebenräumen, erhielt mein Vater für sich als Wohnung, nachdem er endlich, wie sein Chef gesagt haben soll, sich 1898 verheiratete. Der Grund für dieses Endlich war folgender. 1896 verlobte er sich mit der 17-jährigen Tochter des Stallupöner Kaufmanns, Landwirts und Ziegelei-Besitzers, der die Heirat erst nach dem vollendeten 19. Lebensjahr seiner Tochter genehmigte. Zwei Jahre lang fuhr der Bräutigam nun möglichst fast jeden Sonntag nach dem elf Kilometer entfernten Stallupönen. Als Gefährt diente dazu dann ein Einspenner aus dem großen, neben dem Landstallmeisterhaus gelegenen Fahrstall. Montags hieß es dann immer bei Herrn von Oettingen Kühbart. Wann heiraten sie denn endlich? Das Pferd erschien mir wieder etwas warmgefahren. Über den Landstahlmeister von Oettingen schreibt in seinen hypologischen Erinnerungen Walter Stöckel. Vor allem Leistung. Höttingen hat in seiner Zeit zusammen mit meinem Vater zwei große Neuerungen durchdacht und durchgeführt, die großen Wert erlangt und behalten haben. Das systematische Training der Halbblutpferde inklusive der Halbbluthengste und das Ostpreußische Stutpferd. Öttingen richtete sich in Gut Wallen eine Trainierbahn ein und arbeitete die vierjährigen Hengste in ganz langsamer Steigerung der geforderten Leistung, bis sie am langen Zügel im Rudel einen ruhigen Jagdgalopp über 1400 Meter absolvierten, ohne zu brennen und ohne dadurch überanstrengt zu werden. Dieses Lot zeigte er dann in Insterburg bei den Herbstrennen in Form einer Reitjagd, wobei er selbst auf einem bildhübschen Schimmelhengst Maastrit und hundert Meter vor dem Siegerpfosten die Jagd freigab. Und er hatte Mühe, sich an der Spitze des Feldes zu behaupten. Dieses erste öffentliche Auftreten junger ostpreußischer Landbeschäler auf der Rennbahn belebte natürlich ihr Bild sehr wesentlich und war ein sensationelles, ungeheuer revolutionäres Wagnis, das bis ganz oben hinauf größtes Aufsehen erregte und eine nicht immer zustimmende Kritik und eine lebhafte Debatte auslöste. Göttingen plante schon damals noch mehr. Er wollte die Hengste auch über die Hindernisse gehen lassen und ich sehe noch sein strahlendes Gesicht, als er am Sonnabend vor dem Renntag seinen Hengsten die Rennbahn zeigte und dabei Mit seinem Schimmelhengst eine 80 cm hohe Hürde sprang, wobei der Hengst gut anzog, ohne Stutzen über das Hindernis ging und ruhig weiter galoppierte. Aber bis zum Hindernistraining der Hengste war noch ein weiter Weg. Denn schon gegen ihr Training überhaupt wurde bald Sturm gelaufen. Der Oberlandsteinmeister Georg Graf Lehndorf wurde im Abgeordnetenhaus darauf angesprochen und vom Minister, der seinen Etat zu vertreten hatte und eine kritisierende Interpretation wegen des Unfugs des Galoppierens mit wertvollen Zuchthengsten kommen sah, um Auskunft über die Angelegenheit ersucht. Das war der Augenblick, in dem mein Vater einspringen musste. Er schrieb mehrere Artikel in seiner Georgine, dem Organ des Landwirtschaftlichen Zentralvereins für Litauen und Masuren, in denen er das Richtige und Fortschrittliche dieser neuen Arbeit der jungen Bescheler erklärte und sich mit größtem Nachdruck für ihre Beibehaltung und ihren weiteren Ausbau einsetzte. Dieses sachverständige Urteil gab dem Oberlandsteinmeister die Rückendeckung für den Minister und diesem Gegenüber, den Kakelern im Landtag und rettete die Hengste vor einem Zurücksinken in die mastende Aufzucht. Die Tochter des Landsteinmeisters von Oettingen, Marissa, berichtet nun aus ihren Erinnerungen über Jagdstall und Meute. Die Anlage des Jagdstalles bedeutete einen gewaltigen Fortschritt in der Richtung der Leistungsprüfungen. Das Training der jungen Pferde wurde noch intensiver, nachdem 1898 die beiden großen Boxenställe auf dem neuen Hof erbaut und Reitburschen für die Ausbildung der dreijährigen Pferde eingestellt worden sind. Die Trakener Meute wurde im Jahr 1907 aus eigenen Mitteln Oettingens angeschafft. Die Zahl der Sprünge im Trakener Gelände ist dann unter den Landsteinmeistern Graf Sponek und Graf Lehndorf nach dem Krieg vermehrt worden, sodass es zur Zeit ca. 350 der verschiedensten Sprünge im Trakener Gelände gab. mit denen die Jagdpferde im Laufe einer Jagdsaison vertraut gemacht wurden. Die Drakener Sprünge sind alle sehr fair und in wunderbarer Weise dem Gelände angepasst. Ihre Schwierigkeit liegt darin, dass sie verhältnismäßig schnell aufeinander folgen, dass jeder Sprung in seiner Art verschieden ist und ein anderes Taxieren und eine andere Art der Überwindung von dem Pferd verlangt. Die größte Schwierigkeit liegt aber darin, dass fast alle Sprünge kombiniert sind, sodass die Pferde immer noch einige Reserven haben müssen und lernen, aus jeder Situation heraus zu springen. Diese Kombinierung von Graben mit Wall, Graben mit Rick, Wegesprünge als Doppelsprung, die vielen Auf- und Absprünge, die große Zahl von Zäunen und Ricks, die verschiedene Breite der Gräben und die immer wieder neue Art der Landungs- und Absprungsstelle verleihen den Pferden eine ganz außerordentliche Schulung und Übung. und machen das Einspringen für die Pferde selbst sehr abwechslungsreich. Fast an jedem Tag bekommen die Pferde auf diese Weise einige neue Sprünge vorgesetzt, lernen dadurch aufpassen und sicher taxieren. Die Trakena-Sprünge verlangen von den Pferden sehr viel Schwung und eine gewisse Schnelligkeit im Gegenreiten, sodass die Pferde sich sehr bald daran gewöhnen, sich abzuschnellen, großen Schwung zu nehmen und in flotter Fahrt zu springen. Besonders die Trakenersprünge, ein Rigg in einem tiefen, trockenen Graben und die Aufsprünge auf die Welle erfordern ein energisches Gegenreiten und starkes Anfassen vor dem Sprung. Das Besondere an den Trakenerjagden und an den Sprüngen liegt darin, dass diese Leistungen von dreijährigen Pferden und nach einer nur sehr kurzen Vorbereitungszeit verlangt werden. Die Trakener Wiesen und Weiden sind allerdings so elastisch, weich und federnd, dass Hufe und Sehnen der jungen Pferde fast gar nicht angegriffen und in Mitleidenschaft gezogen werden. Unter anderen Bodenverhältnisse könnte man dreijährigen Warmblutpferden solche Anstrengung kaum zumuten. Für die ostpreußische Pferdezucht hat der Trakener Jagdstall größte Bedeutung erlangt. Er ist das Reklameinstitut für die ganze ostpreußische Pferdezucht geworden. Und durch die Trakener Jagdpferde haben die ostpreußischen Pferde den Weltruf als harte Leistungspferde erlangt. Die Auktionen der Trakener Jagdpferde haben jährlich hunderte von Käufern und Interessenten von Ostpreußen und aus dem Reich nach Trakenen gelockt. Dadurch haben auch die ostpreußischen Privatzüchter wertvolle Beziehungen an Knöpfen und manches Pferd nach dem Reich verkaufen können. Der ganze Gedanke der Leistungszucht aber hat durch den Jagdstall einen neuen Aufschwung und Inhalt erfahren. Der Gedanke einer Zucht auf Leistungen ist damit zum ersten Mal verwirklicht worden und auch für das Hauptgestüt selbst ist damit eine neue große Aufgabe hinzugekommen. Eine Aufgabe, die ganz auf die heutige Zeit auf moderne Bedürfnisse eingestellt ist und die auch international Geltung und Anerkennung findet. Wenn man von ostpreußischer Leistungszucht spricht, so wird Sinnbild und Symbol dafür der Takena-Jagdstall sein. Er ist bis auf den heutigen Tag die einzige Stelle in ganz Deutschland geblieben, wo systematisch Jahr für Jahr jeder neue Jahrgang seiner Zucht schwere Leistungsprüfungen unterworfen wird und wo man solche reellen, auf Leistung erprobten Pferde erstehen konnte. Was auf Beinen und Lungen nicht aushält, das fällt zurück und wird als minderwertig ausgeschieden. Andererseits zeigt das verständnisvolle Training, dass man auch mit sehr verschiedenartigen Pferden gute und hohe Durchschnittsleistungen erzielen kann. Das Training, wie es mit den Jagdpferden in Trakinen gehandhabt wird, kann nicht in dieser Form durchgeführt werden, wenn die jungen Pferde nicht von Jugend auf sehr gut und intensiv aufgezogen sind. Training, Fütterung und Aufzucht hängen auf das engste zusammen und ergänzen sich gegenseitig. Die Pferde kommen Anfang Mai als vollkommen rohe Pferde in den Jagdstall und erhalten im Durchschnitt 10 Pfund Hafer ohne Häcksel und 20 Pfund bestes Wiesenheu. Ab und zu auch etwas Luzerne und Kleeheu. Das Futter wird auf vier Mahlzeiten am Tag verteilt und vor jedem Füttern wird getränkt. Für das Wohlbefinden und die Entwicklung der jungen Pferde ist das Raufutter viel wichtiger und wertvoller als der Hafer. Pferde, die noch unfertig, knochig und eckig und besonders die im großen Rahmen Erholen sich bei viel Raufutter besonders Luzerne und Klee viel besser und schneller als bei Hafer. Der Hafer kann erst genügend angreifen, wenn durch die Raufutter der Organismus genügend vorbereitet ist. Vor allem erhalten die Pferde durch Raufutter mehr Tiefe, Breite, Hinterrippe und Gewinnen im allgemeinen Harmonie. Landstermeister Dr. Martin Heling, der von 1920 bis 1921 Gestütsassistent in Trakenen war, erinnert sich nun an die Querfeldeinrennen in Trakenen. Schon mit dem ersten Querfeldeinrennen im Jahr 1911 war dem Generalfeldmarschall von der Goldspascha, der als kommandierender General in Ostpreußen noch als 70-Jähriger mit unerhörtem Schneid oft im Trakener Jagdfeld mitgeritten ist, ein sinnvolles Denkmal gesetzt worden, indem dies bedeutendste Rennen Deutschlands über eine Naturbahn fortan einen Namen trug als Von-der-Golz-Querfeld-Ein, großes Trakenerjagdrennen. Es wurde unter Siegfriedgraf Lehndorf auf einem abgesteckten und fordern ständig beibehaltenen Geläuf ausgetragen, für das sich der berühmte Reitdamm, als Mittelpunktanbot. Von den 1934 geschaffenen Tribünen aus konnten die Zuschauer den gesamten Verlauf des Rennens nun gut übersehen und verfolgen. Es ging seit 1938 über 6.900 Meter mit 33 Hindernissen, die alle groben Sprünge des Trakena-Geländes enthielten und zum Teil mehrfach zu überwinden waren. Seit 1929 wurde das Goldsquerfeldeinrennen, ein mit drei weiteren Rennen und einer Jagd für Dreijährige des Trakener Jagdstalles, über 4.000 bzw. 3.000 Meter zu einem vollen Renntag im Rahmen der großen ostpreußischen Turnierwoche erweitert. und vom Insterburger Rennverein im Benehmen und mit Unterstützung der Gestütleitung Trakenens veranstaltet. Auch dieses Meeting war ein Höhepunkt im Jahr und trug zur Beachtung und zum Ruhme Trakenens bei. Mit einem besonderen Auftrag übernahm der Landstammmeister Siegfried Graf Lehndorf am 1. April 1922 das Hauptgestüt Trakin. Der Landstammmeister Jürgen von Henninges erinnert sich an seine großen Leistungen. Für seine züchterische Arbeit erhielt Graf Lehndorf die Weisung, die von seinem Vorgänger Graf von Sponek bereits begonnene und sogenannte Verstärkung mit allen Mitteln zu fördern. Das heißt, die züchterische Umgestaltung des im Spezialtyp eines Reit- bzw. Remonte-Pferdes durchgezüchteten, hochedlen Trakeners zum vielseitigen Gebrauchspferd mit mehr Kaliber und in größerem Rahmen bei Erhaltung von Typ, Mechanik und Leistungsvermögen zu verwirklichen. Und in Zukunft hängste dieses Typs für die Landgestüte rings im Lande zu züchten. Das auslösende Moment für diese Umstellung des Zuchtzieles war der abrupte Rückgang beim Absatz von Heeresremonten als Folge der Truppenverringerung nach 1918, wodurch die alte Forderung der Wirtschaft nach Warmblutpferden stärkeren Kalibers endlich das ihr zukommende Gewicht erhielt. Unter sparsamster Benutzung von Vollbluthengsten musste Lehndorf neben der Verwendung der Drakener Tempelhüter, Jagdheld und Parzival anfangs auch auf starke, der rostpreußischen Privatzucht entstandene Hengste wie Pirat, Islam und andere zurückgreifen. ehe er diese durch qualifiziertere selbstgezogene Beschäler wie Astor, Saturn, Poseidon und Pilger ablösen konnte. Die Einkreuzung fremden Blutes zur schnelleren Erreichung der Verstärkung lehnte Lehndorff kategorisch ab. Als überragender Vererber erwies sich der privatgezogene Ostpreuße Dampfrosch. Innerhalb von knapp zehn Jahren gelang Lehndorf mit meisterhaftem Geschick die Lösung der ihm in Trakenen gestellten Aufgabe. Unter Berücksichtigung der wohl einmaligen hippologischen Verdienste des Grafen Lehndorff ist es umso tragischer, dass rein persönliche Kontroversen mit seinen Vorgesetzten trotz offizieller und privater Bemühungen nicht beigelegt werden konnten und seine Versetzung per 1.09.1931 an das Landgestüt Braunsberg Ostpreußen zur Folge hatten. Mit der Erreichung der Altersgrenze schied dann Graf Lehndorf nach 38 erfolgreichen Züchterjahren am 30. September 1934 aus der preußischen Gestütsverwaltung aus. Hans Graf von Lehndorf, seinerzeit Gymnasiast in Gumbinnen, gehörte viele Jahre zu den Passagieren des alten Schulwagens. Das Vorwerk Gudin lag nicht weit von der Chaussee, die von Trakin zu der sechs Kilometer entfernten Bahnstation und darüber hinaus bis zu der großen Durchgangsstraße führte, die von Königsberg kommend über Insterburg, Gumbinnen und Stadupönen zur Landesgrenze zog. Auf dieser Chaussee bin ich jahrelang an jedem Tag einmal hin und her gefahren, und zwar mit dem Schulwagen, der 20 Trakener Kinder morgens zum Bahnhof Trakenen fuhr und sie am Nachmittag wieder abholte. Die Mehrzahl von ihnen fuhr von dort in westlicher Richtung nach Gumbinnen, wo auch mein ältester Bruder und ich, wo sie die Friedrichsschule oder, soweit sie weiblichen Geschlechtes waren, die Zezilienschule besuchten. Die Fahrten mit dem Schulwagen werden sich allen, die jemals daran beteiligt waren, tief ins Gedächtnis geprägt haben und sie werden vielleicht sogar noch davon träumen. Morgens um sieben Uhr stand das mit zwei älteren, sehr stabilen Pferden bespannte Fahrzeug unter einer großen Eiche zwischen der Post und dem Hotel zum Elch. und wartete auf die von allen Seiten mehr oder weniger verschlafen herannahenden Schüler. Kinder des Oberamtmanns, der beiden Tierärzte, des Gestütsarchitekten, des Rendanten, des Hotelinhabers, der beiden Volksschullehrer und des Speicherverwalters und anderer zum Gestütbetrieb gehöriger Familien. Der mit einem großen Schnauzbart versehene Kutscher Schlichtenberger trieb die Säumigen zur Eile an. Im Winter und bei schlechtem Wetter ging die Fahrt in einem allseitig geschlossenen Glaskasten vor sich, in den man von hinten einstieg. Einige Glasscheiben wurden nach ihrem Zerbrechen allerdings schon durch Holzplatten ersetzt. An den Längsseiten und in der Mitte waren schmale Bänke angebracht, auf denen man dicht aneinander Platz nahm und im Winter war dann der Boden dick mit Stroh ausgelegt. Da konnte man es auch bei grimmiger Kälte einigermaßen drin aushalten. Im Sommer sah der Schulwagen ganz anders aus. Seinen Dienst übernahm eine der großen Brettdroschken, die bei Besichtigungsfahrten der Besucher des Gestüts benutzt wurden. Vorn und hinten über den Achsen befanden sich je zwei hohe Bänke, die mit dem Rücken gegeneinander standen. Zwei bis drei Schüler hatten auf jeder dieser Bänke Platz und verbunden waren die beiden Achsen durch ein sehr stabiles Mittelstück, das ebenfalls aus zwei Bänken bestand, die mit dem Rücken gegeneinander standen. Auf jeder dieser langen Bänke konnten bis zu fünf Personen sitzen. Es konnten also auch auf diesem Wagen außer dem Kutscher bis zu zwanzig Menschen befördert werden. Die Fahrt mit dem offenen Vehikel war wesentlich erfreulicher als in dem geschlossenen Kasten, weil man unterwegs die ganze Gegend überblicken konnte. Ich war damals sehr jagdpassioniert und machte im Stillen meine Beobachtungen, für die sich die anderen Mitfahrer kaum interessierten. Gerade in der Nähe von Gudin war es für mich lange Zeit hindurch eine große Befriedigung, wenn ich das schwarze Gehirn eines außergewöhnlich starken Rehbocks aus dem Gras herausragen sah, mehr als 500 Meter entfernt, in der Nähe eines mit einzelnen Weiden bestandenen Erdwalles. Ich kannte den Bock, so genau, als hätte ich sein Gehörn schon in Händen gehabt, denn es war mir einmal gelungen, ihn im Schutze jenes Walles bis auf zehn Schritt Entfernung anzupirschen, während er seinen Nachmittagsschlaf hielt und ihn mit dem Fernglas eingehend zu betrachten. Offenbar war es ein alter, sehr ruhebedürftiger Geselle, denn sogar vom Schulweg aus konnte ich an der nach vorn geneigten Stellung des Gehirns erkennen, dass der Box schlief. An einem sehr kalten Wintertag passiert es einmal, dass wir auf dem Bahnhof den Zug verpassten. Wir waren zwar zur rechten Zeit angekommen, blieben aber, wie üblich, im Wagen sitzen und das Warnungssignal, auf das wir vertrauten, dieses, blieb jedoch aus, da der Kutscher, den wir vom Inneren des Wagens nicht sehen konnten, ausgestiegen war, um sich im Bahnhofsgebäude aufzuwärmen. Der Zug fuhr uns also dann vor der Nase weg. Für uns unfasslich, dass der Stationsverstand ihn ohne uns hatte abfahren lassen. Da der nächste Zug erst drei Stunden später fuhr und ich es mir als Primana nicht leisten konnte, nur zu den letzten Unterrichtsstunden zu erscheinen, machte ich mich mit einem Mitschüler gemeinsam auf den Fußweg nach Gumbinnen. Wir gingen fast die ganze Strecke auf den Schienen entlang, streckenweise im Laufschritt, und kamen gerade noch zur dritten Stunde zurecht, was von dem Lehrer glücklicherweise als Zeichen außergewöhnlichen Lerneifers angesehen wurde. Auch das Ende des Schulwagens ist mir noch in Erinnerung. Ich war damals zwar nicht mehr zu Hause, sondern studierte in Genf, aber meine sechs Jahre jüngere Schwester teilte mir alles Wissenswerte brieflich mit. Und so schrieb sie einmal, Als wir gestern von einer Fahrt zurückkamen, sahen wir in der Nähe der Pissa-Brücke Schlichtenbergs mit den zwei Pferden neben einem Glashaufen auf der Straße stehen und er behauptete, es wäre der alte Schulwagen, mit dem er einen Baum gestreift hatte. Die Reitburschen in Trakenen waren eine ganz besondere Sorte. Paul Stanik erinnert sich an seine Zeit bei ihnen. Am 8. Oktober 1912 wurde ich im Trakener Vorwerk Danzkämen geboren. Mein Vater war hier Gestütwerter. Leider starb er früh. Beim Absetzen vom Pferd ereilte ihn der tödliche Herzschlag. Weil das Hauptgestüt in den letzten 20er Jahren der großen Wirtschaftskrise im Pferde- und im Personalbestand herabgesetzt wurde, erfüllte sich mein Berufstraum nicht gleich. Ich machte also erstmal eine Bäckerlehre. 1932, am 20. Oktober, hat es dann geklappt. Reitbursche im Jagdstall. Das war ja überhaupt das Höchste. Zum Glück bekam ich nicht die Rapsstute Mandarine. Geboren 1930 von Astor und Mandara von Monsieur Gabriele. Da hatten sie alle Manschetten vor, weil die im Jagdfeld immerhin den Ausschlug und Wasser ließ. Mein Kollege, dem sie zugeteilt war, meldete sich schließlich bei Obersattelmeister Kiaulen. »Herr Obersattelmeister,« sagt er, »nun halte ich es bald nicht mehr aus. Bei jeder Yacht verliere ich bald fünf Pfund, und so viele habe ich ja davon nicht über, und im Kreuz knackt es manchmal auch schon ganz schön.« »Weißt, Jungchen, die Schwarze ist Jan Kreet. Aber Schlappmacher, dat muss ich dir sahren, dat gibt es nicht.« Einmal musste er sie noch nehmen. Dann wurde sie aus dem Verkehr gezogen, endgültig und völlig total. Naja, die war echt nicht ganz dicht, sowas gab es auch in Trakenen schon mal. Aber dann wurde eben doch kurzer Prozess gemacht. Sehr stolz war ich übrigens auf mein erstes Motorrad mit Beiwagen. Aber nicht lange. Die Leute bewunderten ja immer die schönen Alleen, aber mein Renner einmal nicht. Vom Bahnhof Tarkin sauste ich die fünf Kilometer lange Chaussee zum Hauptgestüt herunter. Da blieb mir plötzlich der Beiwagen hängen. Und die Eiche, naja, die Eiche war recht dick. Aber ich kam wieder auf die Beine und fand die Maschine etwas abseits. Später habe ich alles wieder zusammen gebastelt. Ja, der Obersattelmeister ritt als Master immer die Ponsa. Ich hat sie im Pflege und ihre Mutter war schon eines der besten Jagdpferde gewesen. Graf Lehndorf hat sie oft auf Jagden geritten. Und die Ponza als Schimmel hielt sie sich immer sauber. Da hatte man gar keine Arbeit mit. So ein Glück hat man ja bei Schimmeln nicht immer. Als Reitburschen mussten wir ins Schloss, wenn viele Gäste da waren, und mussten servieren. Der Speisesaal lag im oberen Stock und der Aufzug war manchmal defekt. Dann mussten wir die Kannen mit Ananasbohle und die Platten mit Ochsenzunge in Burgunder Soße die Treppe hochschleppen. Naja, da hatte man unterwegs schon mal Durst und ich meistens auch Hunger. Die hohen Lehnen an den Stühlen waren uns immer im Weg, da war schwer zwischendurch zu kommen zum Servieren. Es gab ein großes Zittern, den Braten ohne Anecken anzureichen. Als Junggesellen wohnten wir mit zehn bis zwölf Mann auf einer Stube im Reitburschenhaus. Wenn wir aus dem Fenster guckten, sahen wir den Stall für die Absatzfohlen und einen von den beiden Pilzen. Das waren überdachte Ausläufe bei schlechtem Wetter. Auch einen Teil der Wartburg konnten wir sehen, wo in etwas höher gelegenen Paddocks meist die Füchse und Rappen als Hauptbeschäler ihre Sommerwohnungen in großen Ausläufen hatten. Von den Jagden, ja, mein Gott, was soll ich da erzählen? Wir ritten ungefähr 60 Jagden in jedem Jahr. Für uns junge Leute konnte es Schöneres ja gar nicht geben. Jedes Jahr neue, junge Pferde. Jedes Jahr viel Platz, federnder Boden, immer wieder andere Strecken. Was wollt man mehr? Da waren immer auch Gäste, für die gab es ältere, besonders sichere Pferde. Vor allem Tribut. Rappe, geboren 1926 von Thronhüter und Traumgestalt von Prinz Optimus. Der ging auch unter einer Unterhose. Bloß beim Putzen tanzte er rum. Irgendwann musste er sich wohl mal Luft machen. Dann, fünf Jahre später, von 1937 bis 1938, diente ich beim Reiterregiment Nummer 1 in Insterburg. Dann ging es wieder nach Trakenen. Aber ab August 1939 wurde ich wieder Soldat. Das sollte sechs Wochen dauern und dann wurden doch sechs Jahre daraus. Bei Kriegsschluss habe ich Trakenen nicht mehr gesehen. 1947 kam ich aus belgischer Gefangenschaft und hörte, das Vollblutgestüt Graditz sollte wieder in Betrieb kommen. Meine Frau und zwei Söhne zogen dahin, der dritte Junge wurde da geboren und zuerst waren da nur Kaltblüter und 17 Vollblüter. Wir blieben hier bis Mai 1957. Die Verhältnisse waren nicht so besonders. Nein, nein, wir gingen also in den Westen. Erst mal arbeitslos und dann Bauhilfsarbeit im Rheinland und später gelang es mir, in das Vollblutgestüt Asta der Familie Schindling zu kommen. Da war ich wieder bei Pferden und endlich wieder in meinem Element. Hernach wurde ich dann als Stutmeister in das Vollblutgestüt Fehrhof geholt. Eine schöne Zeit bis 1975. Dann war es soweit. Dann war die Pension gekommen. Äppeljunge, was ist denn das? Ja, so fing die Karriere an. An ihren Anfang erinnert sich Otto Biegel. Nach meiner Schulentlassung war ich kurze Zeit in Gurtschen bei den Mutterstuten, denn bei uns wurden die Fohlen von November bis April geboren. Um zu vermeiden, dass die Fohlen die Pferdeäpfel auffraßen, mussten diese regelmäßig aufgenommen werden. Diese Maßnahme war für die Gesundheit des Nachwuchses wegen der Verwurmung dringend erforderlich. Während dieser Zeit kam eines Tages der damalige Assistent, Herr von Henninges, nach Gurschen, um die Herde zu besichtigen, und er fragte mich, ob ich mich denn schon bei der Gestütverwaltung als Reitbursche beworben hätte. Als ich dies verneinte, schickte er mich mit den Worten nach Hause, schreibe sofort Bewerbung und Lebenslauf. So schnell war ich noch nie gelaufen. Ich bewahrt mich entsprechend und Herr von Henninges nahm das Gesuch direkt mit. Nach einer Weile bekam ich Bescheid, dass ich am nächsten Montag zusammen mit einem Schulfreund beim Hauptgestüt Trakenen als Reitbursche anfangen könne. Aufgeregt, wie wir waren, fuhren wir am Montagmorgens um fünf Uhr los und um sechs Uhr sollten wir uns im Jagdstall bei Herrn Obersattelmeister Kjolén melden. Als die ersten Beamten und Angestellten zum Stalldienst kamen, wurden wir mit kritischen Blicken gemustert und der eine oder andere meinte, so eine Bemerkung zu machen, aber wir haben nicht ganz verstanden, was er sagte. Sicherlich galten diese Bemerkungen zum Teil auch meiner Größe, denn mit 14 Jahren war ich noch ziemlich klein, wenn auch stämmig. Wir ließen es uns nicht verdrießen. Als dann der Futtermeister Adomat in den Stall kam und wir uns bei ihm meldeten, hat er uns erklärt, was hier läuft. Nach dem Füttern und Saubermachen der Boxen wurde uns im Reitburschenhaus ein Bett und ein Schrank zugewiesen. Es gab vier sogenannte Stuben, die je nach Alter der Insassen eingeteilt waren. Ein großer Waschraum stand zur Verfügung und im Keller ein großer Bade- und Duschraum. Ich war glücklich und am Ziel meiner Wünsche. Für uns Jungen in dieser ländlichen Umgebung war es ein großes Glück, in Trakenen Reitbursche zu werden. Wenn dann das Interesse und die zukünftige Versorgung übereinstimmten, dann hatte man wirklich das Große losgezogen. Nach zehnjähriger Zugehörigkeit bestand für uns alle die Möglichkeit, als Beamte in den Staatsdienst übernommen zu werden. Und man fing an als Äppeljunge. Die Äppel, die abgesammelt werden mussten, wurden dann in ein Gespann verladen, das von einem Ochsen gezogen wurde. Über den Äppeljungen erst kam man dann zum Reitburschen, dem ersehnten Ziel. Meine erste Stallwache. Ein Teil unserer Pferde stand im Auktionsstall und dort musste auch Stallwache gehalten werden. Eines Tages war es soweit, dass ich drankam. Herr Bohrmann meinte zu mir, du hast doch keine Angst. Ich bejahte dies, obwohl mir die Sache nicht ganz geheuer war. Von den älteren Reitburschen war erzählt worden, dass der Schimmel des alten Tierarztes, ade, des Herrn Dr. Matthias, nachts im Stall ohne Kopf herumlief. Dr. Matthias gehörte einer Freimaurerloge an. Wir Jungen hatten keine Ahnung, was eine Loge war. Ich trat also tapfer meine erste Stallwache an, abends um 18 Uhr. In der Wachkammer war es gemütlich. Ich überzeugte mich, dass in den Boxen alles in Ordnung war und ging einigermaßen beruhigt in die Kammer. Nach einigen Seiten krimineller Schmökerlektüre, Tom Chart, der Rächer der Enterbten, schlief ich auf dem Heubündel, die für den nächsten Morgen zur Fütterung bereit lagen, ein. Trotz vieler Bemühungen, mich wachzuhalten und um Mitternacht wurde ich durch ein merkwürdiges merkwürdiges Geräusch geweckt. Es hörte sich an, als wenn einer mit Holzklumpen die Speichertreppe herunterkam. In dem Moment dachte ich an den Schimmel. Ich nahm allen Mut zusammen und ging zur Treppe des Heubodens, machte Licht und rief, ist da jemand? aber es meldete sich niemand und ich machte das Licht wieder aus. In der Dunkelheit wollte ich der Sache auf den Grund gehen und wartete angespannt, aber es blieb alles still. Ich stand neben der Box, wo der Schimmel stand und auf einmal hörte ich wieder das Geräusch und machte schnell meine Taschenlampe an. Und siehe da, es war der Schimmel. Aber nicht ohne Kopf, sondern der stand in einer Ecke und schlief im Stehen. Er klappte dabei mit der Unterlippe gegen die Oberlippe.

[SPEAKER 2]Klapp, klapp, klapp.

[SPEAKER 1]Das war also das Geräusch. Somit hatte ich meine Mutprobe und meine erste Stallwache bestanden. Wenn die jungen Reitburschmann gerade von Muttern weg waren, mussten sie in Trakenen sofort in Reih und Glied marschieren. Alfred Hahn hat es erlebt. So gegen sechs Uhr war das ein Gepolter in den Schlafseelen. Die Stallwache war das, die da weckte Erbarmung. Und im Trab ging es dann in Holzschlurren in den Stall. Überm Eingang wohnte der Obersattelmeister. Der sah genau, ob da das Richtige im Gange war. Wer zu spät kam, hat eine Stallwache weg. Gleich rechts im Eingangsraum des unendlich langen Jagdstalls war die Sattelkammer, links die Wachkammer. Zur rechten Hand ging es zu den Stallabteilungen 3 und 4, und hier standen die jungen Pferde. Ein breiter, sauber geharkter Sandstreifen lief in der Mitte der Stallgasse. damit die anfangs noch unkultivierten sich nicht so leicht verletzen konnten. Im linken Flügel waren die älteren Pferde, Stallungen 1 und 2 untergebracht, zusammen meist 80, alle in geräumigen Boxen. Jeder von uns hatte zwei von ihnen in Pflege, und jeder musste auch zwei reiten. Aber nicht die, die wo wir in Pflege hatten. Dass die man bloß kein warmes Haar nicht kriegten, hätten wir sonst gedacht, meinten Otto Otto und die Oberwärter Otto Semat und Otto Kreitschmann, die dem Obersattelmeister zur Hand gingen. Schiebkarren gab es nicht. Auch das Heu wurde man nicht so einfach abgeworfen und durch den Stall geschoben, nein, In Flechtkörben trugen wir es Stück für Stück in die Boxen. Auch abgesammelt werden musste aller Augenblick. Ein großer Fahrstall und viele kleinere Einrichtungen dieser Art halfen, den Verkehr innerhalb des riesigen Gestützbereichs und zum Bahnhof Trakenen aufrechtzuerhalten. Allein dem Landstallmeister, dem zwei Geschützassistenten zur Seite standen, waren ständig zehn bis zwölf Ratten als Wagenpferde zur Verfügung. Hier amtierte der Gestütwärter Kowal viele Jahre als Leibkutscher. Und dann dampfte es in der Reitbahn. Zweimal im Jahr, immer nach den Auktionen im Frühjahr und im Herbst, gab es Veränderungen im Jagdstall. Dann war der Oberwärter Seematt mit einem ganzen Rudel von Reitburschen und mit Trensen unterwegs, um aus den Aufzuchtstellen der Vorwerke die rohen Dreijährigen abzuholen, die die leer gewordenen Boxen im Jagdstall beziehen sollten. Da war ja was los, wie die bockten und wie die feuerten. Wir wurden unterwegs nur so hin- und hergerissen, aber schließlich waren sie denn drin in den Buchsen. Da lesen wir sie quieken und kratzen und die Wände hochklettern, das gab sich nämlich von ganz alleine. Gleich am nächsten Tag, wenn sie noch dumm waren und noch nicht in Kraft, wurden sie in den Boxen gesattelt, immer mit zwei Mann, welche schienen und schrien, als wenn sie abgestochen würden, und die Jungs mussten, weiß Gott, flinke Beine haben. Zwanzig von der Sorte kamen dann raus, mit Ho-Ho und krumm Buckel in die Reitbahn rein. In der Mitte war aus Fängen ein Kral gebaut. Da hinein zogen wir uns zurück, wenn jeder auf Kommando sein Pferd losgelassen hatte. Nur wenige Peitschenführer sorgten dann für flotte Bewegung, immer rundum. Da streckten sie sich und krümmten sich und ließen sich den Balken biegen und hatten einen Zahn drauf, wenn sie so richtig losfurzten. Dann ging es so lange, bis alles in Dampe war, im Dampf, wie Seemann sagte. Wenn sie zehnmal gemistet haben, dann sind sie richtig. Jeder schnappte sich seinen. Der jeweils leichtere Reitbursche wurde in den Sattel gehoben, und wenn sie alle drauf waren, dann zockelte der alte Jugendtraum, brauner Wallach, geboren 1920 von Delys aus der Jugendseele von Ostende, als Führpferd vorne weg. Und einmal kullerte das Gemüse. Einige Male hatte ich Glück im Unglück. Ich war auf Stallwache, als meine Kumpane loszogen. Einmal hatten sie sich den großen Obstgarten von Eugen Pergam, der das Hotel Elch bewirtschaftete, vorgenommen. Die Dussels ließen von den guten Sorten keinen Affenlammbaum. Natürlich kam’s raus. Alle Spinde mussten aufgeschlossen werden, da kulerte das Gemüse, und nie werde ich das vergessen. Vorne der Gendarm, hinten der Obersattelmeister, beide zu Pferde, in der Mitte im Gänsemarsch, siebzehn Jungs mit Äppelsecken auf dem Rücken, so ging’s durchs ganze Dorf zur Polizeistelle. Mütter schämten sich, Väter kratzten sich unterm Kinn, Kinder und Tanzbekanntschaften kicherten, der alte Kalfakta Wille in Jondeck aber blieb stehen und zeigte mit dem Daumen wie zur Hölle. Da gehen sie hin, da gehen sie hin, die wo geklaut haben. Wie ein geschmierter Torpedo, Es gab ja unzählige Jagden, leichtere und immer schwerere, und oft ging es über die Weiden, wo auch Kühe drin liefen. Manchmal sahen wir dann schon vom Weiten, wie die Frauen die Milchtiere in höchster Eile von einem Koppelrick weg zum Melken in eine Ecke trieben. Da war dann was gefällig. wo Kühe galopp gehen, da legen sie eine deftige Strecke. Einmal rutschten dem Obersattelmeister Kiaulen seinem laufenden Jagdpferd alle vier Beine weg, und er pfiff wie ein geschmierter Torpedo auf dem Grase längs. Seine goldgefasste Brille war weg, und als er hochkam, funkelten seine Augen durch einen dicken Spinatfarhaufen. Da kriegten Fritz Schesgard und ich so das Lachen, dass der Alte uns an Ort und Stelle vermöbelt hat. Wir passten nicht mehr in keinen Anzug. Zu allem Überfluss musste Otto Schemert noch eine Wache außer der Reihe für uns notieren. Und da ging Heraldik stiften. Was auch immer war, wir Reitburschen waren Mädchen für alles. Wenn die Kutscher im Fahrstall, wo auch der Karl Balczukat seine ruhigen Tage verlebte, mal ein bisschen ran gemusst hatten, wurde einer von uns Bengels aus dem Jagdstall abkommandiert. Eines Tages musste ich mich da melden, sagte der alte Kowal zu mir. Diesen Großen nimmst der Jungen. Allein im Schlitten, den Förster fahren, drei Uhr. Hast mich verstanden? wie ich den Schwarzen ins Geschirr krieg, grinsen sie alle. Lass sie, denk ich, wird den Satan schon kriegen. wie nachher der Mausejäger, wie wir den kleinen grün-berockten Förster nannten, mit auf dem Schlitten drauf saß, nimmt heraldigert die Zunge hoch und schnurchelt und schiebt gegen die Hand, dass es nur so ne Art hat. Mausejäger musste ja auch noch viele Fallen kontrollieren. Plötzlich wirbelt der Wind eine Zementtüte vor uns quer über den Weg, Da knallte es einmal, zweimal, das Spritzbrett geborsten. Mausjäger im Chausseegraben. Ich, mit dem nächsten Satz von dem schwarzen Däubel vorweggerissen, komme im Schnee zu liegen und schurre darauf längs auf den Bauch und Heraldiger geht stiften, was er laufen kann. Nach einer guten Strecke kann ich mich nicht mehr halten. Mir tun alle Knochen weh. ließ ich ihn los. Mein Gott, und wo blieb das ganze Geschütz? Nun, was soll sein? Kam grad Vater Kathlun mit seinem Gespann, stellte alles quer über den Weg. Na, und da hatten sie ihn eben. Einer unserer besten und erfolgreichsten Militärreiter, Max Habel, gehörte einmal zu den Auserwählten, die vom Landsteinmeister aufgefordert wurden, zum Frühstück ins Schloss zu kommen. Wie der Landsteinmeister das berechnete, das erzählt Max Habel hier. Ich gehörte am 27. September 1934 bei der Trakena Herbst Auktion, wo ich die braune Tugendsame von Pilger aus der Tugendkönigin von Parsé kaufte, zu den Auserwählten, die vom Landsteinmeister aufgefordert wurden, zum Frühstück ins Schloss zu kommen. Als ich zusagte und mich bedankte, griff Dr. Elert eine weitere Erbse aus seiner Tasche und ließ sie zu Boden fallen. So also wusste er in seinem jeweils verbleibenden Vorrat, wie viele Einladungen er noch aussprechen konnte. Mit der letzten Erbse wurde der letzte Stuhl beim Frühstück vergeben. Alle, die einmal in Trakenen an einer Jagd mitgeritten sind, alle zieht es dorthin wieder zurück. Elfer Riedl, geborene Igugait aus Grünweitschen, zehn Kilometer südwestlich von Trakenen, verheiratet in New York, kehrt immer wieder nach Trakenen zurück. Sie berichtet hier über die Hubertusjagd. Wisst ihr noch genau, wie alles war? Meist nahm es im Hotel Elch seinen Anfang. Dort traf am Morgen einer Jagd immer ein fröhliches Häuflein von einigen Gastreitern zusammen. Hinunter ging es durch die Anlagen am Teich vorbei, auf dem noch Seerosen blühten, über die kleine Brücke, unter der der Bach über die Steine sprudelte, Dann aus der Schlucht hinauf, über die Straße und in den Schlosshof. Ganz feierlich schritt man durch das große, schöne Tor, von dem die Elchschaufel grüßte. Rechts lag das Schloss, links die Verwaltungsgebäude, aber das wisst ihr ja alle genauso gut wie ich, und doch finde ich es so liebevoll in Gedanken, jeden Schritt noch einmal zu tun. Wenn man dann rechts umbiegend weiterging, kam der schöne Blick über die große Wiese, mit der mächtigen alten Eiche darauf hinüber zum Schloss. Davor, das wundervolle Standbild des Hengstes Tempelhüter, und ein paar Schritte weiter kam man am Hundezwinger vorbei, über dem an Schnüren die Fleischstreifen für die Hunde zum Trocknen hingen. Und nun trat man auf den breiten, geharkten Sandweg, die Schritte verstummten wie in einem weichen Teppich. Rechts und links parkartige Anlagen, so schritt man an dem kleinen Musterpavillon vorbei, direkt auf den Jagdstall zu. Das Herz schlug höher, wenn die schwere Tür eines Portals gleichsig öffnete. Wer kann die Geräusche schildern, die so unvergesslich und so typisch sind, und wer den herrlichen Duft nach edlen Pferden, nach Heu, nach Leder? Geschäftig waren die Reitburschen dabei, letzte Hand anzulegen an die Dreijährigen, die jeder in seiner Box im tiefen Stroh ein Bild höchster Gepflegtheit lässig an ihrem Frühstücksheu knabberten. Guten Morgen, Herr Obersattelmeister, guten Morgen, guten Morgen, welches Pferd darf ich heute wohl reiten? Dann ging man voll Freude zu seinem Gefährten in die Box, begrüßte ihn, machte sich gewissermaßen bekannt mit ihm, klopfte Hals und Kruppe, streichelte den Kopf und freute sich an seiner Schönheit. Denn wer von ihnen war nicht schön? Wir beide, mein guter, wir wollen heute die Jagd reiten. Eine herrliche Jagd, mein Pferdchen. Freust du dich so wie ich? Wir wollen uns fein vertragen. Ich will dich gewiss nicht stören. Ich verspreche dir, mit ganz leichter Hand und mit ruhigem Schenkel will ich dich über die Hindernisse führen. Draußen wird in aller Ruhe aufgesessen, hier und da noch einmal an einem Bügel geschnallt, und schon sammelt sich das Ganze zu zweit. Ich bin meist die einzige Dame, also darf ich mit dem Master vorne reiten und vorne bei der Meute. Die Pferdehufe rascheln im fallenden Laub des Herbstes. Bald sind wir in einer der herrlichen, breiten Eichenalleen. Golden grüßt das Land, tauig schimmern die weiten Wiesen rechts und links. Mit kraftvollen, langen Schritten gehen unsere dreijährigen Weich am langen Zügel stehend noch herrlich am natürlichen Gleichgewicht. Singen ruft der Master manchmal, und all die Reitburschen kehlen Stimmen an, drei Lilien, drei Lilien, die pflanzt ich auf meinen Grab. Die Hunde sind leicht nervös, sie kennen das alles zu genau. Hinter einem Wäldchen oder einer Felsscheune werden sie jetzt in Deckung geführt. Die Reiter stellen sich im rechten Winkel auf und jeder klopft den Hals seines Pferdes. Jeder genießt die Schönheit dieses Augenblicks, den Augenblicks der höchsten Vorfreude. Die Schleppe reitet an. Zwei sichere Springer, die Kugel mit dem Schwamm, der in Fuchsjauche getränkt ist, mit sich führend gehen sie über die ersten Hindernisse davon. Die Spur führt die Hunde und kaum ist die Schleppe im Gelände verschwunden, da bricht es hervor. mit hellem Geläut die Meute. Sofort ist sie auf der Spur, und es ist jedes Mal ein wunderschönes Bild, wenn die schmucken, schwarz-weiß-roten Hunde davon stürmen. Manches Jahr meiner Jugend bin ich hinter der Meute in Trakenen geritten. Nicht ein einziges Pferd ist mir jemals ausgebrochen oder hat ein Hindernis verweigert. Ich habe manche andere Jagdgeritten hier und dort, aber nirgendwo war eine Jagd je so diszipliniert, so sehr etwas Besonderes wie jedes und jedes Mal in Trakin. allein die wechselvolle Vielzahl der Sprünge, die schier endlosen Geländewege und die Wellen des Grases, die Dämme, die Gräben, alles das in seiner eigenartigen Schönheit, seiner unvergleichlichen Weite und das Herrlichste von allem, die Pferde. Diese jungen Pferde, die im Jagdfeld gehen, die über diese stabilen, vielseitigen Hindernisse gehen, die selbst mühelos den breiten, randvoll gefüllten Judenbach überspringen, die den mächtigen, kombinierten Reitdamm springen, als wär das alles nichts. Eine Selbstverständlichkeit. Ja, sie haben Nerv und sie haben Herz, und beides ist ihnen angeboren. Und darum gibt es nichts Schöneres für ein aufgeschlossenes Reiterherz, als mit ihnen hinter den Hunden zu galoppieren. Manchmal kamen hohe, ja höchste Gäste aus dem Reich. Es gab viel Referenzen und natürlich bekam ein solcher Gast das sicherste Pferd, den alten Tribut, der mit souveräner Würde jede Jagd auswendig absolvierte. Da konnte man öfter sehen, wie diese hohen Herren mit ihrer ganzen Nonchalance und ihrer weltmännischen Eleganz leicht überheblich zu Pferd stiegen. Wer wollte es uns bescheidenen heimischen Reitern, die wir nur die Liebe mit in den Sattel brachten, verdenken, wenn wir ein wenig boshaft, aber herzlich lachten, wenn unsere weitgereisten am ersten besten Hindernis schnell wieder ausstiegen? Denn eine Jagd in Trakin, das war die herrlichste Jagd auf Erden, aber sie wollte auch mit Ernst und mit feinem Verständnis für Pferd und für Gelände geritten sein. Vor uns liegt das Birkenwäldchen, bunt und fröhlich, tanzend im Winde. Dahinter kommt noch ein knuffiges Rick, dann winkt schon das Hallali. Oh, seht Ihr das auch noch so greifbar nah vor Euch, als sei es gestern gewesen! Dort steht, wie immer, neben seinem eleganten Fuhrwerk mit dem traditionellen Trakener Rappen davor, unser Landsteinmeister. Väterchen reicht uns stets selbst die Brüche. Ach, wie gern hielt ich heute noch einmal einen solchen Bruch in der Hand. Einen Eichenbruch aus heimatlicher Erde. Und die Gedanken wandern über den Ozean und suchen alles wieder auf, was sie lieben. Und genau wie damals tanzen die Birken gelb und golden im Wind, und vielleicht zieht hoch darüber in blauer Höhe ein Bussard seine Kreise, genau wie er es damals tat. Aber die Menschen sind fort und die Pferde Und verstummt und verschollen und kein Wiern, Kein Hufschlag, keine fröhliche Jagd. Aber lasst uns hart sein und voll Herz, wie diese Pferde, von denen ich ein Weilchen geschwärmt habe. Lasst uns niemals klagen, sondern immer nur aus tiefstem Herzen dankbar sein für alles, was die Heimat uns an Herrlichkeit und an stiller Schönheit gegeben hat. Denn alles, was wir sind, sind wir aus ihr. Und wie wird es weitergehen? Ein Symbol seines Landes war Tempelhüter schon zu Lebzeiten. Damals sagte es ein D-Zug-Schaffner, einem von Berlin nach Königsberg reisenden Regierungsrat, der sich jovial bei dem Reichsbahnbediensteten erkundigte, was man denn wohl vor allen Dingen wissen müsse, wenn man Ostpreußen bereise. »Na nun ja,« sagte der Schaffner, »was Sie wissen müssen, das ist der Bulle Winter.« Und dann natürlich, das ist der Hengst Tempelhüter. Wenn Sie dann noch den Immanuel Kant beiläufig erwähnen, mein Herr, dann sind Sie ein gemachter Mann bei den Leuten in Ostpreußen. So einfach war das früher. Winter, Tempelhüter und beiläufig Kant. Damit waren Bedeutung und Symbolik des Landes eindrucksvoll so zu umreißen, dass es wie Musik klang zu der Vorstellung von Weite, Wäldern und Seen, von Freiheit, Bernstein, Bärenfang und russischer Grenze. Heute sieht dies alles sehr viel nüchterner aus. Wehmut zu empfinden, wird mehr den Älteren überlassen. Den noch Ortsgebürtigen, Aschmonaits, Perkunos und Damjanats, Kinder und Kindeskinder, spüren die tausend Kilometer Entfernung nach Allenstein, Olsten, Darwischen oder Nikolaiken. Ihnen ist zwangsläufig die neue Heimat näher. Lebenskampf und Lebenslust fordern ihre Rechte. Das Edelpferd Trakener Abstammung, in wenigen Individuen gerettet, wieder vermehrt und anderen Zuchten veredelnd zugeführt, steht über den Zeiten. Es ist das sichtbarste Zeugnis Ostpreußens, das international verständlichste Merkmal des Landes zwischen Weichsel und Memel, das für viele ein Land stiller Sehnsucht war und geblieben ist, einer Sehnsucht heute, die in Bescheidenheit träumt und sich in Liebe erklärt. Da uns die Pferde in reiner Rasse geblieben sind, muss auch die Vorstellung erhalten werden, was Trakenen bedeutet hat, damit wir den Maßstab nicht verlieren, alle, die dieses Pferd der Zukunft erhalten wollen, auch in Polen, in Russland, in Kanada, Amerika und sonst wo immer. Tempelhüter verbindet national heute auch Bayern und Holsteiner in züchterischer Weltanschauung. Wer hätte das gedacht? Und er führt alte Züchter aus Ostpreußen zusammen mit Novizen westlicher Gefilde, die sich im Stillen des stolzen Gefühls nicht erwehren können, die Ellschaufel selbst auf der Hinterwange zu tragen. Es ist dies alles ein friedlicher, wenngleich nicht ein Kampf ohne Ehrgeiz um das Erbe Trakenens, um seine bestmögliche Weiterführung und schließlich um höchstpersönliche Erfolge. So sieht es also gut aus, um die Zucht dieser historischen und wertvollen Rasse die nun so lange gewährt hat, unverändert, dass ihr Entartungserscheinungen abseits ihres Ursprungs völlig fremd sind und bleiben.

[SPEAKER 2]Das war also der zweite Teil von Erinnerungen an Trakenen. Schön, dass du mit dabei warst. Wir würden uns sehr freuen, wenn du eine 5-Sterne-Bewertung dalässt, überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Bis bald, beim wehorse Podcast.

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