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#128 Dr. Vivian Gabor: Wissenschaft und Praxis vereinen

Dr. Vivian Gabor ist promovierte Wissenschaftlerin und beschäftigt sich mit Pferdeverhalten. Ihre Mission ist es die wissenschaftlichen Erkenntnisse für Reiter und Reiterinnen zugänglich zu machen, damit sie ihren Umgang mit dem Pferd verbessern können.

Podcast Transkript

Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.

[SPEAKER 1]Herzlich willkommen zum wehorse Podcast. Mein Name ist wie immer Christian Kröber und heute freue ich mich auf das Gespräch mit Dr. Vivian Gabor. Sie ist Wissenschaftlerin im Bereich Verhaltensforschung an der Universität in Göttingen. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist sie eine absolute Praktikerin als Ausbilderin und Trainerin. Und ihr großes Thema ist, wie Mensch und Pferd miteinander kommunizieren, welche Verhaltensweisen Pferde an den Tag legen. Und wir sprechen dann auch über neueste Forschungsergebnisse rund um dieses Thema. Ich selber habe auch sehr, sehr viel gelernt und ich glaube, egal welcher Reitweise man anhängt, das ist ein Podcast für jeden. Also, wir starten rein, los geht’s. Viel Spaß. Hallo im Podcast, Dr. Vivian Gabor.

[SPEAKER 2]Ja, hallo.

[SPEAKER 1]Schön, dass du da bist.

[SPEAKER 2]Ja, ich freue mich.

[SPEAKER 1]Du bist ja ganz spannend, muss man sagen, denn du bist zum einen Ausbilderin, man kennt dich von Demonstrationen auf großen Pferdemessen, aber du bist auch Wissenschaftlerin und bringst so ein bisschen diese beiden Welten zusammen, Pferdeausbildung und Wissenschaft.

[SPEAKER 2]Genau, also ich bin Biologin und ja, probovierte Pferdewissenschaftlerin. Ich habe bis zum Doktortitel sozusagen geforscht und bin immer noch in der Uni Göttingen in der Lehre tätig und zwar in der Verhaltensforschung und vor allem in dem Pferdeverhalten. Und das ist eben das Schöne daran ist, dass wir aus der Pferdewissenschaft tatsächlich ganz praktische Tipps für ein gutes Training herausnehmen können und dieses zu verknüpfen, ja habe ich mir so ein bisschen als Aufgabe gemacht, weil oft die Wissenschaftler so ein bisschen unter sich bleiben und die Praktiker und wenn man das mal verknüpft, dann entstehen eigentlich tolle Ansätze für ein pferdegerechtes Training.

[SPEAKER 1]Hast du eigentlich recht, das ist ein sehr abgetrennter Bereich, die Wissenschaft ist so für sich und selten wird dann Ich glaube, so in der Athletik wird mal was übernommen, dass zum Beispiel jetzt für Reiterabzeichner so ein bisschen Sport drin ist. Das kommt sicherlich auch eher so aus der Wissenschaft, dass man sagt, okay, der Reiter muss auch fitter sein. Aber du hast schon recht, es sind eigentlich zwei unterschiedliche Welten, Pferdeausbildung und Wissenschaft.

[SPEAKER 2]Ja und wie du gerade schon sagst, also in der Humanathletik im Sport werden zum Beispiel auch die Sportler natürlich auch mental betreut. Das heißt, es geht auch um ein Training, nicht nur Physiologie, sondern auch Psychologie. Und das kann tatsächlich noch ein bisschen mehr beachtet werden im Pferdetraining, denn der gute Sportler ist natürlich auch, ich sage mal, mental fit. Das muss jetzt nicht unbedingt ein Sportpferd sein, sondern auch im Freizeitpferdebereich, im Freizeitreiterbereich kann man einfach noch mehr darauf achten, dass das Pferd zum Beispiel nicht dauerhaft unter einem gewissen Stress steht, sondern mit einem, ich sag mal, gesunden Herausforderungen im Training, die es gut meistern kann, immer, man kann sagen, selbstwirksamer für neue Situationen wird. Und das ist tatsächlich wissenschaftlich erwiesen und aus der Humanpsychologie und das kann man in die Pferdepsychologie oder ins Training mit integrieren, wie kann ich das Pferd effektiv auch psychologisch trainieren?

[SPEAKER 1]Wie konkret forschst du an der Universität Göttingen? Ich meine, ich habe auch zwei Jahre in Göttingen studiert. Wenige wissen das. Ich war ein bisschen unter dem Radar in Göttingen. Aber da gibt es auch, glaube ich, die haben richtig an der Fakultät auch Shetland-Ponys.

[SPEAKER 2]Das waren quasi unsere Shetland-Ponys.

[SPEAKER 1]Gibt es hier nicht mehr.

[SPEAKER 2]Also die wurden wieder an Privat verkauft. Wir hatten damals tatsächlich 15 Shettys, die wir bei mir in der Verhaltenskunde beobachtet haben. Wir haben Lernapparaturen entwickelt für die Shetland Ponys und meine Arbeit ging soweit, dass wir zeigen konnten, dass Pferde, in dem Fall die Shettys, aber das ist übertragbar auf andere Pferde, abstrakt lernen können. Das heißt, ich habe einer Computerapparatur den Pferden beigebracht. den abstrakten Begriff der Gleichheit zu erlernen, eigentlich von Mustererkennung, also ein Kreuz ist gleich wie ein Kreuz und nicht einem Kreis. Und irgendwann bin ich in einer Anzahlerkennung. Ich konnte also in meinen Forschungen zeigen, dass Pferde zur Anzahlerkennung von der Anzahl 5 fähig sind und eine 5 von einer 4 unterscheiden können und eine 4 von einer 3. Das heißt, das ist natürlich ein Ergebnis eines langfristigen Lernprozesses. Ich habe anderthalb Jahre mit diesen Chatties trainiert. Dreimal die Woche, so und so viele Abläufe, aber das konnte es in Grundlagenforschung, die eben zeigen kann, Pferde sind zu hochkognitiven Leistungen fähig. Da könnte man jetzt sagen, okay, brauchen wir diese Information, dass Pferde zählen oder Anzahlen erkennen können im Training? Das vielleicht nicht. Aber das Wichtige dahinter an dieser Forschung ist, zu erkennen, das Gegenüber, mit dem wir hier trainieren, ist hochkognitiv. Das heißt, es ist nicht dumm, es ist nicht stumpf, man kann es nicht in die Ecke stellen und reizarm halten, sondern es ist sehr leidensfähig, wenn es keine Reize bekommt. Also es hat auch was mit dem Tierschutz zu tun, über diese Forschung mehr über das Pferd herauszubekommen. Und es hat auch was mit dem Training zu tun. Das heißt, alles, was schiefläuft, und wir sprechen gerne von Problempferden, liegt an einem sehr guten Lernverhalten der Pferde. Dass sie lernen, in bestimmten Situationen den Drucknachlass wieder zu erwirken. Selbst wenn es die Menschen abbockt, da ist der Druck dann vom Körper oder vom Rücken weg. Wenn es anfängt zu aggressiv zu werden. Erlernte Aggression ist ein sehr vom Pferde aus gesehen schlaues Verhalten, den Menschen von sich abzuhalten, damit ihm nichts passiert in der Obhut des Menschen. Und das sind ja Problempferde und jetzt kommen wir wieder zu dem praktischen Teil, den ich lehre oder auch als Trainer eben unterrichte. Warum passiert das Problemverhalten und wie können wir es ändern im Pferd? Also wie können wir eine Handlungsalternative in das Pferd bringen und es trotzdem, es geht ihm besser, wenn es was anderes macht und nicht wenn es uns abwehrt oder wegrennt oder so. Und da kommen wir eben schon zu dieser Verknüpfung, die ganz reell und praktisch den Menschen und vor allem den Pferden im Alltag helfen kann, wenn wir dieses Verständnis für das Pferd entwickeln.

[SPEAKER 1]Aber jetzt das Zählen. Wie kann ich das denn ganz konkret herausfinden? so gesehen wie das bei Menschenaffen, wie das gemacht wurde. Die haben natürlich eine ganz andere Gestik, die können irgendwo draufhauen und sagen, das ist jetzt 5 und das andere ist 3. Aber wie trainiere ich das denn bei Allshatties?

[SPEAKER 2]Also ich hatte einen Flachbildschirm und da wurden erstmal normale Symbole wie Kreuzkreis, bestimmte Rauten, also einfache geometrische Symbole präsentiert. Es gab immer wie so eine Dreiecksanordnung, oben war zum Beispiel ein Kreuz und das war das Sample, man nennt das Matching to Sample oder Wahl nach Muster. Und das obere Symbol hat angegeben, welches Symbol unten gedrückt wird. Und die konnten mit der Nase oder manchmal mit der Stirn gedrückt, Shettys konnten das ja machen wie sie wollen, konnten sie Buzzer drücken. Und diese Buzzer waren in der Nähe von diesen zwei Zeichen. Und als sie das Prinzip erlernt hatten, wähle einfach das Gleiche, was du oben siehst, konnte ich transferieren in abstrakte Zeichen, wie Notenschlüssel, Pis-Zeichen, Pi, was hatten wir noch? Also alles, was sie sicherlich davor noch nie gesehen hatten. Flugzeug auch. Es waren schwarz-weiß-Symbole mit der gleichen Schwarzfläche. Also man musste gucken, nicht dass sie nach der Helligkeit oder der Schwarzfläche unterscheiden. Das muss man schon noch gut ausrechnen, damit das auch wirklich wissenschaftlich fundiert anerkannt wird in den internationalen Journals. Und dann, als sie das konnten, war es recht leicht. Anzahl 1 gegen 2. Also ein Punkt gegen zwei Punkte. Ja, oben war jetzt ein Punkt. Wähle unten auch den einen Punkt und nicht die zwei Punkte. So ging es weiter. Zwei gegen drei. Drei gegen vier. Und du hast in der Wissenschaft natürlich bestimmte Abläufe, du kannst nicht sagen, ja ich hab das Gefühl es hat es gelernt, sondern das muss signifikant sein. Signifikant in der Statistik, das heißt die hatten 20 Entscheidungsdurchläufe pro Session und es mussten mindestens 16, also 80 Prozent richtig Entscheidungen sein in zwei aufeinanderfolgenden Sessions. Und dann kannst du statistisch beweisen, es ist gelernt und dann kamen sie in die nächste Stufe. Und ja, das war auch ein bisschen Arbeit mit den Shettys, aber sie waren hochmotiviert, weil sie irgendwann wussten, okay, ich kann das leisten. Und sicherlich kann das nicht ein Pferd in der Natur ad hoc, sondern es ist bestimmt ein Trainingseffekt gewesen. Aber da sieht man, zu was Pferde tatsächlich fähig sind.

[SPEAKER 1]Und diese Forschung werden dann auch wirklich in Journals, Veterinärmedizinische Journals, Pferdewissenschaftliche Journals, wo wird das dann veröffentlicht?

[SPEAKER 2]Sowas kommt zum Beispiel in Animal Cognition. Das heißt, da werden tatsächlich auch andere Studien präsentiert von Menschenaffen, was du erwähnt hast, Ratten, anderen Säugetieren. Es kommt ja immer darauf an, wo es dann veröffentlicht wird, aber das war schon ein hochkarätiges Journal. Da waren wir auch sehr stolz drauf, dass es so hoch veröffentlicht wurde. Das bedeutet halt, dass es wirklich geprüft wurde, dass es wirklich eine wissenschaftliche Studie ist. Und danach geht es dann eben auch in der Forschung.

[SPEAKER 1]Und was bedeuten solche Erkenntnisse für uns als Reiter?

[SPEAKER 2]Ja, so ein bisschen, was ich schon erwähnte. Einerseits zu gucken, was braucht das Tier. Also es braucht Reize, weil es kann Reize in seiner Umgebung sehr gut aufnehmen und unterscheiden. Es ist ein hoch soziales Tier. Da gibt es natürlich noch andere Studien. Sie können ihre Artgenossen sehr fein voneinander unterscheiden. Sie agieren und kommunizieren in einer ganz feinen Mimik und Gestik. Das ist auch wichtig für uns, wenn wir mit ihnen arbeiten, gerade vom Boden aus. Es gibt Forschungen, die zeigen, dass sogar Pferd und Mensch den Herzschlag bzw. die Herzfrequenzvariabilität synchronisieren können. Das heißt, Pferde sind fähig, von einem anderen Körper Spannung und Entspannung aufzunehmen. Das ist auch sehr wichtig fürs Reiten.

[SPEAKER 1]Die können quasi die Spannung absorbieren, könnte man sagen.

[SPEAKER 2]Ja, beziehungsweise sie bemerken die Spannung. Das ist ja in der Herdensynchronisation ganz wichtig. Das heißt, wenn ein paar Pferde angespannt ist, weil Gefahr droht, spannt sich die ganze Herde an und sie fliehen. Dann überlegen die nicht lange. Das ist quasi ein sehr reaktiver, instinktiver Prozess. Auf der anderen Seite entspannen sie auch, wenn die Herde entspannt ist, synchronisieren sich quasi die Herdenmitglieder und entspannen, weil sie haben am Tag nicht viel Zeit, ihre Ressourcen und ihre Energie aufzufüllen.

[SPEAKER 1]Fast wie so eine Schwarmintelligenz. Genau.

[SPEAKER 2]Und deswegen ist in der Evolution Gruppe, eine Gruppe oder Herde entstanden, weil natürlich jedes Individuum davon profitiert, in dieser Gruppe zu sein. Auch wiederum wichtig für uns als Menschen, die wir mit den Pferden agieren wollen, ja, es kann unsere Körperspannung, unsere Mimik und Gestik, da gibt es auch schon Forschung dazu, sie können die Gesichter von Menschen unterscheiden und auch, ob der Mensch angespannt ist oder nicht, sogar in der Mimik. Das heißt, sie nehmen unglaublich viel wahr und würden dementsprechend reagieren. Also entweder in der Skepsis und mit Flucht oder mit der Abwehr. Das heißt, wie wir dem Pferd gegenüber oder wie wir in die Begegnung gehen, das ist ausschlaggebend dafür, ob das Pferd sich wohlfühlt oder nicht wohlfühlt. Also tatsächlich nochmal auch in eine Reflektion zu kommen, was senden wir eigentlich durch unsere Körpersprache aus? Das ist so ein bisschen mein Hauptgebiet, diese Kommunikation. dann auch für Mensch und Pferd aufzunehmen, die sie in der natürlichen Herde nutzen. Und dazu gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse und das kann man ganz praktisch in das Training umsetzen.

[SPEAKER 1]Was ja total spannend ist, weil über diese Dinge, wenn ich jetzt erstmal in der klassischen Reitlehre bin, höre ich ja nie was.

[SPEAKER 2]Man hört Grundsätzlichkeiten, es wird mehr und es braucht natürlich auch bis solche wissenschaftlichen Erkenntnisse tatsächlich in den praktischen Lehrbüchern, wie Pferdewirt, Pferdewirtausbildung, Breiterausbildung landen. Da bin ich auch in engem Kontakt mit der FN, dass wir sagen, okay, wir überarbeiten immer wieder auch die Kapitel des Lernverhaltens. Da wurde jetzt auch schon viel erneuert und ergänzt, weil Lernverhalten und Wahrnehmung des Pferdes natürlich ein ganz wichtiger Punkt ist, auch Stresserkennung beim Pferd. Da gibt es Studien zu Schmerzgesichtern, das nennt sich Horse Grimace Scale, das heißt es ist erkennbar.

[SPEAKER 1]Pferdegrimassen-Skala.

[SPEAKER 2]Grimassen-Skala, wenn man das übersetzt. Das heißt da wurden Studien gemacht. Es ist am Gesicht des Pferdes zu erkennen, wie hochgradig ein Schmerz oder eine Anspannung im Pferd ist. von Punkten verteilt nach einer Operation mit und ohne Schmerzmitteln hinterher und so weiter. Da gibt es verschiedene Versuchsaufbauten. Das heißt, man kann da auch ganz viel ablesen. Und das bringt uns, wenn wir wieder den Bogen schlagen zu der Trainingspsychologie, können wir natürlich gucken, inwieweit ist das Pferd gerade unter Stress in einer neuen Lektion zum Beispiel. Das heißt nicht, dass der Stress vermieden werden soll. Das gibt es in der Human, im Lernverhalten, Ist ein Eustress, also ein guter Stress, der uns in eine Herausforderung bringt, Dinge lösen zu wollen, ganz wichtig. Sonst kann Lernen nicht stattfinden. Aber ein ständig andauernder Stress, ein sogenannter De-Stress, der Eustress oder De-Stress, so wird das genannt.

[SPEAKER 1]Das ist einfach die wissenschaftliche Bezeichnung dafür.

[SPEAKER 2]Man könnte sagen, der schlechte Stress, der lang andauernd ist und der Organismus kann diesen nicht mehr in der Rekonvaleszenz erholen. Sondern es ist unter einem Dauerrauschen an Stress. Und das verhindert tatsächlich Lernverhalten, Gedächtnisleistung, Muskelaufbau, der Stoffwechsel wird beeinflusst usw. Das heißt, der Organismus nimmt Schaden unter einem Dauerstress.

[SPEAKER 1]Das ist einfach so Dauerstress.

[SPEAKER 2]Wie bei uns auch, bei uns geht es dann in Richtung Burnout und so. Das kann man jetzt so beim Tier nicht direkt nachweisen, aber es gibt so Dinge wie eine Art von erlernter Hilflosigkeit, kann man sagen. Das ist bei Menschen in der Humanpsychologie auch sehr dicht mit der Depression verbunden. Das sind zum Beispiel eher Pferde, die nicht mehr viel agieren, sondern recht still wirken, aber trotzdem Stress haben. Das sieht man oft dann noch an der angespannten Mimik. tatsächlich oft Pferde, die als Schulpferde oder Therapiepferde eingesetzt werden, also die viel Reize aufnehmen müssen, eigentlich auch ruhige Charaktere sind. Aber da genau hinzugucken, sind die ruhig und entspannt oder ruhig und stehen unter Stress, weil das ein ganz bestimmter Bewältigungstyp ist, sagt man. Das ist so ein Passive Coper. Und die aktiven Bewältiger bei den Pferden, das hat man auch der Humanpsychologie entnommen, sind eher die agierenden, nach außen hin sehr aktiven Pferde. Da würde man Stress eigentlich einfacher erkennen. Und auch diese Formen aus der humanen Psychologie in diese Tierpsychologie oder die Pferde-Psychologie zu übertragen, macht Sinn, denn das Säugetier-Gehirn ist gleich aufgebaut. Wir haben die gleichen Botenstoffe, wir haben die gleichen Bereiche des Gehirns, unterschiedlich ausgeprägt. Zum Beispiel hat das Pferd ein größeres Kleinhirn, weil es ein guter Bewegungslerner ist. Das weiß jeder, der mal eine höhere Lektion Traversale, wie auch immer, dem Pferd beigebracht hat. Auch nach so und so vielen Wochen Pause kann es die abrufen, vielleicht nicht mehr in der Muskelkraft und nicht mehr in der Kondition, aber in der Ausführung. Das heißt, da ist ein Pferd besonders gut. Aber grundsätzlich Säugetiergehirne sind gleich aufgebaut, haben die gleichen Botenstoffe, haben die gleichen neuronalen Netzwerke, Cluster. Und deswegen kann man schon gewisse Dinge vom Humanbereich in den Pferdebereich übertragen. Nicht alles. Also Vorsicht vor Vermenschlichung. Aber wissenschaftlich gesehen werden sie wohl ganz ähnlich auch Gefühlsäußerungen haben wie wir. Das ist schwierig noch in der Wissenschaft zu beweisen, was ist wirklich gerade Freude, Ausdruck von Freude. Schmerz können wir schon ganz gut messen. Aber da ist die Forschung dran und es wird natürlich auch stetig interessanter, weil das Pferd ist natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor. Es geht auch darum, dass es eine gute Leistung erbringt, dass es nachhaltig ist. Aber gerade bei den Freizeitreitern merke ich auch, das Interesse gut mit seinem Pferd umzugehen, dieses zu verstehen, wird immer höher. Und das ist ja natürlich toll.

[SPEAKER 1]Früher hat man ja, ich nenne es mal in Anführungsstrichen früher, hat man gesagt, das Ohrenspiel ist wichtig, daran erkenne ich sehr viel. Ist das jetzt eine Erweiterung, ist das Ohrenspiel weiterhin wichtig oder? Weil jetzt hast du ja von dieser Pferdegrimassen-Skala gesprochen, die ja davon eigentlich weggeht.

[SPEAKER 2]Ja, tatsächlich werden die Ohren mit in die Mimik eingeschlossen. Also da gibt es verschiedene Ohrenstellungen und so. Das gehört tatsächlich noch zur Mimik des Pferdes dazu. Also ja, natürlich ist das wichtig. Auch die Ohren verraten den Fokus, also die Aufmerksamkeit auf bestimmte Reize. Da, wo die Ohrmuscheln hingerichtet sind, die haben ja quasi fast so ein fast Rundum-Radar mit ihren Ohren. Das heißt, man kann sehr gut sehen, wo die Aufmerksamkeit ist über die Ohren. Aber tatsächlich dürfte man, das sagen die Verhaltensforscher heute auch, nicht einzeln etwas, nur die Ohren rausnehmen, nur die Schweifhaltung, nur die Nüstern. Denn das Gesamtbild ist wichtig. Denn auch nicht jede angelegte Ohren heißt, es droht mir. Es kann einfach eine Spannung sein. ein bisschen noch mehr reinzugucken. Es ist eben komplex, weil sie so komplex miteinander kommunizieren können über die Mimik. Und deswegen ist es natürlich wichtig, das Pferd im Ganzen anzugucken, wenn man auch ein, man sagt so ein Welfaregrad, also zu gucken, ist da grundsätzlich, geht es dem grundsätzlich gut, wie oft zeigt es diese Mimikveränderung. Also da gibt es ja, kann man ja über längere Sicht tatsächlich so ein Pferd auch mal beobachten.

[SPEAKER 1]Jetzt ist ja häufig auch gerade der Spitzensport, Während wir sprechen ist es gerade Mitte August, Weltmeisterschaften in Herning, Spring und Ressort und die weiteren Disziplinen unter dem Dach der Weltmeisterschaft. Und das steht ja auch immer wieder in der Kritik von Tierschützern, die sagen, die Pferde dort sind unter Dauerstress. Aber man könnte ja quasi mit dem Ansatz, den du gerade dargelegt hast, kann man ja genau eigentlich feststellen, welches Stresslevel ist eigentlich individuell bei den Pferden da und wie siehst du diese Diskussion rund um den Tierschutzgedanken dabei?

[SPEAKER 2]Also grundsätzlich ist immer eine Momentaufnahme eine Momentaufnahme. Grundsätzlich kann man ein Tier ja über eine längere Frist mal beobachten und sagen, okay, diese Pferde sind ja auch vorbereitet für den Wettkampf. Die haben einen Trainingsplan, die werden oft überwacht vom Herzschlag, von den Cortisolwerten. Das heißt, die stehen unter einer sehr engmaschigen Überwachung, was Stress angeht. Natürlich müsste man das über einen längeren Moment beobachten. Wie kommen die auch wieder in die Rekonvaleszenz? Das heißt, wie schnell beruhigt sich so ein Herzschlag oder vielleicht eine angespannte Muskulatur wieder, wie es eben in manchen Bereichen des Pferdesports ist. Da wird ja wirklich beim Stuntsport zum Beispiel geguckt, wie schnell erholen sie sich und das stellt eigentlich den Trainings gradfestes Pferd. Das ist wie beim humanen Sportler auch. Also klar könnte man da noch mal, könnte man da so hingegen das mal beobachten über eine längere Zeit, um da Argumente für und wieder zu finden. Aber grundsätzlich sehe ich nicht den Spitzensport. Also klar wird das in der Öffentlichkeit kritisiert und sicherlich muss man über manche Dinge sprechen. Aber gerade auch im Freizeitbereich nicht. Alles was wir denken, das den Pferden gut tut, bedeutet, dass es gut für die Pferde ist. Zum Beispiel

[SPEAKER 1]Wir Menschen denken häufig, es ist gut.

[SPEAKER 2]Es ist gut, zum Beispiel menschliche Liebe zu geben, Nähe zu geben, das fährt lange zu streicheln, zu umarmen, ja, aber dafür kommt das vielleicht nicht dauerhaft zu Artgenossen oder wird nicht wirklich trainiert, die Muskeln werden nicht richtig aufgebaut, es geht vielleicht in Richtung Trageerschöpfung, wie auch immer. Man kann es nicht einfach sehen, der Sportlerpferd ist unter Stress, der Freizeitpferd ist entspannt. Überhaupt nicht. So sehe ich das gar nicht. Sondern, dass man in allen Bereichen wirklich genau hinguckt, das finde ich sehr gut. Vielleicht in einer gewissen Kontrolle mal guckt, okay, wie erholt sich so ein Pferd, wie steht das dann auch im Stall, ist es dann wirklich entspannt und wird wirklich zu seiner Aufgabe her unter einen gewissen Modus gesetzt, was jeder Humansportler ja auch wird. Aber dass man auch im Freizeitbereich guckt, was wird vermenschlicht und wann wird es dann vielleicht auch tierschutzrelevant. Also ich würde da eher über die gesamte Branche ein bisschen mehr Aufmerksamkeit mir wünschen, wie über eine längere Frist umfährt, wie es dem geht. Also wirklich wie so ein Welfare-Score oder so zu gucken. Also es hat ständig Zugang zu einem guten Futter, zu Artgenossen.

[SPEAKER 1]Ganz wichtig, die Artgenossen. Bewegung Artgenossen.

[SPEAKER 2]Genau, also das sind Grundbedürfnisse, die man nicht oft genug wiederholen kann. Grundkenntnisse zur Gesundheit des Pferdes. Natürlich sind Pferdemenschen interessiert, aber es fehlen zum Teil Grundkenntnisse zur Gesundheit und zur Haltung des Pferdes und zum Umgang. Sehe ich immer wieder und da kann sicherlich kann jeder Pferdebesitzer nochmal ein bisschen schauen, wo kann ich mich weiterbilden auch in bestimmten Bereichen. Und das würde ich mir schon ein bisschen wünschen. Und dass man ein bisschen selbstreflektierter an manche Situationen geht. Dem Pferd nicht die Schuld gibt, sondern man guckt, das ist eine menschliche Umgebung. Das Pferd hat sowieso einen Grundstress in manchen Situationen, in die wir es bringen. Und wie kann ich ihm da helfen? Und die Verantwortung habe ich, wenn ich mir ein Tier als Hobby oder zum Beruf oder für was immer auch anschaffe.

[SPEAKER 1]Das Spannende an dir ist ja, du bist ja nicht nur die Theoretikerin, die dann diese Journals verfasst oder die Paper und die Beiträge in der Wissenschaft, sondern du bist ja auch konkrete Praktikerin. Betreibst einen Hof in der Nähe Göttingens und bringst ja diese beiden Sachen auch zusammen. Also es ist nicht nur die ganze theoretische Arbeit, die wir jetzt sehr wunderbar hier ausbreiten können. Dieses Kommunikation zwischen Mensch und Wert ist dein Herzensthema.

[SPEAKER 2]Das ist mein Hauptberuf, genau. Also die Wissenschaft auf der einen Seite, aber ich selber bin selbstständige Referentin, Ausbilderin. Ich hab ein Institut gegründet, Institut für Verhalten und Kommunikation, wo ich verschiedene Dozenten aus Wissenschaft und Praxis Für die Lehre nutze Pferdemenschen zu unterrichten. Die können bei uns bestimmte Zertifikate machen, die können Lehrgänge machen, die können Pferdeverhaltenstrainer werden und so weiter. Also da gibt es so viele gute Pferdemenschen. Jeder hat seinen guten Bereich, wo er sich auskennt. Ob das die Anatomie ist, die Psychologie, die Fütterung, die Haltung. Und da kann eigentlich heutzutage jeder Pferdebesitzer auf sehr gutes Wissen zugreifen. Also nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen. Und das, wie du sagst, in die Praxis umzusetzen, dass es greifbar ist für den Pferdebesitzer, für den Trainer, die auch zu mir kommen und sich weiterbilden wollen. Das, finde ich, macht die Wissenschaft so spannend, die Pferdewissenschaft. Und die macht die so direkt umsetzbar. Also ob das ist, dass man weiß, in welchem Timing, in welcher Sekunden Zeitspanne? Muss ich einem Pferd was beibringen, damit es es noch assoziieren, also verknüpfen kann? Was ist eigentlich wirklich Sensibilisierung? Was für ein Lernverhalten ist das? Was ist Konditionierung? Mit was gehen wir eigentlich unbewusst um und wundern uns dann vielleicht, dass das Pferd Dinge tut, die wir nicht wollen? Ja, weil es das gut gelernt hat. Das können wir auch umlernen lassen. Also wir können uns da ganz praktisch helfen. die Lerntheorie anzuwenden und das ist nicht hoch kompliziert. Man muss sich ein bisschen reinarbeiten, aber das macht Spaß, weil das einfach so gut umsetzbar ist. Und das wäre toll, wenn sich noch mehr Menschen für das Verhalten, für die Emotionen, für das Innere des Pferdeskopfes eigentlich interessieren würden. Weil dann machen Pferde so viele tolle Dinge mit uns, weil wir sie noch ein bisschen anders verstehen können. Das hat ja auch viel mit Empathie zu tun. Und das heißt nicht nur seine Bedürfnisse daran messen zu wollen, wir gehen aufs Turnier oder in den Wald ausreiten, sondern hat das Pferd wirklich da gerade was davon oder ist das unter Stress? Wie kann ich dem noch helfen? Also das macht einfach ein ganz praktisch gutes Training noch aus oder eine gute Partnerschaft, wie eigentlich ein Sportler und ein Freizeitreiter sich das wünscht von seinem Pferd.

[SPEAKER 1]Was sind so die drei, vier größten Fehler, die Menschen in der Kommunikation mit ihren Pferden machen?

[SPEAKER 2]Also ich sehe schon die Vermenschlichung, würde ich sagen, als Fehler in Anführungsstrichen, dass wir denken, nur weil ich Nähe und Schmusen oder wie auch immer gut finde, findet das Pferd auch. Nein, das ist eine andere Spezies. Sie lebt in einer anderen Lebensform.

[SPEAKER 1]Anders als der Hund auch. Der Hund ist domestiziert worden von uns.

[SPEAKER 2]Ja, das Pferd ist auch domestiziert, aber nicht in der Weise, dass es so gezüchtet wurde, mit den Menschen zusammenzuarbeiten. Ja, es gibt natürlich schon bestimmte Rassen, die darauf aus sind, im Stierkampf, im Cutting und so weiter mit den Menschen. Aber letztendlich ist das Wichtigste für ein Pferd, das Sicherste noch immer die Herde. Beim Hund, der fühlt sich auch wohl in der Menschengruppe sozusagen. Und das ist im Prinzip von der Lebensform ja auch eher ein Jäger, so ein bisschen wie der Mensch auch und das Pferd ist ein Fluchttier, das ist ein Opfertier, das ist etwas anderes. Und wenn wir jetzt versuchen diese zwei Spezies zusammenzubringen, dürfen wir, klar können wir, was wir vorhin sagten, gewisse Gehirnstrukturen und Gehirnphysiologie vergleichen und bestimmte Ausprägungen der Psychologie. Aber die Lebensform des Pferdes ist grundsätzlich eine andere des des Menschen. Das heißt, Vermenschlichung kann dazu führen, auch bei großer Pferdeliebe, dass das Tier unter Stress lebt. Und tatsächlich auch beim Menschen, der sein Pferd sehr liebt, in dieser Zeit unter Stress steht. Obwohl das der Mensch vielleicht gar nicht erkennt oder nicht erkennen will. Also Vermenschlichung einerseits, dann, ich sage mal, sich selber zu reflektieren, was bringe ich in der Kommunikation, die immer ein Informationsaustausch von mindestens zwei Individuen ist, was bringe ich da rein? Vorhin hatte ich erst eine, die mich gefragt hat, ja, wie ist das denn, wenn mein Pferd immer wegläuft, wenn ich komme? Aber ich will doch mit jemandem arbeiten, da minde ich mich nicht gern oder so. Insofern auch Sachen persönlich zu nehmen und dann vielleicht nicht gucken. Aber wenn ich da hingehe zur Koppel, was für eine Ausstrahlung habe ich gerade. Saß ich im Büro und habe mich über meine Kolleginnen oder Kollegen aufgeregt und gehe mit der Körperspannung rein, wo das Pferd als Flugtier sagen würde, okay, heute mit dir nicht.

[SPEAKER 1]Wo wir wieder auch dabei sind, dass das Pferd das ja aufnehmen kann, auch vom Menschen.

[SPEAKER 2]Richtig, genau, von der Körperspannung. Und dann wird es natürlich als Flucht die Skepsis und solange es noch fliehen kann, wird es das tun. Der Mensch wird immer vielleicht wütender, warum kommst du heute nicht? Ich wollte doch Entspannung mit dir und das rennt noch mehr. Also dieses Verständnis für das Gegenüber und eben zu gucken, woran habe ich gerade mein Zutun in dieser Kommunikation. Also diese Selbstreflexion würde ich als zweites auf jeden Fall. Und ja, vielleicht auch manchmal seine eigenen Bedürfnisse höher zu stellen als die des Pferdes. Also zu sagen, ich möchte mich jetzt sportlich messen und dafür ist dieses Pferd jetzt da. Und ich gar nicht genau gucke, ist es in der Lage von seinem Exterieur, von seinem Ausbildungsstand, von seiner Rasse auch das leisten zu können. Es hat mich so lieb angeguckt, deswegen habe ich es gekauft. Aber ist es denn wirklich für die Dressur oder die Raining oder was man immer auch machen will mit dem Pferd geeignet? Oder überfordere ich es eigentlich schon dadurch, dass ich mein Bedürfnis darüber stelle? Also es hat schon was mit Unterschied Mensch Pferd zu tun und die sind schon auch zu akzeptieren, dass sie halt keine Menschen sind.

[SPEAKER 1]Und die Selbsteinschätzung auch. Am Ende ist der Mensch auch verantwortlich für das Pferd und wie es dann auch eingesetzt wird, weil ich kann am Ende Salopp gesagt, aus einem Trabi auch kein Porsche machen, das gilt ja in gewisser Weise für das Pferd auch, im positiven Sinne, dass man jetzt sagt, okay ein Quarter Horse setzt sich vielleicht nicht in einem L-Spring ein, weil dann brechen sich wahrscheinlich Mensch und Pferd die Gräten.

[SPEAKER 2]Genau, also da so eine gesunde Selbsteinschätzung und Einschätzung des Gegenübers, also des Tieres zu haben und fair zu bleiben, weil vielleicht hat das ganz andere Talente dieses Pferd, aber vielleicht nicht die, die wir haben wollten. Das müssen wir erkennen und wir können, wie du sagst, nicht das eine ummodeln, das hat ja auch mit muskulärem Aufbau, das hat was mit roter und weißer Muskulatur zu tun. Das heißt, Rassen haben bestimmte Muskelzellen, die für entweder für den Sprinter oder den Marathonläufer gemacht ist. Das gibt es bei Menschen ja auch, nur wir haben Rassen dahingehend gezüchtet.

[SPEAKER 1]Das merke ich beim Joggen auch jedes Mal.

[SPEAKER 2]Du bist doch eher der Marathon-Typ.

[SPEAKER 1]Ich bin der Marathon-Typ.

[SPEAKER 2]Ich bin eher so der Kurzstrecken-Leute, glaube ich. Also letztendlich gibt es bei Menschen auch und da auch zu gucken, wann überfordere ich das Pferd, obwohl vielleicht der Nachbar, der macht das doch und das überfordert das Pferd nicht. Und warum kann ich das nicht? Und dann bringt man eine Emotion und eine Frust mit ins Training, was wiederum Spannung bedeutet. Und das Pferd versteht es vielleicht nicht und wehrt sich dann. Und dann ist es der böse Gaul, sage ich mal. Nein, der hat ja recht. Das Pferd hat halt recht in seinen Aktionen, die es macht. Und da nochmal ein bisschen auch nicht vermenschlichen zu sagen, der veräppelt mich oder der nur, weil ich gestern das gemacht habe, macht er heute mit mir das. Der ist nachtragend und solche Sachen. Das ist wieder Vermenschlichung, die auch zu keinem guten Umgang zum Teil führen könnte.

[SPEAKER 1]Glaubst du, dass dieser ganze wissenschaftliche Bereich, auf dem das basiert und fundiert, dass da in der Zukunft noch viel mehr Erkenntnisse auch kommen werden?

[SPEAKER 2]Also ich merke auch in der Forschung für das Pferd oder um das Pferd, dass natürlich anders jetzt als in der Forschung der Medizin oder für Dinge, die der Mensch braucht, weniger Gelder da sind. Und das schade ist natürlich, weil es bringt jetzt die Menschheit, sage ich mal, nicht weiter, ob wir wissen, wie ein Pferd lernt oder nicht. Das ist natürlich in unserer Branche wichtig. Aber das ist für uns Forscher insofern ein bisschen schwer, dass dann natürlich nicht die Gelder, um die Tiere immer gut anzuschaffen, dann brauchen wir vielleicht eine Lernapparatur, die muss gebaut werden, da müssen wir auch Personal haben und so weiter. Also es kostet Geld, das ist einfach so. Und ich hoffe oder es wird sicherlich die Kognitionsforschung weitergehen bei den Pferden. Aber das ist sicherlich auch ein Teil, wo wir Forscher immer so ein bisschen insofern mit zu kämpfen haben, dass wir gern mehr machen würden, was manchmal nicht unbedingt möglich ist. Aber es gibt die Pferdewissenschaften ja nicht nur in Göttingen, sondern auch in anderen Städten.

[SPEAKER 1]Niederlande, glaube ich, recht stark.

[SPEAKER 2]Es gibt Bachelor-Studiengänge, Master-Studiengänge. Auch in Richtung Pferdewirtschaft. Es gibt immer mehr Wissenschaft um das Pferd. Das zeigt ja schon, dass es in den letzten Jahren mehr geworden ist, diese Studiengänge, dass in der ganzen Branche eben auch, das ist ja nicht immer nur Pferdeverhalten, das hat ja auch mit der Wirtschaft was zu tun, Aber dass dieser Sektor fährt, auch Wirtschaftsfaktor, sehr wichtig auch in Deutschland eingeschätzt wird und dass hoffentlich auch weltweit und in Deutschland diese Lern- und Verhaltensforschung natürlich auch noch weiter betrieben wird. Aber das hoffe ich natürlich sehr.

[SPEAKER 1]Also die Wirtschaftlichkeit hängt logischerweise immer so ein bisschen auch damit zusammen. Wie du sagst, man sieht es ja nur an den mRNA-Impfstoffen jetzt bei Corona, da war einfach ein unglaublich großer Markt, auf einmal war unglaublich viel Forschung in dem Bereich und dann können auch schnellere Durchbrüche erzielt werden, während das natürlich im Pferdebereich deutlich, deutlich bescheidener alles ist.

[SPEAKER 2]Genau, aber es geht voran und letztendlich die Kenntnisse, die wir bislang haben, ich sage mal von den letzten 20, 30 Jahren, die diese Kognitionsforschung wirklich schon gut vonstatten geht oder die Verhaltensforschung beim Pferd, da sind also die wichtigsten Erkenntnisse für einen guten Umgang, die haben wir eigentlich schon. Also inwieweit jetzt welche Botenstoffe wie gesendet werden, manche Sachen ist für den Praktiker auch nicht so relevant. Aber die Kommunikation, das Lernverhalten, Stressabschätzung, wie viel welcher Stress, Schmerzgesichter, das ist ja schon da. Und eigentlich, das wäre schon toll, wenn wir das mal in die Praxis umsetzen könnten, mehr in die Praktiker rankriegen, dann wäre schon unglaublich viel fürs Tierwohl gewonnen.

[SPEAKER 1]Merkst du, dass viele Ausbilder auch auf dich zukommen und sagen, hey, Vielleicht muss ich mich auch weiterentwickeln als Ausbilder, was ist so der aktuelle wissenschaftliche Stand oder ist da so der Ausschuss von den Ausbildern gar nicht so da zu dem Thema?

[SPEAKER 2]Doch, also die, die sowieso sich für den Teil oder diese Linie interessieren, mehr in die Psychologie zu gucken. Da gibt es ja schon ganz tolle, auch Praktiker, die müssen ja keine Wissenschaftler sein und toll mit den Pferden und pferdegerecht zu arbeiten. Aber tatsächlich merke ich, dass Ausbilder kommen und sagen, okay, ich würde das gerne noch on top, weil ich natürlich damit auch noch andere Erklärungsansätze für den Pferdebesitzer habe. Auch, dass der Pferdebesitzer versteht, warum er was anders machen darf und nicht die Schuld dem Pferd gibt. Das heißt, da freuen sich tatsächlich, es kommen ja auch Ausbilder, um bei mir die Lehrgänge zu machen und die können natürlich nochmal anders fundiert Erklärung und Training ansetzen für, sag ich mal, den Endkunden, in dem Fall den Besitzer. Und weil immer mehr Interesse darin besteht, mehr über das Pferd zu wissen, auch von Besitzerseite aus, was natürlich toll ist.

[SPEAKER 1]Einen Begriff habe ich mir auf mein Sättelchen geschrieben, nämlich Übersprungshandlung. Darüber müssen wir noch einmal sprechen.

[SPEAKER 2]Genau, die Übersprungshandlung ist ein Verhalten, was wir Menschen, also wir Säuger und Pferde zeigen können, die manchmal, und deswegen ist es ganz spannend darüber zu sprechen, als eher lustig anerkannt werden und eigentlich einen ernsthaften Hintergrund haben. Zum Beispiel, wenn Pferde so mit den Lippen wackeln oder mit dem Kopf wackeln oder mit der Zunge irgendwie durch die Zähne ziehen oder so. Also eine Übersprungshandlung entsteht, wenn das Pferd in dem Fall in zwei Antrieben, gegenteiligen Antrieben, eine Ambivalenz ist so, gut, schlecht, Fluchtkampf.

[SPEAKER 1]Will ich bleiben, will ich gehen.

[SPEAKER 2]Will ich bleiben, will ich gehen. Stress ist kein Stress. So, da gähnen die manchmal auch oder so. Und manchmal da wird gern gelacht. Und dann denke ich, okay, sieht zwar lustig aus, aber warum macht das Pferd das gerade, warum tut das? mit den Lippen komische Dinge oder nabbelt so ein bisschen an der Haut vom Menschen rum. Manche finden das ja sogar als angenehm. Nein, aber das Pferd hat einen gewissen Stressmoment, den man erkennen darf und auch da die Ursache finden kann, warum ist er gerade ambivalent. Also als Beispiel vielleicht bei Menschen, wir stehen an der Kreuzung, wissen nicht, mit dem Auto links oder rechts fahren und wir kratzen uns am Kopf, aber es hat nicht gejuckt. Das heißt, das ist eine Übersprungshandlung. Wir haben ein Ventil für so eine innere Motivation, die noch nicht so zielgerichtet ist. Und tatsächlich gibt es das beim Pferd oft. Manche scharren, manche kratzen sich mit dem Maul am Bein. Also oft tatsächlich sind Übersprungshandlungen beim Pferd oral, also mit den Lippen, mit dem Maul. Und das zu erkennen, würde ja auch schon fördern, ah, das ist gerade nicht lustig und das Pferd hat Spaß, sondern das Pferd hat gerade Stress. Das heißt, wie kann ich dem Tier helfen, aus diesem Stressmoment rauszukommen? Da wird auch gern vermenschlicht und sagt, wenn wir lustige Sachen machen, dann machen wir halt ein Späßle. Aber das Pferd, da ist das ein ernster Hintergrund. Da kann man einfach auch aufklären und zu gucken, wie kann ich dem Pferd auch noch Training angenehmer gestalten. Dann lernt es sogar noch besser und man ist sogar erfolgreicher in dem, was man ihm beibringen will. Ob es Sport oder Freizeit ist. Wenn sie gute Lernbereitschaft zeigen, kann ich auch ganz tolle Dinge mit dem Pferd machen.

[SPEAKER 1]Und ich glaube auch viele Redewendungen jetzt bei Menschen kommen, die Haare raufen ist ja auch etwas, da ist man häufig im Zwiespalt, links oder rechts.

[SPEAKER 2]Haare raufen ist auch eine Übersprungshandlung.

[SPEAKER 1]Man fasst sich an die Haare oder greift sich da rein, ist ja genau dasselbe, ist am Ende eine Übersprungshandlung.

[SPEAKER 2]Genau. Und es ist ein Übersprung, deswegen heißt das so, dass es keine Handlung ist, die gerade zielgerichtet ist, sondern diese Ambivalenz sozusagen.

[SPEAKER 1]Das eine springt aufs andere über, oder?

[SPEAKER 2]Aufs andere über, genau. Und das kann tatsächlich beim Pferd auch zur Verhaltensstörung werden, weil stehen die irgendwann auf dem Paddock und ziehen immer die Zunge durch die Zähne und dann wundert man sich. Oder auch so Saughandlungen, also die von irgendwelchen Stressmomenten auch kommen können. Also da einfach genauer hinzugucken und es nicht als gegeben zu nehmen und sagen, das macht er halt, das ist so seine Eigenart, sondern nochmal zu gucken, Moment mal, wie kann ich dem vielleicht helfen, dass es dem besser geht?

[SPEAKER 1]Am Ende eines jeden WIOS-Podcasts haben wir die vier klassischen Podcast-Fragen. Die blühen jetzt natürlicherweise auch dir. Und ich habe eben schon gesagt, in dem Raum, in dem wir uns befinden hier, sind schon viele Podcasts entstanden. Wir sind gerade in Mannheim. Hier auf dem MaiMarkt-Gelände sind schon Podcasts unter anderem mit Simone Blum, André Thieme, Katja Schnabel und einigen weiteren entstanden. Die alle haben natürlich auch diese Fragen bekommen. Du jetzt auch. Frage Nummer eins. Hast du ein Motto, nach dem du lebst?

[SPEAKER 2]Schaue immer auf dich selbst, wenn was im Außen nicht funktioniert.

[SPEAKER 1]Frage Nummer zwei. Gibt es einen Menschen, der dich im Hinblick auf die Pferde- und Reiterei besonders geprägt hat?

[SPEAKER 2]Tatsächlich müsste ich ganz viele nennen. Es gibt nicht einen, sondern ich sehe ganz oft und immer wieder Pferdemenschen, die mich begeistern und wo ich immer ein Teil für mich mitnehmen kann.

[SPEAKER 1]Aber so die eine Person? Gibt es da so?

[SPEAKER 2]Das könnte ich tatsächlich nicht so sagen, weil ich auch nicht so das Gefühl habe, nach jemandem zu arbeiten, sondern immer offen bleibe und immer noch gucke, was kann ich noch dazunehmen von den Menschen, die mir begegnen.

[SPEAKER 1]Frage drei. Wenn du Reitern beziehungsweise Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihren Pferden mit auf den Weg geben könntest, was wäre es?

[SPEAKER 2]Im Prinzip ähnlich des Mottos. Wenn was nicht klappt, was bringst du rein und sei empathisch mit deinem Gegenüber, also in dem Fall dem Pferd.

[SPEAKER 1]Und zum Abschluss vervollständige diesen Satz, Pferde sind für mich.

[SPEAKER 2]Ein großer Teil meines Lebens.

[SPEAKER 1]Eine sehr spannende Reise durch die Pferde-Psychologie- und Verhaltensforschung. Ich fand das extrem spannend Vivien. Und vielen Dank.

[SPEAKER 2]Ja, sehr gerne.

[SPEAKER 1]Ciao, ciao. Tschüss. Schön, dass du dabei warst. Du findest uns auf allen gängigen Podcast-Plattformen und wir freuen uns natürlich über dein Feedback. Schreib uns gerne an podcast@wehorse.com. Diese Folge wurde produziert von Mara Landwehr, vorbereitet von Josefine Lindner. Mein Name ist Christian Kröber und wir hören uns bei der nächsten Folge des wehorse Podcasts.

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