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#86 Landstallmeister Henning Frevert: Tradition vs. Moderne

Henning Frevert ist Landstallmeister am Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse). Neben den klassischen Gestütsangelegenheiten wie Pferdezucht und Hengsthaltung, fallen auch die Ausbildung, ein Forschungsinstitut und die Landwirtschaft in seinen Aufgabenbereich.

Im Gespräch mit Christian Kröber erzählt er, dass das Gestüt sowohl die Tradition der preußischen Gestütsverwaltung weiterführe, aber auch den Sprung in die Moderne schaffen müsse. Und das tut es auch, den Samen des Ausnahmehengstes Quarterback verschickt das Gestüt beispielsweise in die ganze Welt. Außerdem können Körungen und Auktionen durch das Internet der weltweit zugänglich gemacht werden.

In dieser Podcastfolge spricht der Landstallmeister über die verschiedenen Aufgaben und Ziele, die das Haupt- und Landgestüt schon seit Jahrzehnten hat. Außerdem erzählt er, wie er selbst mit dem Thema Zucht in Kontakt gekommen ist.

Podcast Transkript

Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.

[SPEAKER 2]Herzlich willkommen zur neuesten Folge des wehorse Podcasts. Mein Name ist Christian Kröber und heute geht es in die Welt der Zucht auf das brandenburgische Haupt- und Landgestüt von Neustadt an der Dosse, wo ich mit dem Landstallmeister Henning Frevert, der frisch in dieses Amt hineingekommen ist, über die Rolle der Landgestüte spreche, die es ja nicht nur in Brandenburg, sondern in vielen Bundesländern Deutschlands gibt und auch wie die Verbindung der großen Tradition der Landgestüte, nicht nur Neustadt-Dosse, mit der Moderne gelingt. Wie du sicherlich weißt, sind wir immer auf der Suche nach motivierten Menschen, die Lust haben, gemeinsam mit uns richtig was zu bewegen. Derzeit haben wir wieder einige Stellenausschreibungen offen, zum Beispiel suchen wir Redakteure oder Softwareentwickler. Und falls du dich interessierst oder jemanden kennst, der in Frage kommen würde dafür, Infos gibt es auf jobs.wehorse.com. Nun viel Spaß mit Landstallmeister Henning Frevert.

[SPEAKER 1]Hallo Henning. Hallo Christian.

[SPEAKER 2]Schön, dass du da bist.

[SPEAKER 1]Ich freue mich auch.

[SPEAKER 2]Wir sind in Neustadt an der Dosse im Haupt- und Landgestüt quasi auf historischem Boden könnte man sagen.

[SPEAKER 1]Ja, das kann man auf jeden Fall so sagen. Das Gebäude, in dem wir hier sitzen, ist 230 Jahre alt.

[SPEAKER 2]Du bist Landstallmeister hier in Neustadt an der Dosse seit einigen Jahren und das ist das Haupt- und Landgestüt Brandenburgs.

[SPEAKER 1]Ich bin jetzt ganz aktuell, ganz frisch Landstallmeister. Oh, ganz frisch sogar. Seit Februar quasi. 1. Februar war mein erster Tag offiziell im Amt als Landstallmeister. Ich bin aber schon seit fünf Jahren hier in Neustadt und habe hier vorher andere Aufgaben.

[SPEAKER 2]Also Asche auf mein Haupt, Gratulation.

[SPEAKER 1]Danke. Vorher schon andere Aufgaben hier im Gestüt gehabt.

[SPEAKER 2]Du bist seit über fünf Jahren hier insgesamt.

[SPEAKER 1]Genau.

[SPEAKER 2]Was macht ein Landstallmeister?

[SPEAKER 1]Der Landstallmeister ist im Prinzip für alles verantwortlich im Gestüt, was sich um das Thema Pferd bewegt. Also das ist nicht nur die Pferdezucht und die Hengsthaltung. Das ist bei uns auch die Ausbildung. Wir haben ein Forschungsinstitut mit der Uni Wien zusammen, eine Landwirtschaft. Alles, was unmittelbar mit dem Pferd zu tun hat, ist am Ende im Verantwortungsbereich des Landstallmeisters.

[SPEAKER 2]Wir müssen vielleicht noch für alle, die nicht so bewandert sind von unseren Zuhörern, mit dem Thema Landgestüte vielleicht einmal größer ausholen. Es gibt ja über ganz Deutschland verteilt Landgestüte. Zum Beispiel Marbach gibt es in der Nähe Stuttgarts. Es gibt Schweiganger in Bayern, Redevieh in Mecklenburg-Vorpommern und halt auch Neustadt an der Dosse. Vielleicht magst du uns einmal kurz noch durchführen. Landgestüte. Was ist das eigentlich?

[SPEAKER 1]Also Landgestüte sind im Prinzip staatliche Gestüte, die so ein bisschen die Tradition der preußischen Gestütsverwaltung weiterführen. Das war im Prinzip der wesentliche Bestandteil, während Schweiganger und Marbach natürlich da nicht dazugehört haben, aber auf dem ähnlichen Prinzip beruhen. Landgestüt sagt, es werden Hengste gehalten. Hauptgestüt sagt, es werden Stuten gehalten. Und Haupt- und Landgestüt ist dann die Kombination aus beidem. Das gibt es wie bei uns in Neustadt noch in Marbach und in Schweiganger. Die sind auch Haupt- und Landgestüt. Und in Sachsen gibt es zum Beispiel ein Landgestüt in Moritzburg und ein Hauptgestüt in Graditz.

[SPEAKER 2]Also das quasi die Erfüllung auch des Auftrags, der es früher beispielsweise in Preußen gab, Pferde für die Kavalerie auch zu züchten.

[SPEAKER 1]Das ist so die historische Grundlage der Gestüte, ja. Die Qualität der Pferdezucht in den Ländern zu verbessern, um dann tatsächlich ja für die Armee und die Soldaten genug Pferde zur Verfügung zu haben. Aber ja auch, dass die Bauern ihre Pferde für die Arbeit im täglichen Leben haben und entsprechend gute Beschäler dafür zur Verfügung zu stellen.

[SPEAKER 2]Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das ein bisschen verändert. Es wurde natürlich nicht mehr, weil einfach die Maschinisierung auch der Landwirtschaft kam und die Sportradare aufkam, hat sich das verändert?

[SPEAKER 1]Das hat sich verändert, ja. Es ist aber so gewesen, dass zum Beispiel manche Regionen sowieso schon sehr auf die Produktion, auch wenn das ein doofes Wort ist, von Pferden für die Armee, das waren ja Reitpferde in dem Sinne. Deshalb gibt es ja auch die Kaltblüter zum Beispiel, schwere Warmblüter. Das ist ja schon von vornherein in verschiedenen Nutzungsrichtungen gedacht gewesen. Unser Zuchtgebiet hier umfasst eigentlich traditionelle Kaltblutregionen, zum Beispiel die Altmark ist eine ganz bekannte Region für die Kaltblutzucht, wo wir auch immer noch Kaltbluthengste stationieren. Und andere Regionen wie dann hier zum Beispiel die Prignitz, wo schon immer dann Warmblüter auch von hoher Qualität gezüchtet worden sind.

[SPEAKER 2]Also eure Aufgabe ist es auch, diese Rassen zu bewahren am Ende auch, vor dem Aussterben, oder?

[SPEAKER 1]Genau, also gerade das rheinisch-deutsche Kaltblut ist eine vom Aussterben bedrohte Haustierrasse. Und das ist dann zum Beispiel auch ein Aufgabengebiet von einer staatlichen Hengsthaltung, solche Rassen dann zu erhalten, zum Beispiel indem da Hengste für die Züchter zur Verfügung gestellt werden.

[SPEAKER 2]Und damit untersteht ihr dann dem Landwirtschaftsministerium, glaube ich, oder?

[SPEAKER 1]Wir sind eine Stiftung öffentlichen Rechts. Das ist in jedem Bundesland ein bisschen anders, je nachdem wie da die Strukturen sind. Und hier in Brandenburg ist 2001 das Gestüt quasi in eine Stiftung überführt worden, sodass wir einen Stiftungsrat haben, aber natürlich auch weiterhin dann die enge Beziehung zur Politik. Im Stiftungsrat sind zum Beispiel dann Vertreter aus dem Landwirtschaftsministerium, aus dem Wirtschaftsministerium, aus dem Finanzministerium, aber zum Beispiel auch der Vorsitzende vom Pferdezuchtverband und ein Vertreter hier von der örtlichen Politik.

[SPEAKER 2]Aber man merkt ja schon, wenn man jetzt hier in Neustadt-Doss ist, aber bei vielen anderen Landgestüten ja genauso, diese große Tradition und Historie, auf der einfach diese Pferdezucht an diesen Orten auch aufgebaut ist.

[SPEAKER 1]Auf jeden Fall, das ist so. Das ist ganz viel Tradition, die da auch gelebt wird und die dadurch auch erhalten wird. Und trotzdem muss man dabei aber auch irgendwie den Sprung in die Moderne schaffen und darf nicht nur in der Vergangenheit sitzen bleiben, sondern muss da auch sich immer wieder überlegen, wie man sich an aktuelle Entwicklungen anpasst, wie man up to date bleibt und sich so immer weiterentwickelt, ohne dabei seine Wurzeln zu vernachlässigen.

[SPEAKER 2]Wie geht das dann konkret? Also ihr stationiert Hengste im Land, ihr seid jetzt für Brandenburg ja verantwortlich.

[SPEAKER 1]Genau, also unser Zuchtgebiet ist Brandenburg-Anhalt. Das heißt Sachsen-Anhalt und Brandenburg bilden zusammen ein Zuchtgebiet und das gehört aber wiederum zum deutschen Sportpferd, sodass da dann auch zum Beispiel Sachsen-Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg am Ende alles sich unter der Marke DSP trifft.

[SPEAKER 2]Aber ihr als Landgestüt seid ja dafür verantwortlich, Hengste aufzustellen, die dann von Züchtern genutzt werden.

[SPEAKER 1]Genau, also die Hengste stationiert sind tatsächlich dann bei uns in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt, aber wir verschicken natürlich deutschlandweit den Samen unserer Hengste und auch weltweit. Zum Beispiel Quarterback ist weltweit gefragt, da verkaufen wir Samen bis in die USA, Australien, Neuseeland, überall ist der Hengst gefragt und das ist dann nicht nur regional Brandenburg-Anhalt, sondern da gibt es dann auch eine Strahlkraft darüber hinaus.

[SPEAKER 2]Jetzt hast du ja Quarterback genannt, sicherlich eines eurer Aushängeschilder, züchterisch, aber es ist ja schon auch ein breiter Spagat zwischen der Sportschiene und dann aber auch den Kaltblütern beispielsweise. Das ist ja auch eigentlich der Reiz fast an so einem Landgestüt, dass man nicht nur in eine Richtung geht, sondern die Palette abbildet.

[SPEAKER 1]Genau, wir haben wirklich eine breite Bandbreite. Wir haben die Kaltblüter, wir haben Hafflinger, wir haben Trakener, wir haben Reitponys und wir haben dann die Sportpferde in Dressur und Springen Spate. Also das ist wirklich die ganze Kollektion quasi abgedeckt in verschiedenste Richtungen und dann auch immer unter dem Aspekt für alle irgendwie ein Angebot machen zu können. Wenn jetzt für den privaten Gebrauch der Züchter sagt, ich möchte aus meiner Stute, die habe ich jetzt zehn Jahre im Sport geritten und die soll jetzt nochmal einen Fohlen haben, damit ich da mit weitermachen kann. Für den muss genauso ein passendes Angebot da sein, wie für jemanden, der sagt, okay, ich möchte auf einem hohen Niveau reiten oder ich züchte Sportpferde mit der Hoffnung, dass die irgendwann mal international mithalten können. Das ist auch so unser Anspruch, für alle ein Angebot machen zu können.

[SPEAKER 2]Jetzt von diesen vom Aussterben bedrohten Kaltblütern, wie viele von denen gibt es denn da noch so?

[SPEAKER 1]Da kann ich jetzt keine Gesamtzahl sagen, aber ich glaube die Stutenzahl in unserem Zuchtgebiet ist so um die 200. Also das sind tatsächlich nicht so viele, aber deshalb ist das auch zusammengefasst worden als Rasse Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Da gibt es dann zum Beispiel ja auch Bestände im Rheinland und in Westfalen und so weiter.

[SPEAKER 2]Nun hast du ja richtigerweise schon erklärt, was Haupt- und Landgeschütz ist, also ihr habt Hengste und Stuten. Jetzt sind wir ja eben hier reingefahren mit dem Auto und man hat ja schon die ganzen Stuten gesehen. Also es ist tatsächlich auch nicht nur das Angebot an die Züchter, die irgendwo sind, sondern ihr züchtet auch selber.

[SPEAKER 1]Genau, wir züchten selber und das ist auch ganz wichtig für uns. Wir haben so ungefähr 35 Stuten in der Zucht. Das erste Fohlen dieses Jahr ist schon geboren, die nächsten kommen jetzt bald in den nächsten Tagen. Das geht jetzt gerade los. Wir haben diese Stutenherde, um möglichst viele Hengste selber aus der eigenen Zucht rekurrieren zu können. Also zum Beispiel Quarterback und Pelantis, Samba-Hit, alle für die wir so bekannt sind, die stammen aus gestützeigener Zucht und auch noch alle aus der gleichen Stutenfamilie. Also das ist ganz wichtig für uns, dass wir selbst in der Lage sind, Hengste zu züchten. Auch zum Beispiel, weil wir auf dem internationalen Markt, das ist ja inzwischen so auf den Körbplätzen, dass da wirklich internationales Interesse an den potenziellen Hengsten besteht. Natürlich sind wir mit unseren finanziellen Mitteln immer ein bisschen eingeschränkt im Vergleich zu großen Konkurrenten, die dann einfach da durch private Hengstehalter oder die da irgendwelche Fonds im Hintergrund haben, die das als ganz anderes System betreiben. Da müssen wir ja auch irgendwie wettbewerbsfähig bleiben und deshalb ist das ganz wichtig, uns da selbst auch immer wieder aus dem eigenen Bestand weiterentwickeln zu können. Und deshalb haben wir halt auch nicht nur eine Stutenfamilie, sondern wir haben sieben verschiedene Stutenfamilien. Das ist auch im Prinzip der Genpool des Landes Brandenburg in der Reitpferdezucht. Und diese Linien sollen dann auch als solche erhalten werden und das ermöglicht dann aber auch wieder in verschiedenen Linien sich zu entwickeln und dann nicht nur ein Angebot quasi aus der einen Familie machen zu können, sondern aus verschiedenen Stämmen dann immer wieder was zu schaffen.

[SPEAKER 2]Also das Spannende ist ja diese Gruppierung dieser Stämme und das ist am Ende ja auch euer Wert, den ihr dann habt, wo ihr sagt, da können wir drauf aufbauen. Diese Stämme sind ja teilweise Jahrzehnte alt, oder?

[SPEAKER 1]Genau, also im Prinzip ist es so, dass nach dem ersten Weltkrieg alle Pferde, die hier in Neustadt waren, nach Moskau verbracht worden sind und das quasi nach 1945 hier einmal ganz neu angefangen werden musste.

[SPEAKER 2]Als Reparationszahlung nach dem ersten Weltkrieg?

[SPEAKER 1]Genau, das ist hier besetzt worden und alle beweglichen Güter, insbesondere Pferde, wurden nach Moskau verbracht und dann musste hier quasi mit Null wieder begonnen werden. Und alle Stutenfamilien, die wir jetzt hier haben, bis auf diesen Trakena-Stamm, beruhen auf Stuten, die quasi in der Nachkriegszeit dann aus der Umgebung hier eingekauft worden sind, um wieder eine Stutenherde aufzubauen. Und die P-Familie, das ist ja die größte, bekannteste, die Pauline, die ist 1937 geboren und dann quasi nach 1945 hier ins Gestüt gekommen und hat dann mit ihrem Nachkommen hier diese große Familie aufgebaut.

[SPEAKER 2]Und da könnt ihr wirklich, wie du sagst, bis ins letzte Glied zurückverfolgen, woher kommt dieser Stamm und welche Stuten haben diesen Stamm ausgemacht?

[SPEAKER 1]Genau, und im Prinzip ist es jetzt so, dass diese Familie seit gut 80 Jahren dann an einer Stelle, nämlich hier im Hauptgestüt züchterisch bearbeitet worden ist. Und man natürlich auch viele Mitarbeiter zum Beispiel hat, die auch schon Jahrzehnte hier bei uns sind und dann auch noch von 5, 6 Generationen weiter vorher wissen, was waren das für Pferde, was hatten die für Eigenarten. Und das macht es natürlich auch aus, dass man so einen Stamm so lange pflegen kann. Da hat insbesondere auch Herr Hoppe, der sehr lange Landsteinmeister war von den 60er Jahren bis 1996 eine große züchterische Arbeit geleistet.

[SPEAKER 2]Das war dann während der deutschen Teilung und während das ja auf DDR Gebiet hier war, war das dann LPG?

[SPEAKER 1]Nein, da gab es auch eine Struktur der Hengsthaltung quasi. Das war aufgeteilt in drei Bereiche. Das war Redefin im Norden, Neustadt in der Mitte und Moritzburg im Süden. Und dann war Haupt- und Landgestüt getrennt. Das waren zwei verschiedene Betriebe hier in dem Sinne. Das war auf dem Landgestüt dann die Hengsthaltung und auch insbesondere der Export von Reitpferden, was ganz wichtig war für die Wiesen. Und hier im Hauptgestüt wurde hauptsächlich die züchterische Arbeit weiterhin gepflegt und es gab große Anteile der Landwirtschaft an dem Betrieb.

[SPEAKER 2]Du hast es gerade selber angesprochen, das Verbandspiel zwischen Tradition und Moderne. Wir haben es ja gerade schon angesprochen, wir befinden uns hier im historischen Landstallmeisterhaus hier in Neustadt. Wie wichtig ist es für euch aber auch modern zu sein und nicht nur die Tradition zu bewahren?

[SPEAKER 1]Das ist ein unheimlich wichtiger Aspekt, dass man sich auch immer ein bisschen am Markt orientiert. Zum einen ist natürlich die Hengsthaltung ein wichtiger Aspekt. Man muss einfach den Züchtern attraktive Angebote machen können und das ist automatisch auch immer etwas, was modern ist, ist auch gefragt. Die Züchter wollen auch immer, wenn es da neue Entwicklungen von Hengstlinien gibt, die plötzlich in Mode gekommen sind, die besonders auffällig sind momentan durch Nachkommen im Sport oder auf Körbplätzen oder Zuchtveranstaltungen, dann möchten auch unsere Züchter gerne aus dieser Hengstlinie ein Angebot haben und damit dann auch in ihrer eigenen Zucht aktiv werden. Wenn wir das nicht machen, gibt es genug Konkurrenten, die ein solches Angebot schaffen. Da müssen wir auch immer gucken, dass wir die Züchter abholen und die Nachfrage dann auch wirklich decken. Und das gleiche gilt natürlich auch im Reitpferdemarkt. Der zweite Hauptteil bei uns ist ja wirtschaftlich betrachtet auch der Verkauf von Reitpferden, die wir aus unserer eigenen Zucht ja haben. Nicht alle werden Hengste oder werden Stuten in unserer Stutenherde. Alle anderen werden als Reitpferde verkauft und da ist es natürlich das gleiche. Man muss möglichst gut sein und möglichst attraktive Pferde züchten, die dann auch sich gut verkaufen lassen. Das ist schon aus wirtschaftlichen Gründen notwendig.

[SPEAKER 2]Auf welcher Basis passiert diese Selektion? Ob jetzt eine Stute hier bleibt oder verkauft wird oder ein Hengst?

[SPEAKER 1]Bei den Stuten fängt es schon mit den Familien an. Da gucken wir, wie groß ist zum Beispiel die Stutenfamilie bei uns. Wenn wir zum Beispiel aus einer kleineren Linie nur noch zwei alte Stuten haben, dann ist natürlich, wenn es dann eine junge interessante Stute aus dieser Linie wieder gibt, die Wahrscheinlichkeit, dass die dann wieder in die Zucht eingesetzt wird, größer als aus einer großen Familie, wo es sowieso gerade viele junge attraktive Stuten gibt. Da muss man schon einfach in der Familie dann vergleichen. Und dann ist natürlich auch die Vererbung ein ganz wichtiger Aspekt. Wenn die Stuten sich gut vererben, bleiben sie lange in der Zucht und wenn die Nachkommen vielleicht nicht ganz das versprochen haben, was wir uns versprochen haben, dann wird auch eine Stute verkauft als Reitpferd oder als Fahrpferd oder geht zu einem anderen Züchter, weil wir zum Beispiel Töchter von der Stute haben, die dann für uns wieder interessant sind. Das hat ganz verschiedene Komponenten.

[SPEAKER 2]Aber am Ende schaut ihr auch, dass ihr diese Stämme auch weiterentwickelt und erhaltet.

[SPEAKER 1]Genau, das auf jeden Fall. Die Stämme sollen auf jeden Fall alle individuell erhalten werden. Und gut, wir haben natürlich endlich einen Platz. Wir können jetzt nicht sagen, wir behalten einfach jede Stute und machen damit weiter, sondern wir haben Platz für eine gewisse Anzahl von Stuten. Und das ist ja vielleicht auch das Gute. Es ist eine Selektion notwendig. Wir müssen immer wieder überlegen, ist die junge Stute jetzt besser als die alte? Bleibt die alte in der Zucht oder machen wir mit der jungen weiter? Haben wir eine Tochter von der Stute oder müssen wir, um diese Linie zu erhalten, noch zusehen, dass wir noch ein Stutfohlen aus dieser alten Stute bekommen, damit es damit weitergehen kann? Das sind ganz interessante Fragen. Ich beschäftige mich da unheimlich gerne mit. Und gerade diese Zucht ist schon eine große Leidenschaft von mir.

[SPEAKER 2]Wie läuft das dann ab? Sitzt ihr als Team hier zusammen und diskutiert das Ganze? Oder schläft man drei Nächte drüber und sagt, jetzt bin ich mir so sicher, so muss es laufen. Wie läuft das konkret ab?

[SPEAKER 1]Sowohl als auch. Das ist schon so, dass ich immer auch zu Hause eine Liste mit allen Stuten liegen habe, wo ich mir auch dann mal Notizen mache, welcher Hengst könnte da jetzt interessant sein. Ich beschäftige mich da auch einfach, weil es mir Spaß macht, unheimlich gerne mit. Das ist auch viel Tüfteln. Ja, das ist auch so ein bisschen. Genau. Man versucht sich natürlich dann zu überlegen, nach welchem Erfolgsrezept hat das schon mal funktioniert? Welche Hengste haben gut auf die Stute gepasst? Machen wir das nochmal in so einer Art oder wollen wir jetzt mal was ganz anderes ausprobieren? Es hilft uns ja auch nicht, wenn wir immer nur das Gleiche haben wie alle anderen. Es ist ja auch immer zum Beispiel bei Quarterback war das Besondere, dass das so eine ganz neue Linie so ein bisschen war, die dadurch aufkam. Klar gab es dann Quando, Quando und Quattro. Das kommt ja nicht von irgendwoher ganz neu, aber das war nicht so breit aufgestellt, sondern das war nur so ein ganz kleiner Faden, der da quasi existierte. Und das ist halt durch Quarterback jetzt unheimlich breit geworden. Und das ist ja auch so das Besondere, was Neues zu entwickeln. Also den hundertsten Nachkommen von einem Hengst aufzustellen, ist nicht das Gleiche oder nicht das Besondere. Da wird auch nicht die riesen Nachfrage danach sein. Aber wenn man eine gute Qualität mit einer möglichst einmaligen Genetik anbieten kann, das ist auch wieder ein ganz interessanter und spannender Ansatz. Also auch immer die Hoffnung, was Neues zu entwickeln aus dem, was da ist.

[SPEAKER 2]Wie ist dein persönlicher Background? Wie bist du dieser Züchter am Ende mit Leidenschaft auch geworden?

[SPEAKER 1]Ja, das hat mich irgendwie schon von Anfang an fasziniert. Ich bin da eigentlich reingewachsen. Also wir haben zu Hause keine Landwirtschaft oder ich komme nicht aus einer Züchterfamilie. Aber das hat mich, seit ich angefangen habe zu reiten als Kind, hat mich auch immer schon die Zucht interessiert. Wir sind da im Reitverein dann sehr gut aufgenommen worden von Reitern, die uns angenommen haben, die uns Reitunterricht gegeben haben, mit uns zum Turnier gefahren sind. Aber die auch schon so ein Favel für die Zucht hatten. Und unser Reitvereinsvorsitzender war auch der Präsident vom Oldenburger Zuchtverband Wilhelm Werder. So dass da auch irgendwie dieser züchterische Background sowieso vor Ort prägnant war. Also diese Berührungspunkte waren irgendwie da. Die Hohlen Schau vom Verband hat auf unserem Reitplatz stattgefunden im Reitverein. Also da waren schon ganz früh irgendwie Berührungspunkte und das hat mich von Anfang an fasziniert. Und ich habe mich da unheimlich gerne beschäftigt mit der Thematik. Und wir sind dann zu den Körungen gefahren und haben uns das angeguckt. Und das hat sich dann immer mehr so aufgebaut. Auch über das Studium dann, da war auch die ganze Zeit so die Tierzucht das Thema, was mich am meisten fasziniert hat. Veterinärmedizin? Agrarwissenschaft in Göttingen. Und habe dann zum Beispiel schon meine Bachelorarbeit im Landgestüt Zelle geschrieben über die Entwicklung von verschiedenen Hengstlinien in einem Zeitraum. Wo dann auch zum Beispiel Axel Bockmann, mein Gutachter von meiner Bachelorarbeit war.

[SPEAKER 2]Landstammmeister in Zelle?

[SPEAKER 1]Genau. Und schon da gab es dann da in die Richtung Berührungspunkte. Und habe mich da auch immer weiter mit dem Thema Pferdezucht befasst und beschäftigt. Habe verschiedene Praktika gemacht und zum Beispiel bei Heinrich Ramsburg habt ihr unheimlich viel gelernt.

[SPEAKER 2]Großer Hengsthalter in Weser-Ems.

[SPEAKER 1]Was da so die Hengstausbildung in jungen Jahren ausgeht. Die Zucht und die Aufzucht und die Vorbereitung zur Körung und so weiter. Das war schon immer meine Leidenschaft und das hat mich unheimlich gefreut, das auch im beruflichen Leben dann jetzt so umsetzen zu können.

[SPEAKER 2]Das ist am Ende ja auch eine gewisse Community an Leuten. Also gerade unter den Landstammmeistern könnte ich mir vorstellen, dass man sich auch eng austauscht, oder?

[SPEAKER 1]Ja, auf jeden Fall. Also es gibt ja sowieso eine Zusammenarbeit der Landgestüte. Es gibt eine gemeinsame Plattform, in der Regel ein jährliches Treffen, aber auch so, wenn wir uns auf Veranstaltungen treffen, einen Austausch. Wir telefonieren miteinander. Wir haben ja häufig dann auch Themen, die uns im Allgemeinen bewegen, die jetzt nicht nur ein Gestüt betreffen, sondern die anderen können das auch nachvollziehen, haben da ähnliche Hintergründe. Das ist eine sehr angenehme Zusammenarbeit und ein sehr guter Austausch.

[SPEAKER 2]Aber es ist ja auch, klar, Züchten ist etwas immer sehr langfristiges, aber du zählst ja eigentlich zur Riege der neueren Generation an Landstammmeistern. Du bist ganz frisch hier in Amt und Würden, klarst du den ganzen Background, aber wie wichtig ist es auch neue Akzente zu setzen und nicht nur den Stiefel weiterzuspielen?

[SPEAKER 1]Ich glaube, das ist genau diese Mischung, dass man, wie gesagt, nicht in der Vergangenheit stecken bleiben darf, sondern dass man auch immer wieder den Fokus auf das Neue, auf das Andere haben muss und das irgendwie miteinander verbinden. Und das ist natürlich vielleicht auch jetzt in der jetzigen Zeit ein Vorteil, wenn man jetzt auch schon ein bisschen mit Computer und Internet aufgewachsen ist, dass man sich da vielleicht auch besser schon zurechtfindet, noch ein bisschen näher dran ist an der Gruppe, die sich da bewegt. Und das ist nun mal so, wenn man jetzt momentan die Leute nicht live erreichen kann. Wir können jetzt die Züchter hier bei uns nicht auf den Hof holen und ihnen die Hengst in live zeigen, was wir natürlich sehr gerne machen würden, was ja aber nun mal nicht möglich ist. Es ist vielleicht für uns, wo wir jetzt noch ein bisschen jünger sind, etwas leichter, sich auf diese Situation einzulassen und sich zu überlegen, auf welchen Medien kann ich dann die Leute trotzdem erreichen. Und das ist natürlich dann momentan das Hauptmedium des Internets, was über verschiedene Plattformen dann eine Möglichkeit gibt, die Menschen zu erreichen und ihnen zu zeigen, was wir hier machen, was wir hier haben, welche neuen Hengste wir haben, dass jetzt die ersten Fohlen geboren sind. Das sind so, ja, das würden die Leute sonst live erleben, aber so haben wir immerhin eine Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Und das ist natürlich sehr wichtig momentan.

[SPEAKER 2]Ich hatte da vor ein paar Monaten mal so ein Schlüsselerlebnis, da war ich auf Instagram, in Instagram-Stories und habe Werbung für den Hengst gesehen.

[SPEAKER 1]Ja, das ist inzwischen Gang und Gäbe.

[SPEAKER 2]Da habe ich gedacht, okay, jetzt ist es digital geworden. Das fand ich schon verrückt irgendwie.

[SPEAKER 1]Aber das ist der Lauf der Dinge und da kann man sich auch nicht voll verschließen. Da muss man auch wieder mit dabei sein, immer aktuell bleiben und sich entwickeln. Und da ist halt nicht nur die gedruckte Sache, die natürlich immer noch seine Bedeutung und seine Relevanz hat. Aber es passiert halt inzwischen ganz viel auch an Austausch, zum Beispiel bei Facebook. Da gibt es Züchtergruppen, wo sich die Leute austauschen, welcher Hengst passt auf welche Stute. Wer ging gerade auf welcher Veranstaltung gut oder nicht so gut. Und da muss man natürlich auch gucken, dass man bei sowas dann präsent und erreichbar für die Leute ist.

[SPEAKER 2]Ja und der Wandel ist halt viel schneller. In den letzten Wochen, einige von unseren Zuhörern haben es vielleicht bei uns auch bei WeHouse mitgekriegt, haben wir zum Beispiel Clubhouse-Talks gemacht. Clubhouse ist ja eine ganz neue App, so ein Drop-in-Audio nennt sich das, wo man quasi spontan Talkshows aufziehen kann. Und wie unglaublich schnell sich dann auch einfach Menschen in andere oder Interessen ganz schnell anders abgebildet werden können. Auf einmal treffen sich Leute, die sich noch nie vorher miteinander gesprochen haben in einem Clubhouse-Talk und sprechen über Zucht. Das ist tatsächlich passiert. Also es ändert sich auch einfach sehr sehr rapide.

[SPEAKER 1]Ja, das sind einfach die Entwicklungen und das hat aber auch zum Beispiel Vorteile. Also wir haben ja jetzt auch die Cure-Veranstaltung in einer anderen Form durchführen müssen. Wegen Corona natürlich. Wegen Corona. Und da hat man natürlich jetzt auch gesehen, dass das Internet da auch große Möglichkeiten bietet, mehr Menschen zu erreichen. Und zum Beispiel auch durch solche Hybrid- und Online-Auktionen eine Möglichkeit gefunden hat, obwohl es Einschränkungen gibt, sich da gut am Markt zu präsentieren und auch gute Preise für seine Pferde erzielen zu können. Also das denke ich ist auch eine Entwicklung, die sich nicht zurückdrehen wird. Zumindest eine Hybrid-Auktion werden aus meiner Einschätzung viele beibehalten, weil das einfach auch viele Möglichkeiten bietet.

[SPEAKER 2]Kurz zur Erklärung, also Hybrid-Auktion heißt, dass es eine Präsenzveranstaltung gibt, die aber auch online übertragen wird. Das gab es vorher auch schon, aber man kann live mitbieten. Und hat somit die Möglichkeit, auch wenn man in Santiago de Chile sitzt, trotzdem in Neustadt an der Dossel mitzubieten.

[SPEAKER 1]Richtig? Ja.

[SPEAKER 2]Wie hat sich denn die Züchterschaft verändert? Also aus der Historie der Landgestüte ist es ja so, dass eigentlich viele Bauern gezüchtet haben, Leute, die einfach auch traditionell Pferde am Hof hatten beispielsweise. Daraus sind dann große Züchterfamilien entstanden. Wie verändert sich aus deiner Sicht die Züchterschaft eigentlich?

[SPEAKER 1]Also diese bäuerliche Zucht, die gibt es hier schon bei uns noch sehr viel. Und das ist auch ganz wichtig für die weiterhin ein Angebot zu schaffen. Und aus diesen Gründen haben wir zum Beispiel auch weiterhin Hengste im Natursprung auf den Stationen im Land verteilt. Das ist immer noch ganz wichtig, auch dann dieser Austausch vor Ort, dass die Züchter sich die Hengste auf der Decksstation angucken können, da durch den Deckstellenleiter betreut werden, die Stuten da zum Decken hinbringen. Das ist ja auch eine Tradition des Austausches vor Ort. Da gibt es aktive Zuchtvereine, die dann da aktiv sind. Das ist auf jeden Fall etwas, was überhaupt nicht vernachlässigt werden darf und was auch weiterhin eine große Rolle spielt. Aber dazu kommt im Prinzip eine neue Gruppe an Züchtern, die meistens gar keinen landwirtschaftlichen Background haben, sondern häufig mit einer Stute angefangen haben, die vielleicht Reitpferd gewesen ist. Und einfach aus dem Traum mal aus der eigenen Stute einen Fohlen zu züchten. Sich das dann so ein bisschen entwickelt hat, wenn man da manchmal ja auch gute Erfolge aus einer guten Reitpferdestute gehabt hat, baut sich das dann häufig auf. Und das sind dann gerade diese Züchter, die sich sehr an den neuen Medien orientieren, die natürlich auch den Austausch pflegen, aber nicht nur live und vor Ort, sondern auch übers Internet. Und dann zum Beispiel in diesen Facebook-Gruppen sich austauschen oder in diesen Clubhouse-Geschichten, die du gerade ansprachst. Das ist dann so die zweite Gruppe von Züchtern, die dann dazu kommt.

[SPEAKER 2]Aber es ist schon so, dass es sich verändert hat in dem Sinne, dass das Menschen sind, die vielleicht nur eine Stute haben und die das mehr aus Leidenschaft daraus machen und weniger aus einem finanziellen Antrieb.

[SPEAKER 1]Oder ist das eine falsche Annahme? Ich glaube, das sind wie gesagt diese zwei Punkte. Also es gibt weiterhin die Zucht, wie sie bisher gewesen ist, aber es kommen halt die neuen Züchter dazu, wo das wirklich auch dann viel Leidenschaft tatsächlich ist und wo vielleicht auch ein finanzieller Aspekt gar nicht so maßgeblich ist, sondern es auch einfach ein sentimentaler Grund ist, quasi aus seiner eigenen Lieblingsstute wieder ein Fohlen zu haben.

[SPEAKER 2]Also die Leidenschaft, die quasi bei beiden Gruppen eigentlich da ist.

[SPEAKER 1]Natürlich. Das hat verschiedene Aspekte dann einfach, denke ich.

[SPEAKER 2]Wie glaubst du, entwickelt sich das in den nächsten Jahren? Du sagtest gerade hier in Brandenburg ist diese bäuerliche Züchterschaft weiterhin sehr stark.

[SPEAKER 1]Ja, das ist zumindest so meine Wahrnehmung. Aber das wird natürlich altersbedingt auch in einigen Fällen ein bisschen zurückgehen. Nicht jeder Züchter hat einen Nachfolger, der dann da auch seine jahrelange Zucht weiter pflegt. Und das ist natürlich auch in vielen Fällen traurig, wenn da wirklich eine gute qualitätsvolle Zucht vorhanden ist, für die es dann keinen Nachfolger gibt. Das ist natürlich auch ein Verlust an genetischer Vielfalt und das ist nicht so einfach aufzufangen. Aber ich finde, das hat zum Beispiel der Trakena-Verband gut gemacht. Die haben so eine Stutenbörse etabliert, wo dann so eine Zucht an anderer Stelle weitergeführt werden kann. Dadurch, dass eine Plattform geschaffen worden ist, um diese guten qualitätsvollen Stuten dann in neue Hände zu geben, die sie dann weiterhin züchterisch bearbeiten.

[SPEAKER 2]Du hast gerade die genetische Vielfalt angesprochen. Es gibt ja auch durchaus Trends, dass Hengste sehr, sehr stark eingesetzt werden. Dass es einen gewissen Rush auf einen gewissen Hengst gibt, weil der gerade en vogue ist. Und dann gibt es sehr, sehr viele Nachkommen. Würde man ja eigentlich sagen, das mindert die genetische Vielfalt. Wie schaust du auf diese Themen drauf?

[SPEAKER 1]Das ist nicht immer nur positiv zu sehen, wenn ein Hengst so unheimlich viele Nachkommen hat. Natürlich geht das immer mit der Hoffnung einher, dass dieser Hengst besonders gut ist und auch seine Nachkommen besonders gut sind. Was ich so ein bisschen kritisch sehe, ist, wenn das dann wirklich nur um den Aspekt Fohlenvermarktung geht und der Fokus als Reitpferd dabei verloren geht. Eigentlich ist ja nicht das Ziel, ein Fohlen zu züchten, was sich gut verkaufen lässt. Ich kann das völlig nachvollziehen, dass nicht alle Züchter die Möglichkeit haben, die selber aufzuziehen, sie anreiten zu lassen und sie als Reitpferd zu verkaufen. Aber aus meiner Sicht sollte schon immer bei der Zucht eines Pferdes die spätere Reiteignung im Fokus stehen. Und wenn es nur im Freizeitbereich ist. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich ein bisschen ein Parallelmarkt entwickelt von Fohlenproduzenten, wenn man es böse sagen will. Wo es wirklich nur darum geht, das Fohlen teuer zu verkaufen und was danach passiert, ist gar nicht mehr relevant. Unsere Grundlage ist eigentlich immer das Reitpferd im Fokus. Wir paaren unsere Stuten an, um hinterher ein gutes Reitpferd zu haben, das möglichst die höchsten Klassen erreicht.

[SPEAKER 2]Ist das das fundamentale Ziel, wirklich die sportliche Orientierung Richtung großer Sport? Oder schaut ihr auch in die Breite?

[SPEAKER 1]Wir schauen auch in die Breite. Wir haben nicht nur Olympiasieger im Stall stehen, aber wir haben auch immer die Hoffnung, dass regelmäßig wieder solche Pferde wie Quarterback und Belantes bei rauskommen. Und wenn man da aber diesen sportlichen Aspekt im Hintergrund hat, es muss ja nicht jeder ein Olympiasieger sein. Aber wenn ein A-Spring und ein A-Spring gut läuft oder sich anspannen lässt und gut vor dem Wagen geht oder in der Vielseitigkeit aktiv ist oder als Voltigierpferd. Das sind alles verschiedene Nutzungsaspekte, die auch völlig legitim sind und die ich auch völlig gut und richtig finde. Man kann nicht nur sagen, es muss der nächste Olympiasieger sein, aber man darf diesen sportlichen Fokus aus meiner Sicht nicht aus dem Auge verlieren. Am Ende züchten wir Reitpferde. Für alle verschiedenen Einsatzgruppen und Möglichkeiten.

[SPEAKER 2]Aber mit Betonung auf Reitpferde. Das ist glaube ich wichtig.

[SPEAKER 1]Genau.

[SPEAKER 2]Ein Thema, was wir noch gar nicht angeschnitten haben, ist die Abgrenzung. Und das ist, was ich auch immer wahrnehme, da ist manchmal auch eine gewisse Konfusion zwischen was ist eigentlich ein Pferdezuchtverband und was ist eigentlich ein Landgestüt. Wir haben es ja eben auch schon mal angerissen, quasi im Nachbarbüro sitzt der Pferdezuchtverband, hier Brandenburg-Anhalt. Du hast ja eben angesprochen Körungen, das ist auch eine Körstätte hier. Erklär doch einmal für diejenigen, die nicht so total zuchtorientiert sind unter unseren Leuten, die zuhören, warum genau braucht man die Körung und wer macht die Körung eigentlich?

[SPEAKER 1]Die Körung ist im Prinzip die maßgebliche Entscheidung in der Entwicklung eines Hengstes, ob er wirklich Deckhengst wird oder ob ein Zuchteinsatz für diesen Hengst nicht infrage kommt aus verschiedenen Aspekten und er dann als Reitpferd zum Einsatz kommt. Das ist so der Karriere-Schritt eigentlich, wenn der Hengst gekört wird und dann für die Zucht zugelassen wird. Das ist eigentlich das Wichtigste der Körung. Die Körung wird durchgeführt vom Pferdezuchtverband. Das ist eigentlich eine Struktur von Vereinen in den einzelnen Regionen, die sich dann zusammen in einem Zuchtverband bilden. Und dieser Zuchtverband vertritt die Interessen der Züchter in dieser Region. Und da ist es natürlich dann auch maßgeblich, dass dieser Verband quasi den Züchtern sagt, dieser Hengst ist gut genug für eure Zucht, wir lassen ihn für die Zucht zu. Den könnt ihr nehmen? Genau, der darf in der Zucht eingesetzt werden oder der auch bei den Stuten und Fohlen den Züchtern eine Qualitätseinschätzung gibt. Und die zweite Aufgabe ist natürlich diese ganze Organisationsstruktur, die dahinter steht, von den Pferdeplätzen, Eigentumsurkunden, Deckscheinen, das läuft alles über den Pferdezuchtverband. Das gestüt in dem Sinne, wir sind diejenigen, die den Züchtern die Hengste zur Verfügung stellen. Oder wo man ein Pferd kaufen kann, eine Zuchtstute, ein Reitpferd, aber diese Verbandstruktur, wir sind auch Mitglied im Pferdezuchtverband.

[SPEAKER 2]Aber nur als ein Teil, ein Bestandteil.

[SPEAKER 1]Genau, wir sind Züchter mit unserer Stutenherde und sind Mitglied im Pferdezuchtverband. Und unsere Hengste sind beim Pferdezuchtverband zur Zucht zugelassen und für die Zucht fortgeschrieben. Aber wenn wir unsere Stuten lassen decken, decken lassen wollen, bekommen wir vom Zuchtverband die Deckscheine, wo wir das dann entsprechend alles darlegen und am Ende dann auch für unsere geborenen Fohlen die Papiere bekommen.

[SPEAKER 2]Eine Diskussion, die ich zumindest immer wahrnehme, die glaube ich in den letzten Jahren ein bisschen abgebt ist, korrigiere mich, wenn ich da falsch liege, ist ja immer wieder im Kontext von Landgestüten, da sie ja staatlich finanziert werden und auch zu Zeiten der Corona-Krise, wo die Staatsausgaben ziemlich stark steigen, Schuldenbremse und so weiter. Wie wird eigentlich so Finanzierung von Landgestüten sichergestellt, slash, negativ gesprochen, braucht man sie eigentlich noch? Wo siehst du die Zukunft der Landgestüte?

[SPEAKER 1]Also ich denke, dass sie weiterhin eine ganz wichtige Rolle erfüllen, sei es jetzt einfach nur auf die Szene bezogen, dieses Erhalten von Traditionen. Das ist einfach was, was man nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten sehen kann. Das Kulturgut Pferd wird maßgeblich auch durch staatliche Gestüte erhalten. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass das von Land zu Land unterschiedlich ist, aber wir müssen zum Beispiel einen großen Teil unserer Bedarfe in finanzieller Sicht selbst erwirtschaften. Aus Pferdeverkäufen und aus der Deckhengsthaltung. Das sind wesentliche Einnahmepunkte bei uns. Es ist nicht so, dass alles Geld, was wir bekommen vom Land zur Verfügung gestellt wird, so viel wir immer brauchen. So funktioniert das nicht. Wir müssen auch wirtschaftlich handeln und arbeiten und selbst maßgeblich zu unserer finanziellen Ausstattung beitragen. Und das ist, glaube ich, auch ein guter und richtiger Aspekt. Aber am Ende ist es auch so, dass ein staatliches Gestüt, so wie zum Beispiel hier bei uns in Neustadt, ein Aspekt der Regionalentwicklung ist. Dadurch, dass es hier das Gestüt in dieser Region gibt, gibt es hier Arbeitsplätze. Der Schulstandort hier in Neustadt konnte erhalten werden, weil es zum Beispiel dieses Reiten in der Schule Projekt gibt. Durch das überhaupt wieder neue Schüler dann hier auch zusätzlich nach Neustadt gekommen sind. Die gehen hier ins Internat, die reiten hier bei uns auf dem Gestüt, bekommen hier Reitunterricht, aber gehen halt hier auch in Neustadt zur Schule. Und dadurch gibt es überhaupt noch die Oberstufe hier in Neustadt, für die es sonst einfach gar nicht mehr genug Schüler gegeben hätte. Die Schüler ziehen hier in den Ort, da kommen teilweise die Eltern mit. Die Kinder im Internat müssen ja auch betreut werden. Da gibt es Betreuer, da gibt es Köche, die Lehrer, die Lehrer, Trainer, die Unterbringung der Pferde. Das ist alles, was Geld in die Region bringt. Und das ist natürlich auch ein wichtiger Aspekt.

[SPEAKER 2]Das ist glaube ich etwas Besonderes an Neustadt-Dosse, das Reitinternat.

[SPEAKER 1]Genau, das ist deutschlandweit einmalig. Ab der siebten Klasse kann man hier bei ausreichender reiterlicher Begabung an diesem Projekt Reiten in der Schule teilnehmen. Und hat dann einmal am Tag Reitunterricht als Schulfach. Und das ist dann auch wirklich eine Note auf dem Zeugnis Reiten und das ist auch versetzungsrelevant. Und das ist glaube ich ein ganz wichtiger Aspekt und sehr positiv.

[SPEAKER 2]Und wie du sagst, einzigartig. Gibt es nirgendwo sonst in Deutschland.

[SPEAKER 1]In dieser Form nicht, nein. Und man bewirbt sich. Genau, man muss sich zur siebten Klasse bewerben. In der Regel ist es ein Test, dass man hier vorreiten muss. Und da wird dann entschieden, ob man gut genug reiten kann, um an diesem Projekt teilzunehmen. Und dann gibt es in der siebten und achten Klasse die Möglichkeit, auf Schulpferden am Unterricht teilzunehmen, die dann auch dem Gestüt gehören, die Schulpferde. Und ab der neunten Klasse ist es dann notwendig, ein eigenes Pferd zu haben, mit dem man dann auch am Turniersport teilnehmen kann. Also das ist Bestandteil des Projektes, dass man auch dann sich reiterlich so weiterentwickelt, dass man dann ab der neunten Klasse am Turniersport teilnimmt. Und Ziel sollte es sein, dass man in der zehnten Klasse auf M-Niveau reitet.

[SPEAKER 2]Und das ist schon wirklich super cool, weil man dadurch ja auch Menschen den Eintritt in eine sportliche Karriere gibt, die ja vielleicht gar nicht die Chance hätten.

[SPEAKER 1]Genau, das gibt es ja relativ häufig, dass auch Kinder reiten, wo die Eltern auch gar kein Pferde-Background haben und die vielleicht auch manchmal mit diesem ganzen Umfeld ein bisschen überfordert sind und vielleicht alleine gar nicht die Möglichkeit hätten, ihre Kinder zu fördern und zu entwickeln. Und das ist natürlich dann eine Chance eines solchen Projektes, dass da auch Talente dann in diesem Projekt so gefördert werden können, wie das vielleicht zu Hause nicht möglich gewesen wäre.

[SPEAKER 2]Also wirklich muss ich sagen, echt coole Sache, wo ihr ja auch absolut Vorreiter seid. Also ich kann mich erinnern, ich komme aus dem Osnabrücker Land ursprünglich und da gibt es auch immer, gab es immer wieder so Initiativen, Reiten als Sportfach. Ich kann mich erinnern, ich habe auch mal eine AG Reiten, da habe ich mal mitgeritten. Du kommst ja aus Wilhelmshaven ursprünglich.

[SPEAKER 1]Genau, das gibt es da auch.

[SPEAKER 2]Aber nicht so in dieser Art, dass es wirklich von der siebten bis zur Oberstufe ist.

[SPEAKER 1]Genau, das ist dann wirklich eine Kooperation auch mit dem Landesverband. Viele der Schüler, die dann hier in dem Projekt sind, sind häufig dann auch im Kader vom Landesverband, dürfen an verschiedenen Meisterschaften dann zum Beispiel teilnehmen. Auch ein Trainer wird dann über den Landesverband gestellt. Die FN begleitet das Projekt, da wird regelmäßig dann auch die Entwicklung der Schüler begutachtet und kommen Trainer auch von der FN, die hier fördern. Und das ist wirklich ein sehr, sehr gutes Projekt und einmalig und das unbedingt erhaltenswert.

[SPEAKER 2]Sehr gut. Du hast ja vorher gesagt, im Vorgespräch, du hast schon die ein oder andere Wehorse Podcast Folge gehört. Dann weißt du, was am Ende des Podcasts kommt, nämlich die vier klassischen Wehorse Podcast Fragen. Und lieber Henning, Frage Nummer eins. Hast du ein Motto, nach dem du lebst?

[SPEAKER 1]Nee, ein Motto in dem Sinne habe ich nicht. Ich bin eigentlich grundsätzlich ein positiver Mensch und gehe optimistisch an Aufgaben an und bin eigentlich auch immer sehr lösungsorientiert. Ich bin niemand, der sich so ewig mit irgendwelchen Problemen rumwälzt, sondern ich gucke immer, wo ist die Lösung und wie kommen wir weiter und wie geht es nach vorne.

[SPEAKER 2]Frage Nummer zwei. Gibt es einen Menschen, der dich auch im Hinblick auf die Pferde besonders geprägt hat?

[SPEAKER 1]Das kann man jetzt schwer an einem Einzelnen festmachen, aber wer natürlich hier für meine Rolle jetzt als Landsteermeister unheimlich wichtig war, ist der Uwe Müller, der bis vor kurzem hier der Landsteermeister gewesen ist und der mich natürlich unheimlich gut auf diese Aufgabe vorbereitet und an diese Aufgabe herangeführt hat. Und da möchte ich auf jeden Fall auch auf diesem Weg nochmal Danke für sagen.

[SPEAKER 2]Wunderbar. Dann Frage Nummer drei. Wenn du Reitern bzw. Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihrem Pferd auf den Weg geben könntest, was wäre es?

[SPEAKER 1]Tja, ob da eine Sache ausreicht, die man ihnen immer mitgeben müsste, das ist die Frage. Aber ich denke, das ist ganz wichtig, dass man das Lebewesen Pferd wertschätzt und das nicht wie ein Sportgerät behandelt, das nach dem Training in die Ecke gestellt wird, sondern dass das einfach auch Tiere sind und als solche behandelt werden müssen. Und dass das auch für die Wahrnehmung des Reitsports unheimlich wichtig in der Öffentlichkeit ist, dass man da wirklich differenziert. Dass das nicht ein Tennisschläger oder ein Rennauto ist, sondern dass ein Pferd einfach ein Lebewesen ist und das ein ganz anderer Art von Sport ist und diese Verbindung zwischen Pferd und Mensch einzigartig ist.

[SPEAKER 2]Ich bin ja der Meinung, dass Corona das so nochmal gezeigt hat, dass es einzigartig ist, weil viele andere Sportarten konnte man einfach so in Anführungsstrichen, wie du sagst, in die Ecke stellen. Der Tennisschläger, der immer viel zitiert wird und das war und ist beim Pferdesport ja nicht möglich und ich glaube, viele haben auch noch, inklusive mir, während Corona gemerkt, wie toll eigentlich der Pferdesport ist.

[SPEAKER 1]Das auf jeden Fall, ja.

[SPEAKER 2]Und dann zum Abschluss, vervollständige bitte diesen Satz, Pferde sind für mich.

[SPEAKER 1]Tja, meine größte Leidenschaft und mein Leben.

[SPEAKER 2]Großartig, vielen Dank, es hat sehr viel Spaß gemacht.

[SPEAKER 1]Vielen Dank, ja mir auch.

[SPEAKER 2]Weiterhin viel Fortun in deiner neuen Rolle als Landstallmeister hier. Dankeschön. Und bis bald, danke, ciao.

[SPEAKER 1]Ja, tschüss.

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