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#84 Dressurikone Isabell Werth über ihren Schlüssel zum Erfolg

Isabell Werth ist aus dem Dressursport nicht wegzudenken. Wie auch, immerhin ist sie die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten. Ihr Ansporn dabei ist jeden Tag das tun zu können, was sie liebt - ein Privileg, das sie zu schätzen weiß.

Nach dem Abitur studierte die heutige Präsidentin des Internationalen Dressurreiter-Cubs Jura und arbeitete einige Jahre in in diesem Gebiet. Dann entschied sie jedoch den elterlichen Hof zu übernehmen und dort einen Ausbildungs- und Reitstall aufzubauen. Im Gespräch mit Christian Kröber erklärt sie, wie der erste Eindruck eines jungen Pferdes täuschen kann und warum man nicht nur auf das Exterieur eines Nachwuchspferdes achten darf. Junge Pferde und ihre Ausbildung liegen der Dressurreiterin ebenso am Herzen wie der Profi-Dressursport. Auch wenn eine Karriere im Profisport eigentlich nicht geplant war.

In dieser Podcastfolge erzählt Isabell, wie sie die Leidenschaft für das Pferd auch in der schwierigen Coronasituation nutzt, um die Ausbildung junger Pferde zu fördern. Getreu ihrem Lebensmotto: „Es geht immer irgendwie weiter.“

Podcast Transkript

Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.

[SPEAKER 1]Herzlich willkommen zu Folge 84 des wehorse Podcasts. Mein Name ist Christian Kröber und heute habe ich die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt, Isabel Wert, zu Gast. Wir sprechen über ihren Weg an die Spitze, ihre Philosophie, ihren Ansatz, ihre Ausbildungsweise, die sie schlussendlich seit vielen, vielen Jahren an die Spitze gebracht hat und dort gehalten hat. Aber dazu auch berühren wir andere Themen, wie beispielsweise die Zukunft von Breiten- und Spitzensport, nicht nur nach Corona-Zeiten. Vorweg noch ein Hinweis von mir auf ein weiteres Online-Event von uns. Am Donnerstag, den 4. Februar um 19 Uhr, gibt es einen Abend mit dem französischen Ausbilder und Begründer der École de Légèreté, Philippe Kahl. Ein ausgiebiger Vortrag gepaart mit einer Fragerunde und du kannst dir dein kostenloses Ticket für Un soiré avec Philippe Kahl sichern unter www.wehorse.com. Nun geht es los mit Isabel. Viel Spaß. Hallo Isabel. Hallo Christian. Schön, dass du da bist. Ich freue mich. Danke, ich auch. Bin gespannt. Ganz normal in den aktuellen Zeiten ist ja eigentlich, dass man fragt, wie geht es dir in den Corona-Zeiten? Wie durchlebst du den zweiten Lockdown? Wir befinden uns ja gerade gemeinsam coronakonform, muss man sagen, in Salzburg auf einer Weltcup-Station. Wie durchlebst du die Corona-Zeiten?

[SPEAKER 2]Wir sind ja in der privilegierten Situation, dass wir reiten dürfen. Wir können unseren Beruf weiter ausüben. Wir sind draußen in der Natur, im Freien und haben Gott sei Dank diesbezüglich keine Einschränkungen. Gott sei Dank, das ganze Team ist gesund und munter und haben uns deshalb wirklich auch intensiv mit den jungen Pferden beschäftigen können, wo man sonst immer unterwegs ist und nur ein paar Tage zu Hause wieder weg ist. Also der Reiterei hat es nicht geschadet, aber vor allem auch die Ausbildung der jungen Pferde. Natürlich fehlen die Turniere und deshalb sind wir auch froh, dass wir hier in Salzburg wieder einen Anlauf haben. Ein Team haben, was wirklich sicherlich trotz besonders schwieriger Bedingungen und auch organisatorisch schwieriger Bedingungen das hier super bislang auf die Beine gestellt haben und Corona trotzen. Ansonsten ist natürlich Homeschooling eine Herausforderung.

[SPEAKER 1]Du hast gerade mit deinem Sohn noch gesprochen, der gerade in der fünften Klasse ist.

[SPEAKER 2]Das ist richtig und der hat natürlich ziemlich geschimpft, dass er nicht mit durfte, aber sitzt jetzt zu Hause am Computer, macht Homeschooling und hatte gerade einen Vokabeltest und ich weiß nicht mehr was. Also das ist schon eine Herausforderung für alle Eltern und ich bewundere die, die zwei, drei, vier Kinder haben. Also es ist schon wirklich anstrengend mit einem Kind das Homeschooling, aber ich muss sagen, es klappt trotzdem ganz gut und es sind doch alle sehr bemüht, das in irgendeiner Form für alle erträglich zu machen. Und das Internet wird strapaziert wie nie. Aber es geht. Es geht, es geht. Die Glasfaser wird bei uns auf dem Land herbeigesehnt.

[SPEAKER 1]Aber ihr seid noch auf Kupfer.

[SPEAKER 2]Wir sind noch ziemlich dünn gestellt, richtig. Wir sind noch auf Kupfer, aber es hilft nichts. Es geht auch irgendwie. Und jetzt hoffen wir mal, dass die Impfungen endlich ein bisschen schneller vorangehen. Alle hoffen darauf und dann sollte sich vielleicht so langsam, langsam im Laufe der nächsten Monate, ohne zu erforscht zu sein, etwas normalisieren.

[SPEAKER 1]Aber auch für dich persönlich und auch für euch als Familie ein ganz anderes Leben, weil sonst ihr seid unterwegs gewesen von Turnier zu Turnier zu Turnier und auf einmal seid ihr so lange zu Hause wie wahrscheinlich nie zuvor.

[SPEAKER 2]Das ist richtig. Also das alles hat seine Vor- und Nachteile. Wie gesagt, wenn man überhaupt von Vorteilen in Anbetracht der Schicksale, die dabei erlitten werden, reden darf, dann haben wir natürlich tatsächlich unser Familienleben sehr intensiv genießen können, was uns sonst nicht möglich ist. Das war ein Vorteil. Wir sind natürlich trotzdem sehr, sehr vorsichtig, weil meine Eltern sicherlich als geförderte Person mit auf dem Hof leben. Und das hat alles natürlich in der kleinen Enklave auch gut geklappt und das klappt gut. Aber ja, jetzt sind wir natürlich auch froh, wenn es wieder losgeht, um eben auch letztlich unserer Leidenschaft Genüge zu tun.

[SPEAKER 1]Die kleine Enklave ist Rheinberg. Richtig. Da bin ich ja rein, wo du ursprünglich herkommst. Bei dir ist häufig die Überschrift die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten, die erfolgreichste Dressurreiterin aller oder der letzten Dekaden auch. Was viele glaube ich nicht wissen ist, dass du eigentlich Juristin bist.

[SPEAKER 2]Ja, das habe ich dann mal nach meinem Abitur studiert, richtig, um einfach ein zweites Standbein zu haben. Das war auch eine absolute Herausforderung und auch das Ziel und der Wunsch darin auch dann später tätig zu werden. Ich hatte nie vor, wirklich mein Hobby, auch letztlich meinen Sport zum Beruf zu machen. Das hat sich irgendwann so ergeben, als die Frage entstand, was passiert mit dem Hof zu Hause, was ist und dann…

[SPEAKER 1]Von Rheinischer Bauernhof.

[SPEAKER 2]Ganz genau, Rheinischer Bauernhof. Die Leidenschaft fehlt, hat mich nicht losgelassen. Und das Ausbilden, das Reiten und irgendwann war klar, ich übernehme den Hof, wir machen daraus einen Ausbildungsbetrieb, einen Reitbetrieb. Und dann hat die Juristerei sozusagen ausgedient gehabt, bzw. ich habe mich an den Nagel gehängt. Ich hatte das vorher teilzeitmäßig im Anwaltsbüro gemacht.

[SPEAKER 1]Du hast da richtig gearbeitet quasi als Anwältin.

[SPEAKER 2]Ja, ich habe auch richtig gearbeitet als Anwältin, zwei Jahre.

[SPEAKER 1]Also erstes und zweites Staatsexamen absolviert.

[SPEAKER 2]Ja, ja, also ich bin jetzt kein Hobbyjurist gewesen, sondern tatsächlich auch im Beruf im Brot gewesen. Und habe dann auch ein Jahr in einer Marketing- oder in der Marketingabteilung bei Karstadt gearbeitet. Und dann war klar, die Entscheidung reiht herein.

[SPEAKER 1]Die Position ist doch größer.

[SPEAKER 2]Das ist das, was ich auch bis heute nicht einen Tag bereut habe. Aber es ist trotzdem auch wirklich gut, einen Beruf im Hintergrund zu haben. Man weiß nie, was passiert. Und es ist ein zweites Standbein, was ich ebenfalls bis heute nicht bereut habe.

[SPEAKER 1]Würdest du sagen, dass du einfach deiner Passion gefolgt bist, dass du Richtung Pferdesport gegangen bist? Oder war das eine bewusste Entscheidung? Okay, es wird die Profikarriere und ich versuche richtig nach ganz oben zu kommen.

[SPEAKER 2]Nein, es war von Anfang an nie diese Zielrichtung, sondern es ist vieles einfach auf mich zugekommen. Ich bin ja ganz normal auf dem Bauernhof groß geworden. Ich habe das große Glück gehabt, zweimal in meinem Leben zur rechten Zeit die rechten Menschen getroffen zu haben, die mich gefördert haben. Das war zunächst Dr. Schönbaumer. Als ich dort anfing, habe ich mal ländlich in der L&M geritten. Und habe auch einfach alles, was mir ein bisschen unter den Hintern kam, geritten. Ein bisschen Busch, ein bisschen Springen und dann die Chance wahrgenommen, dort zu reiten, zu lernen. Und ich bin dort geblieben. Das war natürlich eine Riesenchance. Und dann ging es alles sehr, sehr schnell, sehr erfolgreich, was alles nicht abzusehen war. Aber natürlich hat man dann Blut geleckt und dann wurde man natürlich immer hungriger und auch hergeiziger. Und es hat einfach riesen viel Spaß gemacht, dort auch beim Doktor die Reiterei zu erlernen.

[SPEAKER 1]Der Spitzname von Reitmeister Dr. Schultenbaumer?

[SPEAKER 2]Ja, der Spitzname. Er war promovierter Volkswirt.

[SPEAKER 1]Gut, aber er wurde handläufig der Doktor genannt. Aber er war natürlich Doktor Schultenbaumer. Richtig.

[SPEAKER 2]Nein, nein, das ist richtig. Es war einfach dann hinter der Doktor. Und der Doktor war ein geflügeltes Wort. Ist er bis heute noch. Und eine Persönlichkeit, die mich sehr geprägt hat, der ich am Ende des Tages zu verdanken habe, dass ich auch hier sitze. Der ich zu verdanken habe, dass ich einfach gelernt habe, Pferde auszubilden. Einfach auch, dass in das Pferd hineindenken. Das Pferd als solches, also als Individuum, die Passion, die Leidenschaft, die Liebe zum Pferd, ist sicherlich erst einmal in einem Menschen drin. Aber das hinterher auch richtig anzuwenden und zu nutzen und das nicht zu verlieren, das hat er mir ganz, ganz stark mit auf den Weg gegeben. Ich war über 16 Jahre bei ihm im Stall.

[SPEAKER 1]Das war bei euch in der Ecke, ne?

[SPEAKER 2]Das war Luftlinie, 1000 Meter. Also auch in Rheinberg? Auch in Rheinberg, war um die Ecke. Das war eben, wie man sagt, ein großes Glück. Ja und dann hat Madeleine Winter-Schulze schon parallel, als ich beim Doktor war, das ein oder andere Pferd mir zur Verfügung gestellt. Und dann bin ich in der Zeit des Übergangs des eigenen Betriebes zu Ihnen, zu Ihrem Mann, wieder auf den Hof, auf die Anlage. Ich habe da zwei Jahre in Hannover gelebt.

[SPEAKER 1]Wiedermark. In der Wiedermark, jawohl. Nördlich von Hannover.

[SPEAKER 2]So, richtig. Und das war auch eine tolle Zeit, eine sehr familiäre Zeit. Und dann sind wir, bin ich wieder allmählich zurück in die eigene Verantwortung, was sie bis heute wirklich außerordentlich großzügig war und einfach auch sehr, sehr menschlich und freundschaftlich, freundschaftlicher Art und Weise mitgetragen hat. Und das ist eine, ja, mittlerweile sind wir eine große Familie und sie unterstützt meine Reiterei und Passion bis heute und das ist einfach natürlich ein großes Privileg und ein großer Vorteil vielen anderen gegenüber, klar.

[SPEAKER 1]Also für alle, die es nicht wissen unter unseren Zuhörern, also Madeleine Winter-Schulze ist deine Unterstützerin und Mäzenin, die sehr, sehr viele Pferde auch von dir hat und dich damit da quasi unterstützt. Unterstützt auch beispielsweise Ludger Baerbauer und Teilnehmerin Jörg-Rüdiger Klimke und sicherlich auch ein ganz wichtiger Baustein für dich.

[SPEAKER 2]Absolut. Wir wissen alle, dass der Reitsport finanziell aufwendig ist und dass man sicherlich auch dann mit den entsprechenden Pferden die richtigen Wege gehen muss. Das steht so. Aber ohne das richtige, passende Pferd kann der beste Reiter nicht vorankommen. Und das ermöglicht sie mir und wir sind, ja, ich glaube auch mittlerweile seit über 20 Jahren, arbeiten wir zusammen sehr erfolgreich und es macht einfach immer wieder Spaß. Und das lässt den Reiter ja auch nie, ich sag jetzt mal in Anführungsstrichen, alt werden oder gelangweilt werden, weil wir mit immer wieder neuen, jungen Pferden neue Herausforderungen, neue Inspirationen bekommen. Es ist ja nicht so wie in anderen Sportländern, dass du irgendwann das Schwimmbad nicht mehr sehen kannst oder den Fitnessraum oder den Tennisplatz, weil der Körper irgendwann auch ausgelaugt ist und fertig ist, sondern wir haben das große, und wahrscheinlich auch der Kopf einfach leer ist, wir haben einfach das große Glück, dass die Pferde einem immer wieder eine neue Inspiration, eine neue Herausforderung geben. Und wenn man glaubt, jetzt hat man alles durchlebt und alles, man kann alles, dann wird man beim nächsten Pferd wieder eines Neueren belehrt oder eines Besseren belehrt. Und ja, also ein bisschen Demut begleitet den Reiter sein ganzes Leben.

[SPEAKER 1]Was bedeutet in dem Zusammenhang Erfolg für dich? Weil es gibt ja zum einen, sagen wir mal, den Erfolg, die goldene Schleife, der große Pokal, aber gerade im Pferdesport ist der Erfolg auch teilweise anders definiert. Was ist für dich ganz persönlicher Erfolg?

[SPEAKER 2]Der persönliche Erfolg ist erst einmal die gute Ausbildung eines Pferdes, eines jungen Pferdes. Ich liebe es, junge Pferde zu sehen, eine Vision zu entwickeln. Ich könnte mich den ganzen Tag irgendwo in die Ecke setzen und mir ein junges Pferd nach dem anderen anschauen und dann mich inspirieren lassen und Ideen entwickeln, wie kann ich das Pferd weiterentwickeln. Und es ist eine wirklich große Liebe und Leidenschaft, dass man das entsprechend durchzieht. Und die dann wirklichen, ich sage mal, erfolgreichen Situationen, dass die Vision sich allmählich realisiert, dass ein bisschen der Traum, den man in dieses Pferd hineingesetzt hat, dass man da Stückchen für Stückchen über Jahre hinweg, wir sind ja nicht von heute auf morgen Grand Prix Sieger, sondern es sind drei, vier Jahre Entwicklung plus dann der Erfahrung, das Weiterentwickeln. Also es ist eine sehr lange Entwicklungsphase, bis man am Ende des Tages dann vielleicht eine Schleife sieht oder eine goldene Schleife sieht oder eine Medaille sieht. Das war für mich nie die Motivation, vielleicht ist das auch deshalb ein Grund, warum ich über viele Jahre doch ziemlich erfolgreich unterwegs bin, dass das eigentliche, die Leidenschaft, die mich jeden Tag in den Stall bringt, ist das Pferd und die Ausbildung des Pferdes. Und dass am Ende des Tages das Sahnehäubchen dann der Erfolg auf dem Turnier ist, der mich natürlich auch… Das Endprodukt quasi. Genau, natürlich ist das für mich nach wie vor auch eine Leidenschaft und es macht mir großen Spaß zu sehen, wo stehst du, wie ist die Konkurrenz. Also der Leistungsvergleich, der Wettkampf macht mir riesen Spaß und gibt mir auch immer wieder einen Kick zu sehen, was passiert da. Aber auch jetzt gerade die Zeiten, die Corona Zeiten haben mir gezeigt, dass nicht das Turnier meine Motivation ist, sondern das Pferd.

[SPEAKER 1]Die Ausbildung zu Hause, die Arbeit am Pferd am Ende. Wie entwickelt sich so eine Vision? Ist es dann das Gefühl, dass du sagst, du siehst ein Pferd, okay, ich hab mich sofort verliebt in dieses Pferd und ich glaube daraus wird was ganz großes mit mir zusammen. Muss sich das entwickeln? Ist das auch Liebe auf den zweiten Blick? Führ uns da mal durch.

[SPEAKER 2]Also es ist ja ganz unterschiedlich. Das ist ja wie mit dem Begegnen von Menschen. Du hast Menschen, die kommen in den Raum und die füllen einen Raum, die inspirieren dich. Du bist begeistert gefangen von der Ausstrahlung, von dem Auftritt eines Menschen. Und dann gibt es Menschen, die wirken erstmal oder die kommen rein und sind erstmal unscheinbar. Und wenn die anfangen zu sprechen, dann wirst du auf einmal aufmerksam, dann fasziniert dich das, was er sagt oder der Mensch und es fasziniert dich der Mensch. Mehr und mehr. Also es gibt alle Varianten. So ist es auch mit Pferden. Du siehst Pferde und es kommt ein Pferd rein und sagt, wow. Du hast sofort, wie ich immer so schön sage, ein paar bisschen Gänsehaut und du beschleichtest ein besonderes Gefühl. Und dann kommen Pferde rein und du sagst, Mensch das ist aber ein gutes Pferd. Da ist nicht gleich die letzte Euphorie da, sondern es ist nicht so dieser wow-Effekt. Also ich glaube dieser besondere, außergewöhnliche Effekt, der tritt eben auch nur bei einigen wenigen besonderen Pferden auf. Wie bei einigen wenigen besonderen Menschen. Und der Regelfall ist ja eher das Gute. Das Gute kommt rein und du sagst, Mensch der hat einen tollen Schritt. Galopp ist gut, Trap könnte ein bisschen hier oder da sein oder umgekehrt. Aber da können wir mit leben und die Vorteile überwiegen vor vielleicht gewissen Schwächen. Und du sagst, das ist ein tolles Ausbildungspferd und während der Ausbildung wirst du positiv überrascht von der Entwicklung, von dem Ehrgeiz, von dem Geist, Leistungsbereitschaft des Pferdes. Und auf einmal hast du ein Champions-League-Pferd. Wovon du vorher nicht ausgegangen bist oder ausgehen durftest, weil einige Dinge jetzt nicht so waren, dass du sagst, das drängt sich auf. Und umgekehrt hast du Pferde, die reinkommen und außergewöhnlich reagieren auf dich oder du reagierst außergewöhnlich auf sie. Eine Belarus beispielsweise, ich hab das Pferd in der Ferne, in der Halle gesehen und hab gesagt, ich war wie elektrisiert.

[SPEAKER 1]Und wann hast du das Pferd das erste Mal gesehen?

[SPEAKER 2]Als die Dreijährige an der Lounge beim Züchter in der Halle lief.

[SPEAKER 1]Und war das sofort der Moment, okay, ich weiß, das wird was?

[SPEAKER 2]Das war sofort der Moment, das ist mein Pferd. Das war sofort in der Sekunde, war ich elektrisiert von dem Auftritt des Pferdes. Und dann hab ich natürlich gesagt, okay, jetzt musst du erstmal hinkucken. Nicht, dass jetzt irgendwas im Schritt oder im Galopp kommt, was irgendwie ein Ausschusskriterium sein könnte. Aber ich hab das Pferd gesehen und dachte, boah. Und so gibt es andere Pferde. Wir haben einen Ernie gekauft, den hab ich gesehen und hab gesagt, Mensch, das ist sowas Solides und Ausgeglichenes in seiner Veranlagung. Da kannst du nichts falsch machen.

[SPEAKER 1]Das ist John Johnson?

[SPEAKER 2]Nee, das war jetzt El Santo, Ernie. John Johnson war ein Pferd, der stand am Hänger angebunden, als wurde zu uns gebracht, damals nach Mellendorf. Und stand am Hänger und wurde fertig gemacht. Und hab gesagt, jetzt willst du nicht unfreundlich sein, aber eigentlich kann er den gleich wieder aufladen. Der war irgendwie völlig anders rum konstruiert, als ein Dressurpferd sein sollte. Und dann hab ich gedacht, das kannst du ja jetzt nicht sagen. Und ich weiß nicht, Matthias Klatt kam damit und der hat ihn auch schon angekündigt. Also entweder bist du Erster oder Letzter damit. Entweder fällst du runter oder der bockt und ist kernig und der ist frech. Aber ich finde, irgendwie ein tolles Pferd. Und dann setzt er sich in Bewegung und ich war von der bewegungsfreien Elastizität des Pferdes total begeistert. Ich hab dann drauf gesessen und hab gesagt, irgendwie hat das Pferd was, das musst du ausprobieren. Und ja, Madelaine und Dieter haben das Pferd dann gekauft. Dieter war so ein klein bisschen unverständlich, der meinte, was willst du damit eigentlich? Am Ende des Tages hat er es auf zwei Champignate geschafft. Er war ein unglaublich erfolgreiches Dressurpferd.

[SPEAKER 1]Leistungsträger bei dir, richtig?

[SPEAKER 2]Absolut. Er hat für viele meiner Champignatspferde, dann hat er mich über Wasser gehalten, als so eine Bella verletzt war. Er hat wirklich viele Momente aufgefangen, wo die anderen verletzt waren oder geschont wurden und und und. Und heute ist er mit 20 auf der Wiese. Ich hab ihn noch, als ich losfuhr, war er gerade auf dem Paddock und trappte so locker da lang. Es ist eine unglaubliche Persönlichkeit gewesen in all den Jahren, der mich gelehrt hat, die Entwicklung, das Bilden eines Pferdekörpers eben über die Gymnastizierung, über die Bemuskelung sich dann ganz anders darstellt. Und wenn man wirklich das Pferd damals von seiner Konstruktion, von seinem Exterieur mal dahingestellt hat und ein Bild genommen hat und dann in seiner Glanzzeit, man hätte geglaubt, es sind zwei verschiedene Pferde.

[SPEAKER 1]Also eine Vision kann sich auch entwickeln. Es muss nicht sofort so sein, dass ich sage, okay, ich hab den klaren Plan, wo ich jetzt in fünf Jahren stehen will, sondern du nimmst dich so einem Pferd auch an und sagst, okay, wir schauen einfach mal.

[SPEAKER 2]Das ist das, was mich jeden Tag eben inspiriert und wenn ich nur nach Bella Roses Ausschau gehalten hätte oder nur diese Pferde versucht hätte in den Stall zu bekommen, dann wäre der Stall halt ziemlich leer. Das ist so. Das sind die besonderen Ausnahmepferde und dann gibt es einfach die Pferde, die sich über die Jahre hinweg entwickeln und zu einem besonderen Pferd werden.

[SPEAKER 1]Man redet ja immer sehr viel über die Grundqualität von Pferden, aber ich glaube, wie du gerade gesagt hast, fast genauso wichtig ist ja auch die Einstellung, das Interieur. Wie wägst du diese beiden Seiten miteinander ab?

[SPEAKER 2]Die Leistungsbereitschaft ist ein besonderer Bestandteil, ohne den es nicht geht und der gewisse Schwachpunkte im Gebäude, in der Konstruktion oder beziehungsweise auch im Gangwerk kompensieren kann. Das gepaart mit guter Ausbildung macht viele Pferde zu großartigen Leistungssportlern und ich glaube, das Allerwichtigste im Hinblick auf ein Grand Prix Pferd ist das komplette Pferd. Das komplette Pferd, nicht suchen nach alles, soll gut genug sein für eine 9 oder 10, Schritt, Trab, Galopp, sondern das komplette Pferd, wo man sagt, es ist in der Lage einen guten Schritt, Trab, Galopp und dann eben auch die Versammlungsfähigkeit mit sich zu bringen. Und das abrufbar zu haben, genau dann, wenn du es brauchst. Nicht vielleicht irgendwann mal, wenn er gute Laune hat, sondern das Pferd muss sagen, jawohl, wo sind wir, wo geht es los, was willst du heute von mir, machen wir, kein Problem. Und das hat ein Gigolo besonders ausgezeichnet, eine Belarus, ein Dondon, das sind einfach eine Weile Gold, lebt auch von ihrem Geist. Wenn sich dann hinterher besondere Potenziale, besonderes Talent mit einer besonderen Leistungsbereitschaft paaren, dann hat man eben den Knaller. Das ist das Besondere, was man dann findet. Und wir haben eine Entwicklung in der Zucht, die außergewöhnlich ist, das muss man mal sagen. Wir finden heute Pferde, also wenn ich heute junge Pferde anschaue, ich finde immer irgendwo ein Pferd, wo ich sage, boah, das ist ein tolles Pferd. Also es gibt eigentlich nicht mehr diese Situation wie früher, so ein bisschen die unmodernen, ein bisschen gröberen Pferde. Ich sage mal so gerne, vor 30 Jahren hatten wir entweder ein bisschen hysterische Pferde, wenn sie zu heiß waren, oder aber wir hatten das zu faule Pferd, wie wir so schön leider sagen, der Trecker. Das dazwischen war selten oder nie. Und heute haben wir diese dazwischen, diese Pferde, die motiviert sind, die leistungsbereit sind, die schick aussehen und darüber hinaus eben auch viel Motivation mitbringen.

[SPEAKER 1]Gibt es denn einen gewissen Typus Pferd, den du besonders präferierst? Du hast ja gerade von etwas dem feineren Typen wie Bella Rose gesprochen, Don Johnson vielleicht eher auf der anderen Seite davon. Was ist so der Typus, der dir am besten liegt? Oder sagst du, okay, ich versuche mit jedem Pferd diese Vision zu entwickeln, weil ich möchte selber auch als Reiter so variabel sein?

[SPEAKER 2]Es gibt kein Pferd oder keine Schablone, nach der ich suche. Ich glaube, das zeigen auch alle unsere Pferde. Wir haben so unterschiedlich Pferde gehabt. Warum nicht ein El Santo, eine Bella Rose, eine Weyelgold, ein John Johnson. Wenn man diese Pferde alle irgendwo nebeneinander stellt, dann weiß man gar nicht, welchen Typus ich sozusagen suchen würde. Ganz im Gegenteil. Ich lasse mich von einem Pferd beeindrucken oder inspirieren. Ich sehe ein Pferd und bin davon, wie man so schön sagt, angefixt oder nicht. Und das ist unabhängig von Geschlecht, Farbe oder Geschlecht, völlig egal.

[SPEAKER 1]Und fährst du bis heute auch noch los und scoutest richtig? Fährst du dann zu den Züchtern und schaust dir mal die Dreijährigen an?

[SPEAKER 2]Das ist ganz selten, weil ich einfach die Zeit nicht habe. In den Zeiten von Internet und WhatsApp bekomme ich ziemlich viele Informationen. Ich habe auch einige gute Leute, die mich mit entsprechenden Informationen versorgen, um dann gezielt auch suchen zu gehen. Oder mittlerweile werden mir auch eine ganze Menge Pferde vorgestellt zu Hause, weil ich es einfach nicht schaffen kann.

[SPEAKER 1]Nun ist das Pferd ja die eine Seite der Medaille, allerdings im Sattel muss es ja auch funktionieren. Wie treibst du dich persönlich zu diesen Leistungen immer wieder an? Also es gibt ja, wenn man sich Sportlerkarrieren anschaut, unabhängig jetzt mal vom Pferdesport, gibt es welche, die schaffen einmal den großen Erfolg und dann vielleicht ist es ein One-Hit-Wonder. Aber du hast ja geschafft, konsistent Jahr für Jahr, Championat für Championat da zu sein. Was treibt dich da persönlich an?

[SPEAKER 2]Also ich glaube, wenn man das Glück hat im Leben, das machen zu können tagtäglich, was man liebt, dann muss man nicht nach Motivation oder sonst was fragen, sondern dann ist es einfach ein Privileg, was man immer mehr und auch je länger man dabei ist, zu schätzen weiß und zu schätzen lernt. Es macht mir einfach unglaublich Spaß. Und dass ich das jeden Tag machen kann und immer wieder neue Pferde sehe und auch in den Stall bekomme und einfach, da ist überhaupt gar kein Moment, wo ich sage, ich habe gar keine Lust dazu oder ähnliches. Natürlich kommt irgendwann der Tag, wo man sagt, man muss jetzt nicht die Turnierreisen mehr machen oder es ist jetzt irgendwann an der Zeit, die aktive Karriere zu wenden, aber die Pferde und was da alles immer wieder auf einen zukommt, das ist zeitlos.

[SPEAKER 1]Also ist am Ende das Endprodukt dieser langen Reise mit einem Pferd, dass man vielleicht auch auf ein Championat mit dem Pferd kommt, eine Medaille?

[SPEAKER 2]Das Verwirklichen und Realisieren einer Vision, das ist unglaublich kraftvoll, unheimlich inspirierend und letztlich auch lebenserfüllend.

[SPEAKER 1]Gibt es da gewisse Idole aus deiner Vergangenheit, wo du auch selber geschaut hast, okay, das finde ich super, wie die das reitheitlich gemacht haben. Es gibt ja immer so Menschen, die einen geprägt haben. Du hast jetzt Dr. Schultenbaumer genannt. Gibt es noch weitere, wo du sagst, okay, das ist für mich auch ein Vorbild gewesen, gerade in der Anfangszeit, wo ich aufschauen konnte?

[SPEAKER 2]Also ich habe immer zu allen meinen, sei es jetzt Konkurrenten, Konkurrentinnen, zu allen, auch Springreiter, wie auch immer, ich habe versucht, ganz viel mir auch abzugucken. Der Doktor hat immer so schön gesagt, ein Drittel klaut mal mit den Augen. Am Abreiteplatz. Aber auch generell, es gab nicht das eine Idol, sondern es war der Respekt für jeden da, der einfach etwas Gutes aus einem Pferd gemacht hat und der ein Pferd entwickelt hat. Und das Endprodukt irgendwo zu beobachten, Pferde zu sehen, wie sie dann sich wirklich präsentieren und auch selbst präsentieren, das hat mich immer fasziniert und das habe ich immer versucht zu beobachten und letztlich auch selbstkritisch umzugehen. Ich muss das ja nicht an die große Glocke lenken, aber dass ich im Kämmerlein versuche, selbstkritisch zu entwickeln und zu sehen, was muss ich verändern, was muss ich besser machen. Ein gutes Beispiel ist, dass ich mit Ernie damals wirklich echte Probleme bekam in der Piaffe und ich muss jetzt mal irgendwie eine neue Idee kriegen, ich muss das ändern, ich kriege es nicht hin. Ich habe alle Tipps und guten Ratschläge geschlugen, auch viel. Und dann habe ich seit DH mit José Garcia Mena, einem spanischen, auch Champions-League-Reiter, eine, habe ich einfach gefragt, mir zu helfen und seitdem ist eine tolle Zusammenarbeit, mittlerweile Freundschaft, entstanden. Er hat mir einfach ganz, ganz wichtige Tipps, Tipps ist zu wenig gesagt, er hat mir einfach eine unglaubliche Inspiration gegeben, mit den Beginn, mit Piaffen, mit Pferden anzufangen, sodass es völlig auch stressfrei und unkompliziert und heute ist die Piaffe kein Thema in der Regel bei einem Pferd mehr für uns.

[SPEAKER 1]Wie reflektierst du das Ganze? Bist du im stillen Kämmerchen ein paar Tage und sagst, Mensch, das funktioniert hier alles nicht, ich muss was verändern und dann kommt der Geistesbitz, tauscht ihr euch im Team aus, ist das ein Team-Approach, wie ist da der Ansatz?

[SPEAKER 2]Ja, also erstens ist es ohne Frage ein Austausch im Team, zu Hause wissen sie schon immer, dass ich, wenn ich dann sage, jetzt muss mal einer hingucken und guck mal, wie sieht das aus oder so und dann kommt da nicht direkt was, dass ich dann schon ziemlich mürrisch werde, um es vorsichtig auszudrücken, weil ich erwarte da die Kritik und dann ist natürlich das auch immer mal so, dass wenn dann irgendwo eine Kritik kommt, dann ist sie auch manchmal falsch, also das ist dann einfach ein Wachsen und auch eine Emotion, das ist so. Es ist eine Entwicklung, genauso wie ich umgekehrt mit meinen Schülern natürlich versuche perfektionistisch an die Dinge da ranzugehen und dann das Optimale zu erreichen, aber es ist einfach ein Prozess, da wo man früher gesagt hat, ich muss jetzt heute irgendwie das hinbekommen, hat man natürlich im Laufe der Jahre auch gelernt zu sagen, irgendwie geht das heute nicht, lass es mal sein und man fängt am nächsten Tag wieder von vorne an und sieht, es geht dann auch ohne, dass man jetzt nochmal versucht, also diese Kooperation, diese Diskussion, die man hat im Team mit dem Pferd, das alles ist ein ganz langer Prozess und Entwicklungsprozess, der mit dem einen Pferd schneller, mit dem anderen langsamer geht, aber wo die Erfahrung natürlich unglaublich wertvoll ist.

[SPEAKER 1]Und ich glaube das ist ja ganz wichtig, so konstruktives Feedback, es gibt ja eigentlich nichts besseres, um sich weiterzuentwickeln, zu wachsen, sich zu verbessern und das am Ende ist das, was du sagst, so konstruktives Feedback, was einen weiterbringt, da muss man auch kritisch hinschauen.

[SPEAKER 2]Ja man muss offen sein für Entwicklung, also die Pferde haben sich eben wahnsinnig entwickelt und man muss sich mit dem Pferd mitentwickeln und nicht sagen, ich hab das so gelernt und das muss jetzt so gehen und das Pferd muss sich dem so anpassen, ich muss mich mit dem Pferd entwickeln und dem Pferd anpassen und nicht umgekehrt, das ist eigentlich die wichtigste Erkenntnis der letzten 20 Jahre, die ich für mich gewonnen habe.

[SPEAKER 1]Machst du eigentlich wie Ausgleichssport, machst du noch andere Sachen?

[SPEAKER 2]Ich hab leider keine Zeit, mein Sohn ist mein Ausgleichssport sozusagen oder umgekehrt. Mental und physisch. Theoretisch sollte ich natürlich mal ein bisschen Ausgleichssport machen, aber das ist sehr selten.

[SPEAKER 1]Bereitest du dich mental auf diese Stresssituation vor, also jetzt Olympiade, Grand Prix Spezial, Einreiten, stell ich mir schon vor, da lasst es ja schon Druck auf einen. Nimmst du das dann wahr?

[SPEAKER 2]Aber das ist etwas, was einen natürlich positiv auch trägt. Man muss natürlich auch lernen mit dem Misserfolg umzugehen und das Leben geht dann auch weiter und der nächste Montag kommt bestimmt. Und das ist glaube ich auch wichtig, dass man, wenn man etwas mit Spaß, mit Freude macht, dann weiß man zwar, dass man auch mal zwischendurch zerrissen wird, wenn es nicht so gut läuft oder wenn man Fehler macht, aber am Ende des Tages macht man es für sich und muss dann auch das Gute mitnehmen, das Schlechte liegen lassen. Der Druck ist für mich jetzt ein positives Ventil, letztlich auch die letzte Konzentration und einfach dann auch den Ehrgeiz auf den Punkt zu bringen.

[SPEAKER 1]Den letzten Biss am Ende, um danach abzuliefern.

[SPEAKER 2]Genau, genau, wenn man sagt, das kriegen wir schon hin, dann weiß man genau, also man weiß es eben nicht genau. Manchmal unterlaufen einem ja so ein bisschen diese Flüchtigkeitsfehler, wenn man denkt, ach ja, das kriegen wir schon hin. Und dann auf einmal wird man da mal kurz belehrt, kriegen wir doch nicht hin, da kommen Fehler, da glaubt man gar nicht, dass man die macht, die hat man die ganze Zeit nicht gemacht und dann wird man auch wieder kurz ein bisschen…

[SPEAKER 1]Schlendrian.

[SPEAKER 2]Genau, und dann wird man auch mal wieder auf den Topf gesetzt in die Realität, das ist ganz wirkungsvoll.

[SPEAKER 1]Am Ende auch eine Disziplinfrage. Ja, genau so. Man muss wahrscheinlich mit sich selber da auch sagen, okay, wir müssen uns zusammenreißen, ich muss mich zusammenreißen und los geht’s. Es ist ja sehr viele Verbände und auch bei uns im Pferdesport ist es ja so, das Thema Mentaltraining kriegt eine große Rolle. Wie schaust du auf das Thema? Ist das was für dich oder sagst du, ne, ich bin mental so gesettelt, das brauch ich nicht?

[SPEAKER 2]Nein, ich hab das nie damals in jungen Jahren erlebt oder gehabt. Ich sag immer, Dr. John Bormer war 16 Jahre mein Lehrmeister und Mentaltrainer, da bin ich gestellt sozusagen und gestärkt fürs Leben. Aber um Gottes Willen, das Angebot ist heute ein ganz anderes, der Wissensstand ist ein ganz anderer. Man hat vieles aus dem, ich sag jetzt mal, humanen Sport in den Reitsport mit übernommen und wem es nutzt, um Gottes Willen. Jeder soll das für sich wahrnehmen, was ihm wichtig und was gut für ihn ist, um optimal letztlich auch sein Potenzial auszuschöpfen. Für meinen Teil brauch ich es nicht, aber das muss jeder für sich entscheiden, wie es für ihn richtig und wichtig ist.

[SPEAKER 1]Wie schaust du so auf die jüngere Generation von Nachwuchs, die jetzt in den Sport kommt? Du bist ja seit einigen Generationen, ich hoffe, ich tritt dir jetzt nicht zu nah. Du hast ja einige Generationen an Reitsportlern gesehen. Wie schaust du auf die jüngere Generation, die jetzt in den Sport kommt?

[SPEAKER 2]Ja, es gibt ja wirklich große Möglichkeiten und Chancen, jetzt auch für die jüngere Generation. Ein bisschen kritisch schaue ich darauf, dass Hausmannship, also das wirklich das Gewachsene aus der Reiterei, aus dem Pferdesport ein bisschen weg stirbt. Deshalb, weil einfach auch die Lebensbedingungen, Lebensumstände und das gesamte soziale Umfeld ein anderes geworden ist.

[SPEAKER 1]Wird es kurzlebiger?

[SPEAKER 2]Erstens wird es kurzlebiger, zweitens, und ich sage jetzt mal, die digitalen Medien tun ein Übriges dazu, dass es ein bisschen alles schnelllebiger und oberflächlicher wird. Aber am Ende des Tages, die ländliche Reiterei, wo wir viele Reiter früher rekrutiert haben, die Höfe, die Landwirtschaften, die dort aufgewachsen sind mit Tieren, mit Pferden, das hat sich doch sehr stark…

[SPEAKER 1]Fundamentaler Wandel.

[SPEAKER 2]So, das hat sich doch sehr stark geändert und darüber haben wir halt sehr viele Pferde und Tierfreunde rekrutiert, die mit dem natürlichen Aufwachsen eines Tieres vertraut waren und nicht mit dem angelernten Wissen vertraut waren. Das macht einen sehr großen Unterschied in der Beurteilung des Gesamten und das ist ein sehr kritischer Punkt, dem ich sorgenvoll entgegenblicke.

[SPEAKER 1]Du bist wenig bis gar nicht auf Social Media vertreten, ist das eine bewusste Entscheidung?

[SPEAKER 2]Das ist eine sehr bewusste Entscheidung, erstens, weil ich gar nicht die Zeit habe, mich damit intensiv zu beschäftigen. Das hat sich so entwickelt. Man kann auch sagen, ich habe mich nie damit so beschäftigt und deshalb ist das auch an mir ein bisschen vorübergegangen. Natürlich habe ich da auch mein Fett wegbekommen zwischendurch, aber eigentlich ist es mir dann im Laufe der Zeit auch ein bisschen zuwider geworden, mich außer Distanz, ohne dass man wirklich vis-a-vis und auch sachlich und konstruktiv mit vielen Dingen umgehen kann, sondern was nützt es mir, dass wir uns da gegenseitig beschimpfen oder Menschen Kritiken äußern, die eigentlich mit der Sache nicht vertraut sind oder es auch wenig oder gar nicht beurteilen können, weil es irgendwo an einem Bild oder an irgendwas festgemacht werden.

[SPEAKER 1]An irgendeinem 15-sekündigen Clip oder so.

[SPEAKER 2]Oder sonst was. Andererseits gibt es natürlich auch viel Positives daraus zu schöpfen. Wir haben die Möglichkeiten viel schneller etwas an einen Menschen heranzutransportieren. Also es hat sein Positives und sein Negatives. Für mich persönlich, wenn es an meine Person geht oder an die persönlichen Dinge, finde ich es einfach auch uninteressant, dass ich der Menschheit mitteilen muss, ob ich jetzt morgens um 6 oder um 7 aufgestanden bin oder ob ich jetzt Müsli oder ein Nutella Brötchen gegessen habe. Also diese ganzen Ergüsse sind mir einfach nicht gegeben. Das ist nicht mein Ding. Und ein paar natürlich Informationen, die auch sachlich und wichtig sind, finde ich gut. Das müsste ich vielleicht auch verprofessionalisieren. Aber ansonsten bin ich hundertprozentig dabei, wenn es uns, ich sag mal Social Media oder auch generell das Netz zu nutzen, um unseren Sport transparenter zu machen, um es sachlich zu diskutieren, um das Pferd an den Menschen heranzubringen, aber auch den ganzen Hintergrund des Pferdes an den Menschen heranzubringen. Das fehlt ja häufig bei vielen Dingen. Was steht eigentlich alles dahinter? Wer 24 Stunden, 7 Tage die Woche kümmert sich ein Team um das Wohlergehen der Pferde? Wir werden ja in den nächsten Monaten das ganze Ausmaß, mehr das Ausmaß der Pandemie erleben, wie viele Menschen doch in wahrscheinlich zukünftig unter Bedingungen leben müssen aufgrund wirtschaftlicher Probleme und so weiter, die sich ergeben, Krankheitsproblematiken. Und wenn wir das ganze Know-how, was wir um das Pferd herum aufgebaut haben, den ganzen Markt, den ganzen Wirtschaftsmarkt um das Pferd herum, dann wird es uns hoffentlich besser gelingen, den Status, den das Pferd in unserem Leben bekommen hat und das Wohlergehen des Pferdes besser rüber zu bringen.

[SPEAKER 1]Und ich glaube ich würde es fast noch weiterführen, in der Gesellschaft eigentlich auch. Weil diese Probleme, die du angesprochen hast, ländlicher Raum, die Leute wachsen nicht mehr mit Pferden auf, Bauernhöfe gibt’s nicht mehr, so wie früher, so wie wir alle auch aufgewachsen sind. Das ist glaube ich ein Problem für die Generationen von morgen, die am Ende dann auch reiten sollen, die sollen einen Sattel kaufen, die müssen auch irgendwie Unterricht bekommen und das ist glaube ich ein fundamentales Problem, wo wir als Pferdesport uns auch ein bisschen fragen müssen, warum können wir es nicht besser verkaufen.

[SPEAKER 2]Es ist einfach nicht genau das Problem, es ist ja kein Vorwurf, sondern es gibt gar nicht die Möglichkeit mehr so aufzuwachsen, wie wir aufgewachsen sind für den größten Teil der Bevölkerung. Und das macht die Sache eben auch schwierig das ranzubringen, das zu, heute ist das Reiten, die Reitstunde ähnlich wie die Tennisstunde, ranfahren, absetzen, weiterfahren, Oder eben absteigen, Pferd weg oder auch nicht und wieder nach Hause fahren. Das Leben mit dem Tier, mit dem Pferd hat eine ganz andere Bedeutung aufgenommen.

[SPEAKER 1]Nun bist du eine Person, die auch immer gerne ihre Meinung äußert, nicht nur hier im Podcast, natürlich generell. Du bist seit neuestem Präsidentin des internationalen Ressortreiterclubs. Damit könnte man fast sagen, du gehst in die Sportpolitik.

[SPEAKER 2]Nein, ich gehe nicht in die Sportpolitik, noch reite ich noch ein bisschen. Es hat sich ein bisschen so ergeben, dass dieser Posten sozusagen vakant wurde und wir schon über viele Jahre immer wieder ein bisschen die Position und die Organisation der Reiter und die Wahrnehmung der Meinung der Reiter auch verbessern wollten und diskutiert haben.

[SPEAKER 1]Und ich muss sagen, dass als ich jetzt die Situation angehabe, dass eben Kyra die Position, Kyra Kirklund, deine Vorgängerin, ich möchte einmal kurz erklären, das ist quasi der aktiven Verband, die Organisation der Aktivenschaft der Dressurreiter.

[SPEAKER 2]Das ist richtig, dass praktisch möglichst viele internationale Reiter in einer Organisation, dem internationalen Reiterclub zusammenführen, um unsere Interessen, die im internationalen Spitzensport, die wir vertreten wollen, die wir verbessern wollen, dann eben auch verbalisieren und an geeigneter Stelle, in diesem Fall ist die FI, unsere Dachorganisation, eben auch entsprechend rüberbringen und versuchen eine möglichst gemeinsame, optimale Lösung für alle Beteiligten herauszufinden. So und das ist jetzt unsere Aufgabe und wir versuchen einfach noch mehr Reiter zu rekrutieren, damit wir auch je mehr Meinung, je mehr Unterstützung und je mehr Mitglieder dieser Club hat, desto stärker können wir auch erstens die unterschiedlichen Probleme, zweitens unsere Interessen vertreten. Und ich bin sehr froh, dass Klaus Röser der General Secretary geworden ist, also sozusagen unser Generalsekretär, der das ganze operative Geschäft in wirklich hervorragender Art und Weise begleitet und macht.

[SPEAKER 1]Und gleichzeitig Dressur-Ausschuss-Vorsitzender?

[SPEAKER 2]Das auch, aber das hat in diesem Falle nichts damit zu tun, sondern das ist wirklich eine intensive und auch aufgabenträchtige Position, weil es nicht nur das Lesen von tausend E-Mails und Seiten ist, sondern eben auch das Beantworten und Machen. Das wäre mir neben Reiterei und Sport so nicht möglich und wir sind jetzt wirklich ein tolles Team und wir haben auch ein gutes Board zusammen, sodass wir doch denken, ein bisschen etwas bewegen zu können.

[SPEAKER 1]Wie siehst du die Entwicklung im Sport generell? Es gibt ja in den vergangenen Tagen gab es ja durchaus prominente Meldungen, wie viel Geld auch in den Sport fließt, auch in Deutschland. Stichwort Ludger Baerbaum, der einen großen Teil seiner Geschichte verkauft hat an einen Finanzinvestor. Wie siehst du dieses Thema Geld im Sport und die Entwicklung?

[SPEAKER 2]Naja, es war immer schon so, dass das natürlich in Teilen der Reitsport mit sehr viel Geld, ich sag jetzt mal, beseelt ist. Es gibt finanzstarke Besitzer, Sponsoren, Interessen, die da vertreten sind. Aber es gibt natürlich auch ganz viele Reiter, die eben nicht die Chance haben, sich im Spitzensport zu etablieren, weil sie nicht mit den richtigen Pferden beseelt sind, weil sie nicht die Unterstützung haben. Aber das ist wie überall im Leben, sagte ich schon, die richtigen Menschen an der richtigen Stelle haben, die letztlich Talente und auch Möglichkeiten eröffnen. Ansonsten haben wir freie Marktwirtschaft und wir können ja nur begrüßen, dass wir auch Unternehmen und Investoren aus anderen Branchen in unserem Sport haben, dass sich der Sport in den letzten, weiß ich nicht, 20, 30 Jahren fortwährend kommerzialisiert hat. Jan Topps ist ja ein leuchtendes Beispiel, auch ein finanzstarken Investor im Laufe der Zeit neben ihm, der dann eine neue Entwicklung hervorgeführt hat mit der Global Champions Tour, mit anderen Einflüssen. Also alles das, was uns hilft, den Sport breiter, stärker aufzustellen. Natürlich aber auch das gesamte, ich sag mal, Marktwesen kann ja nur begrüßt werden. Man muss es einfach sehen, wie wird sich das entwickeln. Und das Einzige, was man natürlich schon beobachten muss, ist, wie wird die Marktposition, ich meine, Hexrand, Ressage und dann Waterland haben jetzt ja auch schon eine ganze Menge veranstaltet und investiert. Man muss natürlich insgesamt die Marktsituation bewerten. Hengst-Auktion, Hengst-Körung und so weiter. Der normale Hengst-Aufzüchter bzw. die normale Hengst-Station hat natürlich im Moment kaum noch eine Chance, an einen Hengst zu kommen, wenn Hexrand, Ressage den haben möchte. Also da ist natürlich eine Gefahr der Monopolstellung schon diskussionswürdig, aber am Ende ist es auch eine Herausforderung. Ich bin immer ein Mensch, der sagt, Leistung setzt sich durch. Also es tut sich was, das begrüße ich, aber natürlich muss man versuchen, auch ein bisschen ein Gleichgewicht zu erhalten.

[SPEAKER 1]Liebe Isabel, am Ende eines jeden WeHouse-Podcasts gibt es die vier klassischen WeHouse-Fragen, die ich jetzt auch dir stellen möchte. Du hast gerade schon versucht abzugucken, ich drehe jetzt mal die Zeit. Aber keine Sorge, du wirst sie problemlos beantworten.

[SPEAKER 2]Ich wusste ja gar nicht, was auf mich zukommt, deshalb bin ich noch ganz unschuldig.

[SPEAKER 1]Frage 1. Hast du ein Motto, nach dem du lebst?

[SPEAKER 2]Es geht immer irgendwie weiter.

[SPEAKER 1]Das war kurz und prägnant, sehr gut. Dann Frage Nummer 2. Gibt es einen Menschen, der dich vielleicht im Hinblick auf die Pferde besonders geprägelt hat? Wir haben gerade kurz schon mal angerissen, aber vielleicht magst du es noch einmal zusammenfassen.

[SPEAKER 2]Dr. Schoenbaumer und Madelaine Winter-Schulze.

[SPEAKER 1]Frage Nummer 3. Wenn du Reitern oder Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihren Pferden auf den Weg geben könntest, was wäre es?

[SPEAKER 2]Die Leidenschaft fürs Pferd muss immer im Vordergrund stehen und darauf basierend wird man immer etwas entwickeln können.

[SPEAKER 1]Und zum Abschluss vervollständige diesen Satz. Pferde sind für mich.

[SPEAKER 2]Lebensinhalt.

[SPEAKER 1]Großartig. Isabelle, es hat sehr viel Spaß gemacht. Weiterhin alles Gute und bis bald.

[SPEAKER 2]Okay, vielen Dank. Hat Spaß gemacht. Danke.

[SPEAKER 1]Wenn dir dieser Podcast gefallen hat, abonniere uns. Du findest uns überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Vor allen Dingen auf Apple Podcast, Spotify und Deezer. Also dann bis zum nächsten Mal. Tschüss.

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