Der allergrößte Vorteil der Arbeit an der Hand ist das Verständnis des Pferdes: Ohne Reitergewicht kann das Pferd lernen, was vor allem für die Seitengänge eine große Hilfe ist. Genau das macht sich die Klassische Reitkunst enorm zu Nutzen. Weitere positive Effekte, die im Laufe der Ausbildung an der Hand hinzu kommen, sind zum Beispiel Gymnastizierung, Kräftigung und das verbesserte Auf- und Abfußen. Daher gehört die Arbeit an der Hand mit zum Ausbildungsrepertoire in der Klassischen Reitkunst. In Anja Berans Stall erhalten beispielsweise nahezu alle Pferde zusätzlich zum Reiten eine Ausbildung an der Hand. Doch es gibt auch bei ihr Ausnahmen!
Sollte jedes Pferd auch an der Hand arbeiten?
In ihrem Buch „Klassische Reitkunst“ betont Anja Beran das: „Handarbeit ist kein Muss, um zu einem feinen und rittigen Pferd zu gelangen“, schreibt sie da, denn es käme immer auf’s Pferd an. Hengste, die sehr verspielt seien und die man an der Hand ständig maßregeln müsse, wären zum Beispiel in vielen Fällen unter dem Reiter besser und vor allem konzentrierter zu schulen, als an der Hand.
Handarbeit ist kräftigende Gymnastik
Claudia Butry, Anja Beran-Schülerin und Trainerin A FN, findet viele Vorzüge für die Arbeit an der Hand: „Ich kann die Pferde am Boden gut für die Arbeit unter dem Sattel vorbereiten und habe eine gute Möglichkeit, die Pferde zu gymnastizieren, wenn ich mal nicht drauf sitzen will.“ Auch sie sagt, „dass man an der Hand die Seitengänge besonders gut dem Pferd verständlich machen kann.“ Jeder unserer wehorse-Ausbilder, ob es Kathrin Roida, Anja Beran, Richard Hinrichs ist, beginnt bei der Arbeit an der Hand mit den Übungen Schritt-Halt-Schritt. Das sauber hinzubekommen ist die erste, wichtige und gar nicht so einfache Aufgabe!
Der Einstieg in die Arbeit an der Hand
Genauso macht das auch Ausbilderin Karin Hess-Müller. In ihrem Kurs Ausbildung an der Hand – die Grundlagen wird ganz genau erklärt, wie das Pferd an das Touchieren mit der Gerte gewöhnt wird und wie der Mensch seine Handhaltung übt. Die Pferdewirtschaftsmeisterin ist nicht der Klassischen Reitkunst zuzuordnen, aber ist für ihre gute Arbeit an der Hand bekannt, die sie in Spanien von Manuel Rodriguez Gonzales erlernte. Hier kann man also gut Gemeinsamkeiten zwischen konventionellen Dressurausbildern und Klassischer Reitkunst feststellen.
Zum Beispiel betont Karin Hess-Müller die weiche und lockere Führung der Zügel – genauso wie Kathrin Roida in ihren Kursen. Diese Ausbilderin sind übrigens sehr spannend für Einsteiger. Kathrin Roida zeigt nämlich, wie Du vom Führen des Pferdes am Halfter über die ersten Schritte am Kappzaum hin zur Arbeit mit der Trense an der Hand gelangst.
Der erste Baustein für das Pferd ist also das Üben von Antreten und Losgehen im Schritt. Dafür bleiben Pferd und Mensch zunächst auf dem ersten Hufschlag, so dass die Bande noch Stabilität bietet.
Was Ausbilder unterschiedlich bei der Handarbeit unterrichten
Ob der Ausbilder im Schritt bei Halt-Schritt selbst rückwärts oder vorwärts geht, das handhaben die Ausbilder unterschiedlich. Die meisten bleiben nach vorn gewandt. Das Rückwärtsgehen wird bei den meisten hinzu genommen, wenn es für das Touchieren der Hinterbeine notwendig wird. Katrin Hess-Müller führt das Rückwärtsgehen auch schon anfangs ein. Genauso wie das Schnalzen als Stimmsignal.
Claudia Butry baut mit ihren Schülern häufig die Arbeit an der Hand parallel zum Reitunterricht auf. Der erste Schritt ist auch hier: Übergänge von Halt-Schritt-Halt. Danach folgen Rückwärtsrichten und Übertreten. Erst danach folgen Seitengänge wie Schulterherein, Renvers und Travers.
Übertreten an der Hand als Hilfe für das Reiten
Grundsätzlich kann man jedoch behaupten, dass die Klassische Reitkunst die Arbeit an der Hand in viel stärkerem Maße nutzt als zum Beispiel die Deutsche Reitlehre. In der H.Dv.12, der Heeresdienstvorschrift von 1912, welche die Grundlage der heutigen FN-Richtlinien darstellt, wird zwar sowohl das Abkauenlassen an der Hand als auch das Übertretenlassen an der Hand beschrieben. Beides jedoch sehr rudimentär, auf einer Seite pro Aufgabe ist hier alles gesagt.
Das Übertreten wird in unserem Kurs Gymnastizieren an der Hand – vom Führen bis zur Piaffe mit Kathrin Roida sehr schön erklärt. Übertreten ist der Einstieg, oder besser: die direkte Vorübung für die Seitengänge. Das Übertreten verbessert die Geschmeidigkeit der Bewegung und erklärt dem Pferd, wie es seitwärts treten kann. Auch die Durchlässigkeit wird verbessert, vor allem, wenn Trab-Schritt-Übergänge mit einbezogen werden. Solche Übungen haben einen direkten Nutzen, wenn sie vor dem Reiten zum Aufwärmen am Boden gemacht werden: Das Pferd ist warm, fußt weicher und leiser auf, es beugt die Gelenke besser. Langfristig sorgen sie neben der Geschmeidigkeit auch für die Kräftigung des Pferdes.
Den Spanischen Schritt an der Hand erarbeiten
Eine Paradelektion an der Hand ist natürlich der imposante Spanische Schritt. Er hat eine hohe gymnastische Wirkung und kann die Schulterfreiheit des Pferdes verbessern. Doch Achtung, eigentlich gehört er nicht wirklich in den Bereich Reitkunst! „Der Spanische Schritt gilt leider nicht als klassische Lektion“ erklärt Anja Beran, und fügt hinzu: „da kann man drüber streiten, weil die Klassik orientiert sich ja an der Natur des Pferdes, jeder Hengst auf der Koppel, wenn er mit dem Rivalen rangelt, greift er mit dem Vorderbein eben mal waagerecht nach vorn und schlägt oder tritt damit.“ Sie beginnt mit dem Touchieren des Vorderbeins mit dem Gertenknauf und gibt sich anfangs mit ganz kleinen Bewegungen zufrieden.
Wichtiges Detail: Wo am Vorderbein das Pferd am besten reagiert, ist unterschiedlich!
Piaffe und Passage an der Hand erarbeiten
Ein Ausbildername, an den viele Reiter bei der Kategorie „Klassische Reitkunst“ denken, ist Richard Hinrichs. Auch von ihm gibt es Kurse auf wehorse. Die Vorarbeit zur Piaffe an der Hand zeigt Richard Hinrichs zum Beispiel hier ab Minute 3:40. Schritt-Trab-Schritt Übergänge sind dabei essentiell wichtig. Wie diese korrekt ausgeführt werden, ist gut zu beobachten und auch das Stimmlob und die Stimmhilfe sind sehr gut nachzuvollziehen. Richard Hinrichs verrät hier auch kleine Tricks: Das Rückwärtstreten in kleinen Schritten ist beispielsweise ein wichtiges Hilfsmittel auf dem Weg zur Piaffe. Die Essenz seiner Lehrstunde: Energie übertragen und den Takt nicht stören, das macht eine gute Piaff-Arbeit aus. Das wiederum hat viel mit Rhythmusgefühl und Körperbewusstsein zu tun. Talent hilft da – Verbesserungen sind jedoch durch sorgfältige Vorarbeit absolut möglich!
Viel Spaß beim Stöbern, lernen und ausprobieren!