Rollkur ist kein Kavaliersdelikt. Sie ist kein Trainingsstil. Sie ist keine moderne Gymnastizierung. Rollkur ist ein Problem. Für dein Pferd. Für den Tierschutz. Für den Reitsport. Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist für alle, Reiter, Trainer und Pferdebesitzer äußerst wichtig, um für das Pferdewohl einzustehen und darum geht es in diesem Artikel
Was genau ist Rollkur?
Rollkur beschreibt eine Reitweise, bei der der Pferdekopf extrem nach unten gezogen und tief an die Brust gepresst wird. Das Kinn des Pferdes nähert sich dabei der Brust fast vollständig. Diese Haltung wird erzwungen. Sie wird über längere Zeit gehalten. Sie widerspricht der natürlichen Körpermechanik des Pferdes.
Einige Reiter behaupten, dass Rollkur die Rückenmuskulatur stärkt. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Dem Pferd wird erheblicher Schaden zugefügt, denn es leidet darunter.
Historischer Kontext und Begriffsklärung
Die Rollkur, auch als Hyperflexion bekannt, hat in der Reitwelt eine kontroverse Geschichte. Diese Trainingsmethode, bei der der Pferdekopf extrem tief und eng an die Brust gezogen wird, fand in den 1980er und 1990er Jahren besonders im Dressursport zunehmende Verbreitung. Während Befürworter die Methode als effektiv für die Muskelentwicklung priesen, löste sie ab 2005 eine heftige Debatte aus, als Tierschützer auf die potentiellen Schäden hinwiesen. Die FEI (Internationale Reiterliche Vereinigung) reagierte 2010 mit einem offiziellen Verbot der extremen Hyperflexion auf Turnieren.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der schädlichen Rollkur und der korrekten Dehnungshaltung (LDR – Long, Deep and Round), bei der das Pferd die Dehnung selbst sucht und der Rücken aufgewölbt bleibt. Aktuelle Studien belegen, dass die Rollkur die Nacken- und Rückenmuskulatur überlastet und langfristig zu Trageerschöpfung führen kann, während eine moderate, vom Pferd akzeptierte Dehnungshaltung therapeutischen Nutzen haben kann. Die Diskussion hat das Bewusstsein für biomechanisch korrektes Training im Reitsport nachhaltig geschärft.
Anatomische Hintergründe
Die Halswirbelsäule deines Pferdes besteht aus sieben Wirbeln. Diese Struktur ist flexibel, aber nicht dafür gebaut, extrem gebeugt zu werden. In der Rollkur wird die natürliche S-Form des Halses gebrochen.
Folgen extremer Überbeugung:
- Druck auf Bandscheiben
- Nervenreizungen
- Blockaden
- Probleme bei der Atmung
- Schmerzen
Ein gesunder Hals ist entscheidend für die Balance, Losgelassenheit und die Verbindung zwischen Hinterhand und Vorhand, die Rollkur zerstört dieses Zusammenspiel.
Was passiert im Körper des Pferdes?
Pferde sind Lauftiere. Ihre Anatomie ist für die Vorwärtsbewegung mit natürlicher Kopfhaltung gemacht. Die Nase sollte vor der Senkrechten getragen werden. Diese Haltung erlaubt freies Atmen, gute Sicht und einen lockeren Rücken.
Rollkur verhindert all das:
- Die Luftröhre wird abgedrückt
- Die Halswirbel werden überstreckt
- Die Sicht wird eingeschränkt
- Der Rücken wird blockiert
- Die natürliche Balance geht verloren
Stell dir vor, du müsstest joggen – mit dem Kinn auf der Brust. Du würdest sehr schwer atmen können und Schmerzen haben. Pferde fühlen das jeden Tag, wenn Hyperflexion im täglichen Training genutzt wird. Philippe Karl sagt dazu: „Die Rollkur ist eine Form der Hyperflexion, die die natürliche Bewegungsfreiheit des Pferdes einschränkt.“
Was sagen Studien und Wissenschaft zur Rollkur?
Untersuchungen der Universität Utrecht und weiterer Einrichtungen zeigen klar: Pferde unter Rollkureinwirkung sind gestresst, ihre Herzfrequenz steigt. Der Kortisolwert im Speichel liegt deutlich über dem Normalwert.
Dies sind wissenschaftlich belegte Folgen der Rollkur:
- Muskelverspannungen
- Bewegungseinschränkungen im Rücken
- Schlechtere Gangqualität
- Gelenkverschleiß
- Verhaltensauffälligkeiten
Diese Erkenntnisse lassen keinen Raum für Ausreden: Die Rollkur ist nicht harmlos, sondern ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für jedes Pferd.

Was macht die Rollkur mit der Psyche eines Pferdes?
Pferde fühlen Angst und Zwang.Sie werden unterdrückt. Pferde, die regelmäßig in Rollkur gearbeitet werden, zeigen psychische Auffälligkeiten. Dazu zählen eine innerliche Abgestumpftheit, Verhaltensmuster wie vermehrte Schreckhaftigkeit und Aggressionen können zunehmen. Das zeigt uns: Die Pferde leiden und fühlen sich nicht gehört. Das kann zu einem hohen Vertrauensverlust führen und die Mensch-Pferd-Beziehung nachhaltig schädigen.
Warum die ethische Verantwortung bei dir liegt
Rollkur ist keine Notwendigkeit, sondern sie ist eine Entscheidung. Reiter bestimmen, ob ein Pferd in einer Haltung arbeiten muss, die gegen seine Natur geht. Reiter entscheiden jeden Tag, ob sie tierfreundlich eine tiefe Beziehung mit ihrem Pferd eingehen – oder auf Kosten unserer wertvollen Vierbeiner agieren.
Pferde haben keine Stimme. Aber sie sprechen mit dir: Über ihre Haltung, über ihre Ohren und über ihren Blick. Die alten Meister wussten das schon immer, wenn du von ihrer Expertise profitieren möchtest, dann schau dir doch mal unsere Kurse mit Legenden wie Paul Stecken und Klaus Balkenhol an.
Welche Alternativen gibt es?
Kein Reiter benötigt die Rollkur. Es gibt Trainingsmethoden, die Rücksicht auf Anatomie und Psyche nehmen. Du kannst effektiv trainieren, ohne Druck, ohne Zwang, ohne Gewalt. Die klassiche Dressur nach biomechanischen Grundsätzen oder auch die Ecole de Légèreté, angeführt von Philippe Karl, lehren diese Grundlagen.
Zudem kannst du auch mit der Bodenarbeit die Muskulatur deines Pferdes gezielt ansprechen und die Bindung wirklich stärken. Lisa Röckener zeigt dir in unseren Kursen ganz genau, wie du dein Pferd vom Boden aus trainieren kannst.
Richtig in Anlehnung reiten, bedeutet auch mal Rückschritte hinnehmen, bis sich ein Pferd reell tragen kann, dauert es eine Zeit. Die Pferde müssen erst Kraft bekommen, um sich selbst in der korrekten Anlehnung halten zu können. Unsere Experten, wie Anja Beran und Uta Gräf, erklären Schritt für Schritt, wie du dein Pferd in einer reelle Anlehnung vor die Senkrechte arbeiten kannst.
Natürlich musst du auch jedes Pferd individuell nach Exterieur und Ausbildungsstand betrachten und arbeiten. Aber die hier gezeigten Wege fördern nicht nur Kraft, Beweglichkeit und Versammlungsfähigkeit. Sie stärken auch Vertrauen und sie fördern die Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd.
Wie steht die FEI zur Rollkur?
Die FEI hat die Rollkur 2010 offiziell verboten. Doch das Verbot hat Schlupflöcher. Die Methode „Low, Deep and Round“ bleibt erlaubt. Diese Position ist nur eine abgeschwächte Rollkur. Sie unterscheidet sich nicht wirklich grundlegend.
Was läuft also falsch mit der aktuellen Regelung?
- Unklare Regeldefinition
- Fehlende Kontrollen auf Turnieren
- Unklare Grenzen zwischen Training und Missbrauch
- Unterschiedliche Auslegung in verschiedenen Ländern
Wenn du auf dem Turnier Pferde siehst, die unter Zwang gehen, musst du nicht schweigen. Du kannst dich einbringen, melden, beobachten und hinterfragen.
Stimmen gegen die Rollkur
Viele Stimmen aus Fachkreisen lehnen die Rollkur klar ab. Dazu gehören Tierärzte, Ausbilder, Reiter mit Ethikbewusstsein. Zu diesen Stimmen gehören Philippe Karl, Physiotherapteuten, zahlreiche Tierärzte und Reiter aus allen möglichen Bereichen.

Rollkur im Alltag erkennen – die Warnzeichen
Nicht nur im Spitzensport findet Rollkur statt. Auch im Reitunterricht oder auf dem Reitplatz nebenan. Oft sind es keine bewusst eingesetzten Techniken. Sie entstehen aus Unwissenheit oder falschem Ehrgeiz.
Achte auf diese Warnzeichen:
- Das Pferd trägt den Kopf stark hinter der Senkrechten
- Die Ganaschen wirken eingeklemmt
- Die Unterhalsmuskulatur ist stark ausgeprägt
- Das Pferd schnorchelt, prustet oder zeigt Atemprobleme
- Das Gangbild wirkt fest oder spannungsgeladen
- Es gibt Widersetzlichkeit oder Unruhe
Rollkur und das Gesetz
In vielen Ländern ist die Rollkur bereits Thema juristischer Auseinandersetzungen. Denn die Frage ist berechtigt: Verstößt sie gegen das Tierschutzgesetz?
In Deutschland gilt:
§ 1 TierSchG – Grundsatz
„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Dieser Paragraph bildet die ethische und rechtliche Grundlage des Tierschutzes in Deutschland.
§ 3 TierSchG – Verbotene Handlungen
Der § 3 des Tierschutzgesetzes listet spezifische Handlungen auf, die verboten sind. Besonders relevant in Bezug auf Trainingsmethoden und Zwangsmethoden sind:
- Nr. 5: „ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind.“
- Nr. 9: „einem Tier durch Anwendung von Zwang Futter einzuverleiben, sofern dies nicht aus gesundheitlichen Gründen erforderlich ist.“
- Nr. 11: „ein Gerät zu verwenden, das durch direkte Stromeinwirkung das artgemäße Verhalten eines Tieres, insbesondere seine Bewegung, erheblich einschränkt oder es zur Bewegung zwingt und dem Tier dadurch nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, soweit dies nicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulässig ist.“
Diese Bestimmungen verdeutlichen, dass Trainingsmethoden, die mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind, sowie der Einsatz von Zwangsmethoden grundsätzlich verboten sind.
Turniererfolg um jeden Preis?
Im Sport zählt Leistung. Doch jeder von uns muss sich fragen: Was hat das für einen Preis? Ist es fair, ein Pferd unter Druck zu setzen, damit es bessere Noten bekommt?
Wahre Partnerschaft sieht anders aus, denn niemand braucht eine Medaille, die auf Schmerzen basiert. Vertrauen und ein gesundes, glückliches Pferd sind viel wichtiger.
Dabei sollten wir natürlich nicht alle Turnierreiter über einen Kamm scheren, es gibt in jedem Sport schwarze Schafe. Durch die Debatte der letzten Jahre hat eine Sensibilisierung in der Reiterwelt stattgefunden. Viele achten vermehrt auf das Treiben der Abreiteplätze, auf das, was auf Reitplätzen passiert. Und genau das wird gebraucht, ein tieferes Verständnis für die Pferde und die korrekte Ausbildung, sowie Gymnastizierung ebendieser. Es gilt: Sich stets zu hinterfragen und auch die Reiter um einen herum, darauf kommt es an.