Freiarbeit mit deinem Pferd: Let’s get started!

Freiheitsdressur Horsemanship
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Ein Gastbeitrag vom Blog www.alifewithhorses.de

Eine gute Freiarbeit oder auch Freiheitsdressur sieht oft so unerreichbar aus: Wenn Lisa Röckener ihren Valoo ruft und er ohne Strick und Zaum um sie herumgaloppiert, dann ist Gänsehaut angesagt. Aber wie funktioniert das eigentlich und wie kann man selbst mit seinem Pferd die ersten Schritte Richtung Freiarbeit gehen? Wenn du einen umfassenden Einblick in das Thema Horsemanship, Freiheitsdressur und Freiarbeit haben willst, dann empfehle ich dir jetzt weiterzulesen, denn die Tricks und Spielereien der Freiheitsdressur sind für jeden erlernbar.

Das Pferd hat Spaß an der Freiarbeit und ist motiviert
Hat dein Pferd immer Lust geritten zu werden?

Wieso Freiarbeit deinem Pferd die Motivation zurück geben kann

Mal ehrlich: Hat dein Pferd immer Lust aufs Reiten? Häufig macht sich bei Pferden nach einer Weile ein Motivationstief beim Reiten bemerkbar. Sie machen zwar teilweise noch für ihren Reiter mit, jedoch ist kein Enthusiasmus mehr dabei. Also wie kann man sein Pferd wieder so motivieren, dass sie begeistert bei der Sache sind, sich anbieten und von selbst zeigen wollen, was sie können? Und hier kommt die Freiarbeit ins Spiel: Neues lernen wie zum Beispiel das freie Zirkeln in der Freiheitsdressur kann den Spaß an der Bewegung und an der Kommunikation mit dem Mensch zurückgeben.

Lisa Röckeners Pferd Valoo hat bei ihren Shows stets eine entspannte Mimik, er sieht nicht automatisiert oder gezwungen aus. Das kann man leider nicht von allen Freiheitsdressur-Pferden, die man so auf Shows sieht, sagen. Aber was macht Lisa so anders? Die junge Trainerin und Reiterin, die auch schon mit Alizée Froment zusammengerbeitet hat, reitet in allen drei Disziplinen (auch auf Turnieren)- aber eben auch auf Halsring und in der Freiheitsdressur. Dies verdeutlicht nur, dass die Pferdeausbildung viele Gesichter hat. 

Ein „normaler“ Reiter, der in der FN-Schule groß geworden ist und seinem Pferd die Motivation zurückgeben will, weil es mental schon aussgestiegen ist, kann also über die vielseitige Freiarbeit einen alternativen Weg finden. Auch Ingrid Klimke hat sich an die Freiarbeit mit ihrem Turnierpferd gewagt und gemeinsam mit ihrer Tochter Unterricht bei Lisa genommen: Ihr gemeinsamer Kurs Horsemanship meets Turniersport, hilft dir bestimmt auch weiter!

Die ersten Schritte in der Freiarbeit

Die gute Nachricht ist: Freiheitsdressur ist erlernbar. Wahrscheinlich nicht für jeden in derselben Perfektion wie bei Lisa und Valoo, aber doch besser als man in der Regel denkt.

Lisa Röckener startet zu Anfang mit der Konditionierung des Pferdes auf bestimmte Wörter, Laute und Tonfälle, denn Pferde sind tatsächlich fähig, diese ganz genau zu unterschieden (das habe ich hier erklärt). Erst sobald darauf eine Reaktion folgt, wird Neues hinzugenommen: So ist das Rückwärtsgehen ohne Körpersprache, nur mit der Stimme, eine der ersten Übungen. Danach wird der Fokus auf die Körpersprache gelegt mit dem Ziel das Pferd nur mit der Körperhaltung in eine Volte einzuladen. Aber Schritt für Schritt.

Volten mit der Körpersprache einleiten

Beim Volten gehen dreht der Mensch die Schulter in die Richtung, in die er das Pferd zur Volte einladen möchte, lockt mit der Stimme und achtet vor allem darauf, dass der Pferdekopf vor seinem Kopf bleibt. Denn ansonsten sieht man das Pferd nicht mehr und bemerkt zu spät, wenn es die Volte verlässt. Es ist übrigens überhaupt nicht schlimm, wenn das Pferd die Volte unerwünscht vergrößert oder verlässt! Wichtig ist nur, zu reagieren: Dann ist es am Anfang auch korrekt, mal einzugreifen und Körperkontakt mit dem Pferd herzustellen: Zum Beispiel mit einem sanften Impuls am Halsring kann man das Pferd wieder in die Volte holen und dann jedoch sofort mit einem Lob die positive Rückmeldung geben, dass es korrekt und erwünscht ist, wenn das Pferd in der Volte bleibt. Später sollte das auch einfach per Körpersprache funktionieren, anfangs stuft man jedoch zurück.

Alizee Froment bei der Freiarbeit mit ihrem Pferd
Das Stachelschweinspiel als Erleichterung im Alltag, wir zeigen dir wie es geht.

Wie die „Stachelschweinübung“ dir im Alltag mit deinem Pferd helfen kann

Diese Übung kann Dir im Alltag mit Deinem Pferd so einiges erleichtern: Sie heißt „das Stachelschweinspiel“ und kommt aus dem Parelli-System.

Die Stachelschweinspiel-Übung lehrt das Weichen auf Berührung hin. „Das Pferd beginnt dadurch, alle Berührungen, Energien und jeden Druck, der vom Menschen ausgeht, zu verstehen“. In vielen Alltagssituationen mit dem Pferd brauchen wir das: Beim Führen, beim Reiten durch unseren Kontakt mit dem Schenkel oder durch die Zäumung. „“Je besser ein Pferd das Stachelschweinspiel an der Nase verstanden hat, desto besser wird es sich beim Reiten bremsen und lenken lassen.“ Diese Übung kann an jeder Körperstelle des Pferdes ausgeführt werden, anfangs bietet es sich an die Übung am Kopf des Pferdes ausführen lassen. Das Pferd soll Raum zum Mitdenken haben. Es soll mental angesprochen werden, nicht durch körperliche Kraftaufwendung. 

Dein Pferd nur mit deiner Energie rückwärtstreten lassen

Ohne Druck das Pferd rückwärtstreten lassen
Sei dir deiner Zielvorstellung bei dieser Übung bewusst.

In der Übung soll dein Pferd rückwärtstreten, allerdings ohne jeglichen Kraftaufwand von deiner Seite aus. Dazu stehst du vor deinem Pferd und legst deine Hand auf seine Nase.

Doch bevor du mit der Übung beginnst, überlege dir, mit welcher Intensität du dein Ziel später mal erreichen willst: Möchtest du, dass dein Pferd schon auf deinen Blick hin rückwärts geht? Oder auf deine Energie, also Körperspannung reagiert? Oder dass es rückwärts geht, sobald deine Hand seine Haare berühren? Diese Zielvorstellung der minimalsten Energie, die du aufwenden möchtest, nennt Sarah Brummer Phase Eins. Welche das ist, „das ist sehr individuell, bei dem einen mag es ein Gedanke sein, beim nächsten ein Blick.“ Du solltest für Dich festlegen, was deine Phase Eins ist. Auf die arbeitest Du hin.

So setzt du deinen Körper richtig ein

Jetzt geht’s los. Stelle dich frontal vor dein Pferd. Seil oder Strick in die rechte Hand. Mit deiner linken Hand umfasst du die Nase deines Pferdes. Gleichzeitig erhöhst Du deine Körperspannung und sendest auf diese Weise Energie in Richtung Pferd. Damit das Pferd sich angesprochen fühlt, musst Du Deinen Bauchnabel in Richtung Pferd drehen, so dass er auf Dein Pferd zeigt. Für die richtige Energie und Körperspannung gilt: Das Brustbein anheben, Deinen eigenen Muskeltonus erhöhen, Du atmest ein. Denke an die Rückwärtsbewegung, die Du Dir von Deinem Pferd wünschst. Sobald das Pferd sein Gewicht zurück verlagert und einen Schritt tut, bitte sofort Deine Energie wieder hinunter fahren. Meint: Ausatmen, Arme sinken lassen, Muskeltonus abschwächen, weicherer Blick. Das Pferd nicht mehr frontal ansehen, sondern sich daneben stellen. Gern ein Bein locker abknicken lassen, also eine entspannte Haltung einnehmen. Die Hände sanft um die Pferdenase legen, aber ohne dieses mit Energie und einer Handlungsaufforderung zu verknüpfen. Diese Berührung soll angenehm für das Pferd sein. Der Sinn dahinter ist: Das Pferd soll nicht auf die Idee kommen, dass jegliche Berührung der Nase mit Rückwärtstreten in Verbindung steht. Kurz einen Moment so verbleiben, dann ein paar Schritte zur Seite gehen, sich vom Pferd wegdrehen und es nachdenken lassen.

In der Freiarbeit können immer Fehler passieren
Dein Pferd wird von selbst nach einer Lösung suchen.

Wenn das Pferd nicht rückwärtsgehen will: Häufige Fehler

Falls du noch nie so gearbeitet hast, klingt das vielleicht seltsam für Dich. Ohne Druckverstärkung zum Ziel kommen? Ja, das ging. Zumindest in diesem Kurs ging jedes Pferd nach diesem Rezept rückwärts. Bei manchen dauerte es etwas. Doch der Mensch blieb bei seiner Fragestellung und so suchte jedes Pferd nach einer Lösung. Sobald sie verstanden hatten, dass die Lösung im rückwärts lag, war der Knoten wie geplatzt und jedes Pferd wurde eifriger darin, diese Lösung anzubieten. „Jedes Pferd hat ein individuelles Empfinden, wann und wie viel Energie für es einen Anreiz bedeutet“, erklärt die Ausbilderin. „Deshalb benötigt der Mensch ein sensibles Einfühlungsvermögen, um zu merken, ab welcher Energie das Pferd beginnt mitzureden. Manch enttäuschtes, von Menschen abgestumpftes Pferd benötigt einen intensiveren Kontakt als ein junges, noch sehr natürliches Pferd, welches intuitiver, unbeschriebener, handelt.“ 

Häufige Fehlerquellen bei dieser Übung sind:

  • Der Mensch vergisst die Körperenergie einzusetzen
  • Der Mensch intensiviert seine Berührung
  • Der Mensch verkrampft seine Finger
  • Das Pferd wird aufgrund der oben genannten Fehler nasensauer

Das A und O bei der Freiarbeit ist deine eigene Körpersprache

Die Übung ist für den Menschen – obwohl sie so simpel klingt! – eine gute Schule, den eigenen Körper wahrzunehmen. Sie funktioniert nämlich durch bewusstes Einsetzen Deiner Körpersprache, obwohl du scheinbar einfach nur vor dem Pferd stehst. „Der Mensch lernt bei diesem Spiel den Unterschied zwischen Entspannung und positiver Anspannung“, erklärt Sarah Brummer. „Die positive Anspannung beginnt in der mentalen Vorstellung des Menschen, welche dann im Körper widergespiegelt wird.“ Oft senden wir Menschen den Pferden komplett unbewusst Signale. Schon in dieser kleinen Übung lernst du, durch deine Körpersprache Energie hoch oder herunter zu fahren, auf die jedes Pferd reagiert. Bestandteile des „Energie Wegnehmens“ sind:

  • Bauchnabel vom Pferd wegdrehen
  • Hüfte locker geknickt
  • Atem fließt
  • Arme hängen
Das Pony reagiert in der Freiarbeit auf die Körpersprache
Deine Intention ist ebenso wichtig wie deine Körpersprache.

Deine Gedanken machen den Unterschied aus

Die Intention, die jeder Mensch hat, hat ebenso große Auswirkungen auf das Pferd. Deshalb ist es auch wichtig, sich das rückwärts gehende Pferd vorzustellen, während man einen Rückwärts-Schritt verlangt. Solch konkrete Anweisungen sind hilfreich, aber auch die generelle Einstellung zum Pferd macht etwas mit dir, dem Pferd und eurer Arbeit. Sarah Brummer formuliert es so: „Die Pferde fühlen eure Absichten. Ob sie gezwungen werden sollen, zum Beispiel in den Hänger zu gehen, oder ob ihr so lang bei ihnen mit Geduld bleibt, bis sie den Mut haben, selbst hinein zu gehen.“ Je mehr Zeit du dir für eine kleine Übung nimmst, desto besser und schneller ist diese für das Pferd verständlich. Weil du dann mehr bei dir bist, mehr in Ruhe bist und deine Sprache klarer ist. Und Pferde mögen Klarheit so sehr!

Die Gefahr beim Horsemanship: Druckverstärkung ohne Ende

Das andere Extrem: Wer in Richtung Horsemanship geht, muss ganz schön darauf aufpassen, nicht in eine Spirale der Druckverstärkung zu kommen. Das Endergebnis von Horsemanshiparbeit, die mit viel Druck arbeitet, wird so häufig bejubelt auf großer Bühne: Es sind Freiheitsdressuren oder gerittene Shownummern, bei denen die Körpersprachen der Pferde Stress und Abwehr signalisieren. Pinselnde Schweife, verkniffene Mäuler sind da zu sehen, keine Losgelassenheit ist erkennbar, weder körperliche noch psychische. Aber die Pferde liefern ab. Sie laufen ohne Zaum da hin, wo der Mensch möchte, sie lassen sich ohne Zaumzeug oder mit wenig Ausrüstung in irgendwelchen scheinbar hohen Lektionen reiten. Wie das auch mit Leichtigkeit und Freude geht, zeigt Alizée Froment in ihrem Kurs zur Freiarbeit.

Clickern ist das neue Zuckerbrot

Wer nur mit Zuckerbrot arbeiten möchte, der findet mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann den Weg zum Clicker-Training. Reine positive Verstärkung. Unerwünschtes Verhalten wird ignoriert, erwünschtes Verhalten wird belohnt. Das funktioniert wunderbar, wenn man sich an ein paar Rahmenbedingungen hält und zugleich bereit ist, seine Reitambitionen hintenan zu stellen. Die bleiben nämlich ganz schön häufig dabei auf der Strecke. Das große Aber: Wer die Rahmenbedingungen und Regeln nicht konsequent einhält – und das passiert leider nicht selten – hat irgendwann ein unhöfliches Pferd da stehen. Das sein Futterlob aufdringlich einfordert, vielleicht sogar aggressiv gegen den Menschen wird. Wie man es von Anfang an richtig macht, zeigt Nina Steigerwald in ihrem Kurs Agility mit dem Pferd: Mit dem Clicker begeistern, schau also lieber davor mal rein bevor du dich ans Clickern wagst.

Warum machen die einen Reiter zu viel Druck und die anderen scheuen jede Grenze?

Wenn ich so etwas sehe, frage ich mich immer: Wie kam derjenige, der das praktiziert, dahin? Und was war die ursprüngliche Suche? Die Antworten zu beiden Extremen sind ähnlich. Am Anfang steht die Suche nach Gemeinschaft mit dem Pferd. Die Faszination für das Pferd. Die dazu führt, sich auf den Weg zu machen. Bei der Zuckerbrot-Variante wird vermutlich der Wunsch immer größer, das Pferd ohne Abstriche zu begeistern. Keine Variante der Druckverstärkung mehr zu nutzen. Irgendwann ist sogar der weich angelegte Reiterschenkel, der ein Weichen erfragt, zu viel. Denn er gehört wissenschaftlich betrachtet zu den negativen Verstärkern.

Eine vielseitige Ausbildung unter dem Sattel und am Boden zahlt sich aus
Freue dich auch über die kleinen Erfolge im Training.

Ein Plädoyer für das Wertschätzen der Basisarbeit

Der Wunsch, etwas besonders gut zu machen, gibt es natürlich auch in der Freiarbeit. Ob nun mit Druck oder nur mit positiver Verstärkung, es kann beides funktionieren aber auch beides ins Extreme gehen.

Hinzu kommt der Druck der Reiterwelt von außen, die scheinbar ruft: Erst wenn Du etwas Großes zeigst, gilt das als wertige Arbeit. Für die Freiarbeitsjünger mag das bedeuten:  Wenn Dein Pferd Dir frei jegliche Lektionen anbietet, dann ist das was. Für die Dressurreiter: Wenn Du eine tolle Piaffe reiten kannst, bist Du wer.

Die Folge davon ist, dass ziemlich viele Leute sich nicht mehr über kleine korrekte Dinge freuen können und die wertschätzen. Das Plädoyer für die kleinen Dinge beim Lernen mit dem Pferd findest Du auf meinem Blog. Und ein Ereifern darüber, warum es so schade ist, dass viele Leute im Zweifel lieber halbgares, scheinbar anspruchsvolles Zeug zeigen, weil sie denken, erst diese Ebene wäre wertvoll.

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