Nachruf Thomas Vogel

Thomas und Inge Vogel
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Die besten Trainer

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Wir trauern um Thomas Vogel. Ohne ihn gäbe es wehorse nicht. Denn er hat mit seiner Frau Inge pferdia gegründet, woraus wehorse entstanden ist. Am 10.5.2022 starb er mit 63 Jahren für uns alle völlig überraschend. 

Thomas Vogel hat sehr viele unserer Filme und Kurse gedreht, stand bis 2020 hinter der Kamera und schnitt Filme. 

Tatsächlich war Tom nicht nur ein hervorragender Kameramann. Sondern ein großer Hippologe und ein ganz besonderer Mensch. 

Für uns als Team und für seine Familie war er ein Fels. Die Familie und familiäre Bindung sind wichtig zu erwähnen, denn pferdia war ein absolutes Familienunternehmen.  Inge und Tom Vogel hatten zu den Mitarbeitern und vielen der Ausbilder ein enges und sehr freundschaftliches Verhältnis. 

Auf Tom konnte man sich verlassen. Jede und jeder. 

Und das nicht nur in technischen Fragen, nicht nur aufgrund seiner enormen Erfahrung beim Filmemachen. Auch und gerade in Pferdefragen.

Geht dieses Pferd wirklich klar?
Tom hatte den sicheren Blick, auch wenn es nur ein Hauch eines Tickens war.

Welches dieser Pferde nehmen wir jetzt für den Dreh?
Seine Erfahrung machte das Entscheiden leicht, auch in schwierigen Fällen.

Er war derjenige, der selbst einer Ingrid Klimke sagen durfte, welcher Wechsel gut durch gesprungen war. 

Ein Pferdemann durch und durch. Bescheiden. Gelernt bei dem Besten seiner Generation, bei Hans Joachim Köhler. 

Tom Vogel hatte immer ein nettes Wort für Mensch und Tier. Das bedeutet nicht, dass er viel sagte. Aber wenn, dann hatte es Gewicht. Er besaß eine beneidenswerte Balance zwischen Disziplin, guter Arbeit, Prinzipien und dem Schätzen des guten Lebens. Den ganzen Tag in sengender Sonne bei Alizée Froment in Südfrankreich drehen? Ja. Und danach, danach in ein richtig schönes Restaurant, draußen sitzen, einen Wein, ein gutes Essen. Er selbst kochte außerordentlich gut und züchtete mit seiner Frau Inge zu Hause Gemüse. 

Die beiden waren ein sehr gutes Team – sie kommunikativ, alle zusammenhaltend, mit einem sehr guten Gespür für Themen. Er derjenige, der sich im Schnittraum oder in der Vertonung für Stunden vergrub. Dem ein Drehtag selten zu lang wurde, der Stunden gebückt hinter der Kamera stand. Aber sich auch gern währenddessen ins Gras legte, zu Bobby, ihrem Hund, als die Kamera mal Sonja aus unserem Team übernahm, zum Beispiel. 

Abgeben ging. Ganz haben Inge und Tom Vogel das 2018 gemacht und die Firma pferdia an ihren Schwiegersohn Christian Kröber und dessen Geschäftspartnerin Sophie Schwerdtfeger verkauft. 

Das tiefe Wissen über Reitweisen, Pferdeausbildung und die Szene ist bei Inge und Tom Vogel verwurzelt. 

Der Mann an der Kamera

In Süddeutschland wurde Thomas Vogel geboren – was seine Zuneigung für den FC Bayern München vielleicht erklärt, obwohl er seit Jahrzehnten in Norddeutschland lebte. Reiterlich prägte Tom seine Bereiterlehre bei Hans Joachim Köhler. Köhler ist ausschlaggebend gewesen für die Historie der Reiterei in Deutschland. Er hat zum Beispiel die Verdener Auktion begründet, sie zur Elite-Auktion aufgebaut und zahlreiche Fachbücher geschrieben. 

Thomas Vogel wurde so etwas wie die rechte Hand des berühmten Hippologen: Er war Auktionsassistent, Köhler war der Chef. Zehn Jahre hat er bei Familie Köhler auf dem Hof gewohnt, einmal sagte Inge Vogel dazu: „das war schon fast eine Vater-Sohn-Beziehung“. Mit Hans Joachim Köhler fuhr Thomas Vogel nach Ostpreußen, es entstanden Fotos, eine Ausstellung, schließlich der erste Film über Gestüte dort. Diese sind immer noch auf wehorse zu sehen. Es waren Filme, die die Geschichte der Pferde Trakehnens erzählen. Es folgten Lehrvideos. In den neunziger Jahren kamen immer mehr Filme dazu, Inge Vogel stieg ein und brachte viel Gespür für die Themen, die in der Luft lagen, mit.

 

Thomas Vogel mit Hans Joachim Köhler

Die ersten Videos verkaufte sie auf Turnieren, den Kinderwagen dabei. Irgendwann kam der Versandhandel dazu, DVDs wurden verschickt, die Firma wuchs. Sie erkannte, welche Möglichkeiten in Lehrvideos von gutem Reiten lagen und baute die Firma auf. Schaffte Tom den Raum, den er brauchte, um mit den besten Ausbildern hervorragende Filme zu produzieren. Er war ein wunderbarer Familienmensch, das ist Inge Vogel wichtig zu erwähnen, “immer für mich und die Kinder da”. Den ersten Schritt zur Digitalisierung der Filme machten sie gemeinsam mit Tochter Elisabeth, die maßgeblich am Konzept mit arbeitete. Inzwischen widmet sich Elisabeth ihrem Herzensthema Coaching. Sohn Peter lebt die andere wichtige Seite der Familie Vogel aus: Er hat sein Berufsleben der regenerativen Landwirtschaft gewidmet.

Inge und Tom Vogel haben und hatten einen breit gefächerten Pferde-Background: Sie als Züchtertochter, die viel junge Pferde einritt, er als Sohn einer Lehrerin und eines Fachhochschul-Professors. Tom Vogel wollte jedoch lieber reiten als studieren – ein kleiner Schock für die Eltern, erzählte Inge Vogel einmal. Und er ritt auch ganz erfolgreich: nach dem Abitur startete er auf den Deutschen Meisterschaften in der Vielseitigkeit. Nach der Dressur lag er im Mittelfeld, im Gelände war er der schnellste ohne Fehler, mit Gutpunkten, die es damals noch gab, im Springen gab es zwei Fehler. Einmal ist er auf einem internationalen Turnier Prinzessin Anne über den Weg geritten, auch eine Anekdote, die er mal als Höhepunkt seiner Reiterei bezeichnete. 

Wie nah die Reiterei der 90er, 00er und 10er Jahre den beiden war, ist nicht an eigenen Reit-Erfolgen messbar. Eine Ahnung davon gibt jedoch der Flur ihres Wohnhauses wieder: alle Ausbilder, mit denen es pferdia und wehorse-Filme gibt, haben sich da an der Wand verewigt. Philippe Karl hat gezeichnet, Olympiasiegerinnen haben unterschrieben, viele Grußworte stehen da. 

Beide waren immer ganz, ganz nah dran an den Reiter- und Pferdegrößen der heutigen Zeit. Was sie da beeindruckte? Namen und Preise waren es ja nicht. In einem Interview erzählte Thomas Vogel einmal von dieser Situation: „Für mich war faszinierend, als Uta Gräf mit Damon Jerome, 2012, bei einem Seminar in Warendorf ein Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen geritten ist, wie ich es noch nie gesehen habe. Es waren nur Sekunden, aber es war perfekt, so wie immer alle davon reden: dieses An-die-Hand-heran-dehnen, der Zügel bleibt in Verbindung, bei einem Seminar im DOKR. Alle reden davon immer, sehen tut man es selten, aber dort, da war es für mich perfekt.“ Dieses Video, das er filmte, ist natürlich auch in einem wehorse-Kurs zu sehen.

Er konnte sich immer wieder begeistern für gute Ausbildung. Ob das bei Anja Beran oder Ingrid Klimke oder Uta Gräf war. Zu Hause hielten Inge und Tom Vogel lange Jahre vollblutgeprägte Pferde, hatten Vielseitigkeitshindernisse auf Weiden stehen. Erst als die letzte Pferde-Generation starb, stellten sie auf Selbstversorgung um und wandelten die Pferdeweiden in Beete, Schafweiden und Obstbaumwiesen um.

Durch ihre Berufung mit pferdia haben die beiden am eigenen Leib gemerkt, wie sich die Reiterszene mit den Jahren verändert hat. Thomas Vogel erzählte einst im Interview, wo sich das für ihn bemerkbar machte: „Für mich gibt es einen Bruch in der Reitszene in den 80er Jahren, das ging für mich los mit Alwin Schockemöhle 1986 in Montreal. Er hat sein Pferd sehr tief eingestellt, da hieß es immer: ‚So darf nur Alwin Schockemöhle reiten, der ist der Einzige, der das kann und so reitend von hinten nachtreiben kann, das darf keiner nachmachen!’ Doch nach und nach hat sich diese Art der Reiterei etabliert.“ Ihre Aufgabe sahen die Vogels darin, gute Beispiele zu zeigen, aber auf keinen Fall die Ausbilder gegeneinander auszuspielen: „Zum Beispiel ist Philippe Karl ein guter Pferdemann und ein Künstler im Sattel genauso wie Ingrid Klimke. Die haben zwar unterschiedliche Ansichten, gehen aber beide gut mit Pferden um, sind beide Horseman. Und sie haben beide Schüler, die das gut nachmachen und die das nicht gut nachmachen.“ 

Dreharbeiten mit Linda Tellington-Jones

Gutes Reiten auf einen Sockel heben, darum ging es Tom Vogel immer, und natürlich auch Inge Vogel. Es ist unmöglich, ihn und seinen Einfluss zu beschreiben, ohne sie gleichwertig zu nennen. Denn alles war eine gemeinsame Aufgabe, ein Lebenswerk. Sie waren einfach ein hervorragendes Team. 

Beide waren unbestechlich. Geradeaus und höflich zu jedem. Aber nur bereit, das zu filmen und damit einem größeren Publikum zu zeigen, was gutes Handwerk, gutes Reiten und  pferdefreundlich war. 

Sie haben Material ganzer Filmtage weggeworfen, einfach weil sie merkten: Nein, hinter diesem Ausbilder können wir nicht vollen Herzens stehen. Das zu tun und dennoch gut mit vielen Menschen zu können, Nein zu sagen, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen – das ist große Kunst und das konnten sie.

Dass sich Freizeitreiter und Sportreiter immer mehr einander annähern, das konnten sie in den letzten Jahren beobachten. „Wenn wir vor 10 Jahren einen Film mit Uta Gräf gemacht hätten, das wäre zu früh gewesen!“, sagt Inge Vogel. Mittlerweile finden aber viele Sportreiter auch das Haltungskonzept von Uta Gräf gut und immer mehr Menschen bemühen sich, dass es auch für Sportpferde Alltag wird, hinaus auf die Weide zu können.

Die Jahre nach dem Verkauf von pferdia gehörten dem Zuhause der beiden. Sie haben ihren Hof umgebaut, ein kleines Selbstversorger-Paradies geschaffen. Mit großen Gemüsegärten. Mit einer Kühlkammer für viele Leckereien. Thomas Vogel war handwerklich geschickt, hat aus alten Pferdezäunen eine wunderschöne Küche gebaut. Wer dahin kam, nach Völkersen zu den Vogels, der fühlte sich wohl und willkommen. Mit blühendem Vorgarten, einer Terrasse, auf der sich ein Glas Wein immer gut machte, einem Garten, der Pilze auf Baumstämmen beherbergt. Ein außerordentlich guter Koch war er, und gute Gastgeber waren sie beide. Es ist schwer, sich Inge ohne Tom vorzustellen. Wir werden uns alle schwer daran gewöhnen können. 

Die menschliche Messlatte liegt hoch. Und das ist gut so. 

Was fachlich bleibt: Sich dafür einzusetzen, Reiten zu zeigen, das gut fürs Pferd ist. Eine Richtung vorgeben, wie gutes Reiten gelingen kann. Das haben beide gesät als Idee und wir als Team wehorse werden uns an diesem Anspruch immer messen. 

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